Chris Stein

Festivalreporter, Tourismus- u. Veranstaltungskaufmann, Berlin

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Doppel-B am Plattensee: So war´s beim Balaton Sound 2016

Foto @ Chris Stein

Balaton und Bass, Body und Building – Raven ist nix für Weicheier, hier am Plattensee wird einem alles abverlangt. Seit zehn Jahren wird hier feste gefeiert.

Zum Festival zu finden ist, ausgenommen mit dem Shuttlebus, gar nicht so einfach: Um in Budapest den »Balaton Express« zu erwischen, bedarf es der Hilfe und Diskussion mit zehn Ungaren, die offensichtlich alle dieselben Probleme haben, das nicht ausgeschilderte Gleis zu finden. Im Endeffekt schnappen sich alle ein kühles »Dreher«-Bier und hoffen auf weitere Festivalfanatics, die sich durch Rucksäcke, Isomatten und eine Menge gekühlter Getränke schnell zu erkennen geben. Der Plan geht auf und irgendwann rollen alle durch das grüne Hinterland direkt auf den größten Binnensee Europas zu.
 
Beim Ausstieg aus dem Zug in Zamardi brennt die Sonne, hier ist es leichter, den Weg zum Gelände zu finden als in Budapest das Gleis. Meist junge, gutaussehende Einheimische vermischen sich mit ebenfalls gutaussehenden Besuchern vieler Nationen, die durch Trikots oder Gesänge ihre Nationalität preisgeben. Das EM-Fieber hat sich nach dem Ausscheiden des Teams um Trainer Bernd Storck eingestellt, nicht aber das Hissen der ungarischen Flagge, ob an Rollern oder überdimensional groß an Zelten und Hauswänden – willkommen in Ungarn.

Beim Erreichen des bunt geschmückten Festivalgeländes ist man gleich dem scheppernden Bass ausgesetzt, der nicht nur von der Mainstage, sondern auch von den vielen kleinen Stages am Ufer des Sees und überall verteilt zu hören ist. Die leichte mediterrane Brise, die vom See rüberweht, lässt alle durchatmen. Frische Luft ist beim harten Raven nicht unwichtig, schaut man auf das fette Line-up dieser Tage.
 
Ob EDM oder Underground – die Vielfalt ist groß. Huch, Steve Aoki prescht mit seinem Mountainbike vorbei und bereitet sich sportlich auf seinen Auftritt vor. Gleich ist ausflippen angesagt – »Put your hands up in the air, you motherfuckers«, Pyrofontänen und Konfettibomben geben dem Ganzen einen runden Arschtritt. Martin Solveig beruhigt die Gemüter nur kurz, da auch er lieber ein Feuerwerk abbrennt. Dixon verpasst allen den eher ruhigen Mitternachtsmodus, der nach diesem energiegeladenen Tag bereits dringend nötig erscheint.

Am nächsten Tag geht es auf Einladung des ungarischen Tourismus Boards per Helikopter in die Luft, um einen Überblick über das Gelände zu gewinnen und die Dimension des Balaton zu erfassen, der sich 594 Quadratkilometer weit dahinräkelt. Auch hier oben vibriert der Körper, allerdings sind es keine Beats, sondern die Rotorblätter, die in über 4.000 Meter Höhe durchschütteln. Als jetzt noch die mitreisenden Basejumper aus der offenen Heckklappe im Nichts verschwinden, ist der Modus wieder voll auf Elektrisierung gestellt.
 
Zurück auf dem Gelände, ist Zeit für eine Abkühlung im See, der sich wie ein Meer anfühlt, so ein Wellengang ist heute. Hier am Ufer gibt es dann nach Balaton und Bass ein weiteres eindrucksvolles Doppel-B zu betrachten: Dass in Ungarn eine Bodybuilding-Hysterie ausgebrochen zu sein scheint, beweisen eindrucksvoll die männlichen Besucher, die nicht weniger muskelbepackt als Sylvester Stallone in besten Tagen auftreten. Dieser Look ist zum Tanzen etwas schwierig, dafür können die harten Jungs gleichzeitig drei Begleiterinnen in die Luft stemmen, hat ja auch was.

Mit H.O.S.H. und Fritz Kalkbrenner sind zwei deutsche Schwergewichte der Szene heute am Pult. Die ersten Drops des Tages verabreichen DVBBS aus Kanada und Armin van Buuren. Der Niederländer geizt wie gewohnt nicht mit Abrissbeats. Die Nacht wird im Mischwald chilliger Sounds durchtanzt bis schließlich die Sonne aufgeht.
 
Zurück geht es dann diesmal mit dem Shuttlebus. In Richtung Flughafen reisend, merkt man, wie sich der gesamte Körper immer noch leicht zu einem jetzt nicht mehr hörbaren Sound bewegt. Angesteckt durch die harte, aber friedvolle und begeisterungsfähige Gesamtdynamik dieses Festivals freuen sich alle schon insgeheim aufs #Sound2017.
 Auch wenn es dann gerne einige »Put your hands up in the air!« weniger sein dürfen




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