Chris Stein

Festivalreporter, Tourismus- u. Veranstaltungskaufmann, Berlin

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23°C, ordentlich Bass und Nebelschwaden auf der Alm: So war's beim Snowbombing 2016

Foto @ Chris Stein

Zum Abschluss der Skisaison lockt das Snowbombing Festival zum 17. Mal mehr als 6.000 Besucherinnen und Besucher und mehr als 100 Live-Acts wie z.B. The Prodigy und Bastille ins sonst so beschauliche Mayrhofen.

Wenn der Road Trip, eine Autokarawane mit hunderten sogenannter Snowbombers aus Großbritannien in Mayrhofen eintrifft, ist es mit der idyllischen Bergruhe in dem beschaulichen Ort im Zillertal für die nächsten Tage vorbei. Das Snowbombing ist besonders bei den Briten sehr beliebt.
 
Uns erwarten bei Ankunft im Ortszentrum 23 Grad, alles andere als Temperaturen für ein Winterfestival. Als einer der ersten läuft uns Skisprunglegende Michael Edwards alias Eddie the Eagle über den Weg – ein Stammgast des Festivals. Der 52-Jährige, dessen Teilnahme bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary gerade für das Kino verfilmt wurde, verrät uns beim kurzen Plausch, dass er eine neue Passion hat: das Jive-Tanzen.

Getanzt wird beim Snowbombing nicht nur bis früh morgens in den Clubs, sondern schon vormittags auf der Piste. Ob in Berghütten, im Iglu oder auf einem unterirdischen Tennisplatz -  es gibt kaum einen Ort, an dem keine lauten Bässe erklingen. Selbst der Fleischerladen »Hans The Butcher« an der Talstation lädt regelmäßig DJs ein, die hinter seiner Theke zwischen Rippchen und Käsekrainer ihre Plattenteller ausbreiten.
 
In diesem Jahr ist es zuerst Sturm, dann dauerhafter Nebel auf dem Berg, der die Abstände zwischen Sport und Feiern enorm verkürzt. Zum Glück gibt es mit der Arctic Disco einen windgeschützten Platz auf dem Gipfel des Ahorns - ein Rieseniglu mit Eisbar, in dem unter anderem Rafael da Cruz und Sasse die Regler bedienen. Zur After-Dark-Disco werden auch abends Tanzwütige auf den Gipfel befördert, um die exklusiven Gigs von Kerrie Chandler oder Fatboy Slim zu erleben.
 
»Groove is in the Hof« heißt es bei der Street Party, zu der bunt kostümierte Super-Marios und Flower-Power-People auf den Dorfplatz pilgern. Der Discofunk mit wilden Tanz- und Breakdance- Einlagen der Cuban Brothers ist das beste Aufwärmtraining - und so ist Sänger Miguelito blitzschnell nur noch sehr spärlich bekleidet. Die Groove Armada begeistert nicht minder und lässt uns fröhlich zum Bruckn Stadl weiterziehen. Die Aprés-Ski- Großraumbar verwandelt sich derzeit in ein alpines Watergate – inklusive der Berliner DJ-Familie.

Das Europahaus ist ein Ort für Pingpong und Trinkspiel-Fans zugleich. An mehreren Platten wird der sogenannte Pongathon Contest durchgeführt, bei dem sich zwei Teams gegenüber stehen und versuchen, die Tischtennisbälle in den gegnerischen Bierbechern zu versenken. Hier ist Geschick im Handgelenk gefragt, und natürlich großer Durst.
 
Der unterirdische Racket Club serviert den BesucherInnen abends besondere Asse. Sven Väth, Jamie Jones, Craig David und Hannah Wants geben sich dort die Mischpulte in die Hand. Wie auf Ibiza, nur im Schnee fühlt man sich beim »Paradise«-Abend der Clique um Jamie Jones. Hannah Wants aus Birmingham macht mit ihren harten Bass-House-Tunes keine Gefangenen. Sven Väth beweist, dass auch mit über 50 Jahren das Tempo nicht abnimmt.
 
Besonders beliebt ist tagsüber der Watersplash-Contest an der zur Snowpark Terrace umfunktionierten Grillhofalm. Zu chilligem Sound von Lauren Lane und Andrea Oliva versuchen Snowbombers mit Skiern oder Board über ein Wasserbassin zu gleiten, um am Ende trocken einen Schnaps entgegennehmen zu können. Angespitzt von örtlichen Pros, die mit Salto trocken aus der Nummer kommen, stürzen die meisten Bombers zum Jubel aller unfreiwillig und in voller Montur ins Wasser. Schnaps gibt´s trotzdem.
 
Trockener geht’s eine Piste weiter im Reggae-Stüberl „Rompas Reggae Shack" zu, bei dem feinste Beats von Daddy Nature und Co. zum Rum Punch gereicht werden. Die Bässe sind noch weit oben im Sessellift zu spüren, die Zeit bis zur nächsten Abfahrt kann schwungvoll genutzt werden. Da ist er aber wieder, dieser fiese Nebel, der uns arg beeinträchtigt. Diejenigen, die sich trotzdem die Piste runter wagen, hört man spätestens nach den ersten 100 Metern verzweifelt die Namen ihrer Freunde rufen, die Sicht beträgt maximal zehn Meter.

Zwischen den Schützenbuden auf dem Waldfestplatz steigt zum Ende der Woche an zwei Abenden die Forest Party. Inmitten von Tannen und umrahmt von Bergen bekommen die Gigs von Bastille oder The Prodigy nochmal besonderen Gänsehautcharakter. Hier zählen nicht nur die Tunes, sondern das große Ganze: fetter Sound, Monster-Lichtshow und Hits, Hits, Hits. Nebelschwaden ziehen über den Festplatz und dazu singen tausende Kehlen: »And if you close your eyes, does it almost feel like you´ve been here before«. Getoppt wird dies noch, als am Abend darauf »Firestarter« von The Prodigy erklingt.
 
Es bleibt festzuhalten: Der einwöchige Mix aus Action auf der Piste und Feiern im Club verlangt seinen Besuchern einiges ab. Die Bässe knallen fast rund um die Uhr, die Entscheidung, aufzustehen, fällt jeden Morgen schwer. Sei´s drum, eine gute Portion Musik hat noch nie geschadet, uns beim Snowbombing 2016 auch nicht.



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