Mit Drucksituationen müssen Unparteiische umgehen können. Laut Deutscher Fußball Liga häufen sich in der abgelaufenen Saison aber genau dann die Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, wenn es heiß her geht. Forderungen werden laut.
Neues Amt, große Probleme: Der neue Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich hat gleich bei seiner Vorstellung scharfe Kritik der Deutschen Fußball Liga (DFL) an seinen Kollegen einstecken müssen. "Die Leistungen waren nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Es war auffällig, dass sich Fehlentscheidungen in Drucksituationen gehäuft haben", klagte DFL-Direktor Andreas Nagel beim Schiedsrichter-Lehrgang im bayerischen Grassau über die Auftritte der "Schwarzkittel" in der Vorsaison.
Beim Thema Schiedsrichter herrschte schon zuvor dicke Luft zwischen dem für die Referees zuständigen Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Ligaverband. Selten wurde so häufig über Fehlentscheidungen diskutiert wie in der vergangenen Bundesliga-Spielzeit. Abseitsstellungen wurden nicht klar erkannt, Handspiele unterschiedlich ausgelegt - Woche für Woche die immer gleichen Vorwürfe.
Fröhlich, ausgebildet als Diplom-Kommunikationswirt, reagierte mit einer Mischung aus Verständnis und Schutz für die Kollegen. "Es hat insgesamt nicht mehr Fehlentscheidungen gegeben, sondern es sind in vermeintlich klareren Situationen schwere Fehler passiert", sagte der 58 Jahre alte Nachfolger des abgetretenen Herbert Fandel. Der frühere Top-Referee merkte aber auch an: "Gerade bei Handspiel und Abseits haben sich die Fehlentscheidungen minimiert."
"Saison nicht rund gelaufen"EM-Schiedsrichter Felix Brych, der in Grassau zum dritten Mal als "Schiedsrichter des Jahres ausgezeichnet wurde, gab Fehler unumwunden zu. "Wir Aktive haben selber gemerkt, dass die letzte Saison nicht rund gelaufen ist", sagte der 40-jährige Münchner. "Dann macht man sich natürlich Gedanken." Dennoch setzte Fröhlich für den anstehenden Lehrgang keine Schwerpunkte. "Wir beschäftigen uns eher mit Wahrnehmungsfragen, die teils durch das Laufverhalten, teils durch unglückliche Umstände zusammenhängen", sagte der Berliner. Zusätzlich stellte Fröhlich einen Zehn-Punkte-Plan vor, der die Entscheidungsqualität verbessern und Fehler minimieren soll.
Probleme will der DFB intern lösen, nach außen hin denkt der Verband groß. Dazu gehört auch, dass DFB und DFL ab der kommenden Bundesliga-Saison den Einsatz eines Video-Assistenten testen. "Wir haben frühzeitig gesagt, dass wir dabei sein möchten und arbeiten mit Hochdruck daran", sagte Nagel am Mittwoch. Erste Tests sollen bereits in der Hinrunde stattfinden, zur Winterpause ist ein Zwischenbericht geplant. Das Spielgeschehen wird das durchaus spannende Projekt vorerst nicht verändern: Der Video-Assistent arbeitet "offline", hat also keine Verbindung zum Schiedsrichter.
Fröhlich muss aber vor allem daran arbeiten, die beiden Verbände sowie die aktiven Schiedsrichter zu einen. Im vergangenen Winter kamen sogar Gerüchte über eine Schiedsrichter-Revolte gegen die ehemalige Führung um Fandel und DFL-Experte Hellmut Krug gegeben. Der DFB dementiert zwar, doch Fröhlich unterstreicht seinen Führungsstil sehr deutlich: "Ich bin kein Patriarch oder Alpha-Tier, sondern sehe mich als kommunikativen Typen, der gemeinsam mit der Mannschaft die Probleme lösen will."
An diesen Problemen arbeitet der Kommunikator Fröhlich mit den 23 Bundesliga-Schiedsrichtern nun fünf Tage lang im Voralpenland. Damit die Unparteiischen in der neuen Saison nicht mehr so häufig im Fokus stehen und die Verbände wieder auf einer Wellenlänge sind. (SID)
Quelle: n-tv.de
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