Chris Stein

Festivalreporter, Tourismus- u. Veranstaltungskaufmann, Berlin

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Muskelkater gehört dazu: So war das Snowbombing 2015

Der Muskelkater vom Skifahren wird einfach weg getanzt und zum Aprés Ski kommt nicht Anton aus Tirol vorbei, sondern Skrillex: Wir waren beim Snowbombing in Mayrhofen und haben uns von DJane Anja Schneider erzählen lassen, was das Festival so besonders macht.


Mitte April fliegen Helene Fischer und Mickie Krause aus den Playlists im österreichischen Mayrhofen. Auf den Berghütten und in den Aprés-Ski-Bars des 3.850-Einwohner-Ortes dröhnen dann elektronische Beats. Das 16. Snowbombing-Festival, das vom 6. bis 11. April zum elften Mal im Zillertal über die Bühne ging, beendet traditionell die Skisaison. Dazu fallen Tausende Fans elektronischer Musik in das Dorf ein. In diesem Jahr melden die Veranstalter den Rekord von mehr als 7.000 Besuchern aus 15 Ländern. Die klare Mehrheit der Snowbomber kommt aus England - und hat ein Faible für schrille Kostüme.

Neben den Headlinern Rudimental und Skrillex stehen rund 100 weitere Live-Acts und um die 80 Partys auf der Festival-Agenda - darunter Auftritte von Carl Cox, Fatboy Slim, Basement Jaxx, Gorgon City, MK, Sigma, Sub Focus, Wilkinson, Dubfire, James Zabiela und Modeselektor. Skrillex taucht übrigens so oft spontan irgendwo auf, dass man das diesjährige Snowbombing wohl auch als Skrillex-Festspiele bezeichnen kann.

Zu den ungewöhnlichen Venues gehören die Iglu Arctic Disco in 2.000 Meter Höhe am Ahornplateau oder die Forest Party auf dem zur Festivalbühne umfunktionierten Grillplatz des Schützenvereins. Ein bisschen Berlin-Flair gibt es hier auch. Zum ersten Mal gibt es beim Snowbombing die Watergate-Party im Brück'n Stadl mit Alex Niggemann, Ruede Hagelstein, Tiefschwarz und den Martinez Brothers.

Für einige Künstler ist das 1999 in Frankreich gestartete Snowbombing inzwischen ein fester Termin im Festivalkalender. So auch für die Berliner DJane und Radio-Fritz-Moderatorin Anja Schneider, die seit einigen Jahren in Mayrhofen auflegt - dieses Mal zusammen mit Sasse an der Snow Park Terrace sowie beim Partyabend ihres eigenen Labels Mobilee Records.

Warum kommst Du immer wieder zum Snowbombing?

Seit ich das erste Mal hier war, bin ich total verliebt. Die Atmosphäre ist super, ich mag den Ort, ich mag das Programm. Ich bin heute angekommen und freue mich total, morgen auf den Berg zu fahren und endlich auf Skiern zu stehen. Ich liebe das Snowbombing einfach.

Was macht die besondere Atmosphäre des Festivals für Dich aus?

Das Flair des Dorfes: Du merkst, es ist das Ende der Saison, die Leute wissen, das sind die letzten Tage, und dann haben sie frei. Sie sind super gut gelaunt, überall ist alles so easy.

Tausende Briten übernehmen Mayrhofen eine Woche lang. Wie wirkt das auf dich?

Ich habe immer das Gefühl, den Engländern ist es egal, wie lange sie gefeiert haben - scheiß drauf, am nächsten Morgen ziehen sie um neun Uhr wieder ihr Kostüm an und fahren mit den Boards hoch. Das hat man bei anderen, ähnlichen Festivals nicht, da kommen alle zum Feiern hin und das Skifahren ist egal. Ich mag die Engländer, ich mag die Art zu feiern, ich mag die Kostüme. Bei uns sieht man das nicht, dass Leute im Hasenkostüm oder als Superman kommen. Sie machen sich richtig Mühe vor dem Festival und packen für jeden Tag ein anderes Kostüm ein.

In welcher Verkleidung bist Du denn auf der Piste anzutreffen?

Ich habe kein Kostüm. Aber ich fahre schon ganz lange Ski und habe einen knallsilbernen Discokugelhelm. Das könnte man jetzt als Kostüm bezeichnen. Aber ich meine es ernst.

Die Kombination aus Skifahren und Feiern ist auch anstrengend. Wie hältst du dich fit?

Ich könnte jetzt sagen: Ich trinke immer nur Wasser, keinen Alkohol, und ich war jeden Tag im Fitnessstudio. Nein: Ich werde höllischen Muskelkater haben, so ging es mir die letzten Jahre auch. Ich mache auch keine Skigymnastik, wie man das früher gelernt hat. Und wenn du dann spielst und dein Bein bewegst - aua, das tut sau weh. Egal, das gehört dazu.

Oben an der Mountain Stage am Penken gibt es dieses Jahr auch Snowga...

Ich bin nicht so ein Yoga-Fan, aber das darf man ja gar nicht laut sagen.

Du hast eingangs das Programm gelobt. Auf wen freust du dich am meisten?

Ich will gar keine Namen nennen. Ich finde es schön, dass es nicht immer das gleiche Programm ist, nicht immer die bekannten Helden. Hier gibt es auch mal ein paar andere Leute, die auftreten. Es ist ein bisschen rechts und links gedacht.

The Prodigy, die 2014 und 2013 Headliner beim Snowbombing waren, haben jüngst die Kommerzialisierung der elektronischen Musik kritisiert und über faule DJs geklagt, die vorproduzierte Sets abspielten. Was sagst Du dazu?

Ich bin schon lange dabei und komme aus einer Zeit, da war alles noch nicht so professionell, da war noch nicht so viel Geld involviert. Da haben wir noch nicht in Richtung DJ getanzt und Fotos gemacht, da waren wir wegen der Musik im Club. Es hat sich schon sehr viel verändert in den vergangenen 10 oder 15 Jahren. Mein Herz pocht immer noch für den Untergrund und für stinkende dunkle Kellerlöcher. Aber natürlich beeindruckt es mich auch: Wenn ich auf ein Riesenfestival komme, und auf einmal ist hinter mir mein Name oder ich habe meine eigene Garderobe, mache ich immer noch Fotos, weil ich es nicht glauben kann. Ich denke immer sehr positiv: Wenn heute Kids zu David Guetta gehen und da den Einstieg in diese Musik finden - vielleicht werden sie dann in drei Jahren sagen: Oh, das Mobilee Label finde ich auch ganz gut.

Vielen Dank, Anja!

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