Christine Hutterer, Dr. rer. nat.

Medizin- und Wissenschaftsjournalistin, München

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Artikel

HPV: Die Hin-und-Her-Impfung

Die breite Berichterstattung in den Medien über mögliche starke Nebenwirkungen und sogar Todesfälle bei HPV-Impfungen zeigten Wirkung: die Impfquote ging zurück. Aus Australien werden nun wieder neue Erfolge der HPV-Impfung vermeldet: Bei Frauen unter 21 Jahren gingen Genitalwarzen um mehr als 90% zurück.

Die Impfung gegen Humane Papillomviren wird in Deutschland seit 2007 von der Ständigen Impfkommission für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren empfohlen. Begleitet von einer gut ausgerichteten Medienkampagne und der Euphorie, das Risiko für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs um etwa 70 Prozent senken zu können, lief die Impfung recht gut an. Doch 2008 formierte sich Widerstand. Eine Reihe von Wissenschaftlern und Medizinern hinterfragten die Impfung und deren Potential kritisch. Die breite Berichterstattung in den Medien über mögliche (verschwiegene) starke Nebenwirkungen und sogar Todesfälle zeigten Wirkung: die Impfquote ging zurück.

Doch inzwischen sind einige Jahre vergangen und die Studien, die im Anschluss an die Phase III-Studien der Hersteller begonnen wurden, liefern Ergebnisse. Ebenso wie die Feldstudien, die beispielsweise in Australien durchgeführt werden, wo die Impfquote bei Mädchen zwischen 83 Prozent für die erste und noch bei 73 Prozent für die dritte Impfdosis liegt. Die Raten der höhergradigen Dysplasien ( CIN) am Gebärmutterhals, also der Vorstufen für Gebärmutterhalskrebs, sind in Viktoria, Australien, rückläufig. Professor Dr. Peter Hillemanns, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Hochschule Hannover, stellt klar: „Wir wissen, dass die Impfung hochwirksam ist. Höhergradige Dysplasien treten seltener auf und wir gehen aufgrund der Daten weiter davon aus, dass bis zu 70 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verhindert werden können!" Zudem gibt es bislang keine Belege dafür, dass andere onkogene Virustypen, welche nicht in den Impfstoffen enthalten sind, jetzt verstärkt auftreten. Nun sind im BMJ neue Daten aus Australien über die Häufigkeit der Kondylome, durch HP-Viren hervorgerufene Warzen im Genitalbereich, publiziert worden.

Die Autoren werteten den Zeitraum vor Beginn des Impfprogrammes (von Januar 2004 bis Juni 2007) aus und verglichen die Häufigkeit von Genitalwarzen mit dem Zeitraum ab Juli 2007 bis Ende 2011. Bei den unter 21-jährigen Mädchen und Frauen ging die Häufigkeit der Kondylome um über 90 Prozent zurück, bei Geimpften trat keine einzige Warze auf. Bei den 21 bis 30-jährigen Frauen trat eine Reduktion um 72 Prozent auf. Auch die Jungen und Männer profitierten offensichtlich durch die Herdenimmunität. Sie werden zwar in Australien nicht explizit geimpft, doch bei den unter 21-Jährigen verringerte sich die Häufigkeit von Feigwarzen um über 80 Prozent, bei den 21 bis 30-Jährigen profitierte noch jeder Zweite. Die Prävalenz von Kondylomen liegt bei einem Prozent. Ein Rückgang von 90 Prozent steuert bei einer so hohen Durchimpfungsrate schon in Richtung Ausrottung der Genitalwarzen.

Impfung stärker nachgefragt

In Deutschland hingegen liegen die Impfraten nach Schätzungen zwischen 30 und maximal 50 Prozent. An eine Ausrottung bestimmter Virustypen oder Herdenimmunität ist bei diesen Raten nicht zu denken. Doch Prof. Hillemanns beobachtet, dass langsam Mütter und Jugendliche verstärkt nach der Impfung fragen: „Die Phase, in der die HPV-Impfung, auch in den Medien, stark kritisiert wird, haben wir hinter uns gelassen. Die Nachfrage nimmt deutlich zu. Dass der Impfstoff sicher ist und nicht zu Todesfällen führt, wie anfangs befürchtet wurde, konnte inzwischen ebenfalls gezeigt werden. Doch die größten Erfolge gibt es in Ländern mit etablierten Schulimpfprogrammen, wie beispielsweise in Australien, England und einigen skandinavischen Ländern". Dann liegen die Impfquoten bei 80 Prozent und darüber. Das haben wir in Deutschland nicht. Hier soll sich jede Frau/jedes Mädchen selbst ein Bild machen und entscheiden, ob sie die Impfung für sinnvoll hält.

Informationen über die Impfung im Internet

Doch aus welchen Quellen beziehen die Eltern und Jugendlichen ihre Informationen? Richtig, zu einem großen Teil aus dem Internet. Eine Untersuchung in Spanien hat sich die im Netz zu HPV verfügbaren Informationen angesehen. Dazu haben die Forscher 14 verschiedene Kombinationen von Suchbegriffen (auf Spanisch) zu HPV und der HPV-Impfung getestet und die angezeigten Seiten bewertet. 72 Prozent der untersuchten Seiten äußern sich positiv zur HPV-Impfung. Die Menge und Tiefe der Informationen variiert dabei stark. 28 Prozent der Seiten raten von der HPV-Impfung ab. Die häufigsten Informationstypen sind dabei Blogs und Foren. Es versteht sich von selbst, dass die Informationen hier häufig unvollständig, subjektiv und eventuell veraltet sind. Daneben fehlen häufig Literaturangaben und Zitate sowie weiter Kriterien, welche die Glaubwürdigkeit erhöhen. Die Autoren der Studie folgern, dass Google natürlich nicht dafür gemacht ist, von einem wissenschaftlichen Standpunkt bessere Informationen besser zu listen.

Daher können typische Suchanfragen uns zu wenig fundierten Meinungsäußerungen führen. In wieweit die Situation mit deutschen Internetseiten vergleichbar ist, kann hier nicht geklärt werden. Doch eine einzige Suche zeigt auch hier in diese Richtung. Gibt man bei Google als Suchwort „HPV-Impfung" ein, so erscheinen auf der ersten Seite auch Beiträge der Seiten impfschaden.info und zentrum-der-gesundheit.de, wo nach eigenen Angaben „unzensierte Informationen aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Naturheilkunde " gibt. „In den angeschlossenen Shops finden Sie hochwertige natürliche Produkte, die Ihnen helfen sollen, Ihre Gesundheit zu stabilisieren". Wissenschaftlich fundierte Informationen für Eltern, Jugendliche und junge Frauen sollten daher im Internet präsent sein, um ein objektives Bild über die HPV-Impfung zu vermitteln.

Auch Reduktion anderer Krebsarten?

Auch wenn es hierzu noch keine gesicherten Daten gibt, so mehren sich die Hinweise, dass die HPV-Impfung auch andere Krebserkrankungen im genitalen und anogenitalen Bereich verringern könnte. Sogar ein Einfluss auf Krebserkrankungen des Mund- und Rachenraumes, die in 30 bis 40 Prozent durch HP-Viren ausgelöst werden, wird diskutiert.

Insgesamt betrachtet sind die Langzeitdaten zur HPV-Impfung vielversprechend und scheinen zu bestätigen (und teilweise sogar zu übertrumpfen), was die Zulassungsstudien gezeigt haben. In welchem Umfang sich die Rate an Gebärmutterhalskrebsfällen reduzieren wird, kann erst in einigen Jahren bis Jahrzehnten abgeschätzt werden. Durch die GAVI-Alliance kommt der Impfstoff nun auch in die Regionen der Erde, wo er am dringendsten gebraucht wird - in die Länder der dritten Welt, wo 85 Prozent der weltweiten Todesfälle durch Gebärmutterhalskrebs auftreten.

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