Chris Stein

Festivalreporter, Tourismus- u. Veranstaltungskaufmann, Berlin

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Ganz entspannt unter der Wolkendecke: So war das Summerjam 2014

Foto @ Chris Stein

Friesennerz, Regenschirm und Gummistiefel verbindet man eigentlich nicht mit Reggae, Dub und Dancehall. Doch auch wenn das traditionsreiche Festival am Fühlinger See in Köln dieses Jahr eine nasse Angelegenheit war: Von den ersten Takten bis zum obligatorischen Feuerwerk und dem gemeinsam intonierten »Redemption Song« herrschte richtig gute Stimmung.

Die Fußball-Weltmeisterschaft konnten auch die Organisatoren des Summerjam 2014 nicht ignorieren. Der Public Viewing-Bereich war am Freitag, dem 4. Juli während des Viertelfinales zwischen Frankreich und Deutschland am besten besucht. Aber an den gut gelaunten, teils sehr phantasievoll kostümierten Anhängern der Equipe Tricolore, die das Ausscheiden ihres Teams mit viel Gelassenheit quittierten, zeichnete sich ab, dass den Festivalgästen bei der 29. Ausgabe rein gar nichts die Stimmung verhageln konnte. Außer vielleicht die Running Order am Samstagabend, die zunächst vorsah, dass Seeed und Konshens gleichzeitig auftreten sollten. Nachdem allerdings verkündet wurde, dass Konshens und Anthony B. ihre Slots tauschen würden, hingen nur noch die dunklen Regenwolken aus der Wettervorhersage bedrohlich über dem Szenario am von Campern gesäumten Fühlinger See.

Der Freitag blieb jedoch sonnig und trocken. Marteria sorgte unter sternenklarem Himmel für einen ersten Höhepunkt im Kölner Norden. Vor allem die kurzen Ausflüge in die Marsimoto-Welt kamen beim Publikum gut an. »Alle oder keiner?« rief Marten Laciny immer wieder in die Runde – und man konnte nicht nur an den bunten Rauchzeichen ablesen, dass da alle bei ihm waren. Womöglich freuten sich nicht wenige in der Crowd bereits auf ein weiteres Highlight. Schließlich hatten Pow Pow Movement angekündigt, ihre 20. Teilnahme am Summerjam würdig zu feiern. Die inzwischen fest beim Festival etablierte, große Dancehall-Arena bot ihnen und ihren tanzenden Fans ordentlich Raum zum Austoben, und mit Jugglerz hatten sie die richtigen Freunde an ihrer Seite, die auf der Bühne ordentlich Support gaben. Krass gut.

Am Samstag spielten die Heidelberger Irie Révoltés ihren entspannten Hit »Soleil« unter einem formvollendeten Regenbogen. Die weiteren Acts sorgten gemeinsam dafür, dass der verregnete Tag nicht ins Wasser fiel, ob Lutan Fyah, Milky Chance oder eben Konshens. Für ein paar feuchte Augen dürfte das Konzert von Seeed gesorgt haben, zumindest bei der Band selbst, die schon einige Jahre nicht mehr beim Summerjam zu Gast gewesen war. Wir stellen fest: Alter schützt vorm Grooven nicht, Seeed haben sich von einem sehr guten zu einem phantastischen Live-Act entwickelt, dem das Wort »Entertainment« auf der kollektiven Stirn geschrieben steht.

Zu unerwarteten Gewinnern avancierten am letzten Tag Dilated Peoples. Die Westcoast-HipHop-Crew, in den frühen 1990ern gegründet, spielte einen überragenden Abschluss-Gig ihrer Europatournee. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass man die Veteranen erleben durfte. Mitte August erscheint ihr neues Album »Directors Of Photography«, und wir dürfen gespannt sein, wie zeitgemäß es rüberkommt. Die französische Ska-Formation Tryo machte nachher den zeitgleich auftretenden Orsons mächtig Konkurrenz.

Da fieberten viele bereits dem Auftritt Jimmy Cliffs entgegen. Der 66-jährige enttäuschte sie nicht. Er hatte ja auch eine sagenhafte Setlist am Start, die es mit den Lebenswerken anderer Reggae-Größen wie Peter Tosh und Bob Marley aufnehmen kann. Neben »The Harder They Come« spielte er im strömenden Regen einen Song, dessen berühmte Zeilen im Nachhinein zum Motto für das komplette Summerjam 2014 auserkoren werden müssten: »I can see clearly now the rain is gone«. Ein echter Prophet wie er ist eben nicht aus Zucker.

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