Mamablog-Redaktion am Freitag den 19. Juli 2013
Eine Carte Blanche von Christine Hutterer*.Es ist ja nicht so, dass mir mit einem unter 1-Jährigen und einer knapp 3-Jährigen langweilig gewesen wäre. Aber irgendwie - so dachte ich - muss es doch noch mehr geben...
Einige Monate später fand ich mich mit meinem Mann, den beiden Kindern und einem Esel in der Macchia Korsikas wieder. Wochenlang hatten wir das Gepäck immer weiter reduziert und jeden Socken auf der Küchenwaage gewogen. Nun standen wir also mit Bronco im Gelände. Sein Besitzer Dominique hatte uns erklärt, wir müssten dem Esel Bronco von Anfang an klar machen, wer der Chef sei. Wie wir unsere Autorität zum Ausdruck zu bringen könnten, zeigte er uns auch. Und zwar mit einem lauten, animalischen AAÜÜÜÜÜÜÜÜÜHHHHHHhhhhh!!!
Gut gelaunt, hoch motiviert und mit gutem Kartenmaterial ausgestattet waren wir aufgebrochen. Der Esel trug zwei grosse Reisetaschen und Valentina. Der kleine Silvester sass bei Philipp in der Rückentrage und ich schleppte einen grossen Rucksack. Mit im Gepäck hatten wir natürlich Windeln, Gläschen, Milchpulver - alles, was man im Urlaub mit einem 11 Monate alten Kind benötigt. Doch gleich der erste Tag brachte zahlreiche Überraschungen und wir dachten ans Aufgeben: ein sturer und später hinkender Esel, der unsere Autorität nicht ansatzweise akzeptierte, ausgestorbene Orte - ohne Eisdiele. Der Tag verging so schnell, dass wir uns beeilen mussten, eine Unterkunft zu finden. Die erste Nacht verbrachten wir in einem verlassenen Haus, nachdem wir den derzeitigen Hausbesetzer, einen Skorpion, in die Freiheit begleitet hatten. Heiser vom Antreiben des Esels gingen wir am nächsten Morgen zweifelnd weiter.
Die folgenden Tage waren geprägt vom Akklimatisieren: Fehlende Einkaufsmöglichkeiten machten uns ebenso zu schaffen, wie Blasen an den Füssen und die grosse Hitze. Neu war für uns auch der Umgang mit dem Esel Bronco und seine Versorgung. Doch schon bald fanden wir einen guten Rhythmus zwischen Gehen und Pausen. Valentina sang fortwährend im Sattel und fragte nach einigen Tagen unvermittelt: "Mama, ist das jetzt der Urlaub?" Silvester sass gut gelaunt in der Rückentrage. Bei jeder möglichen Gelegenheit zog er den Esel vergnügt an den Ohren. Valentina spielte in jeder Pause "einkaufen bei Frau Waas": Grosse Blätter waren Schnitzel, Steine die Kartoffeln und Kieselsteinchen waren Gummibärchen. Silvester lernte auf der Reise das Laufen. Im kleinen Ort Girolata am Meer spürten wir nach acht Tagen Wandern erstmals tiefe Befriedigung und Zufriedenheit auf dieser Reise.
Wir durchquerten in den vier Wochen unserer Wanderung dichte Macchia und Kastanienwälder, badeten im glasklaren Meer und in Flüssen, übernachteten in Schutzhütten in der Abgeschiedenheit, passierten die höchsten Gipfel Korsikas und verlassene Dörfer. Wir wurden - dank oder trotz des Esels - überall freundlich aufgenommen und umsorgt. Nur einmal, nach einem langen, heissen Tag wies uns der Hüttenwirt einer Wanderunterkunft ab, weil er keine Kinder im Haus haben wollte. Dieser Tag nach zwei Wochen wandern war der Tiefpunkt der Reise: Ausgelaugt, am Ende der Kräfte und mit zur Neige gehenden Wasservorräten machten wir uns auf den Weg zur nächsten Unterkunft in zwölf Kilometer Entfernung.
Viele Paare verreisen noch einmal ausgiebig, bevor der Kinderwunsch aktuell oder der Babybauch zu gross wird, denn - so denken viele junge Eltern - mit Kindern ist das Reisen erst einmal vorbei. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: "Das stimmt so nicht!" Liebe Eltern, traut euch und euren Kindern etwas zu!
*Christine Hutterer ist freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin, hat zwei Kinder und lebt in München. Über ihre abenteuerliche Eselwanderung hat sie das Buch "Ist das jetzt der Urlaub?" (erschienen bei terra magica) geschrieben. Unter www.ist-das-jetzt-der-urlaub.de bloggt Christine Hutterer über Esel- und Packtierwandern in Europa und sonstige Themen rund um Outdoor-Urlaube mit Kindern.