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Schnippeldisko - Düsseldorf protestiert gegen Verschwendung

Der Blumenkohl ist vielleicht nicht mehr knackfrisch, aber für ein leckeres Süppchen reicht er allemal. Foto: Kai Kitschenberg / WAZ FotoPool

Düsseldorf. Erst gemeinsam Gemüse schneiden, dann feiern: 400 Leute folgten am Donnerstag der Einladung der Slow-Food-Jugend zu Düsseldorfs erster Schnippeldisko. 250 Kilo Gemüse hatten die Organisatoren angekarrt, um daraus eine Suppe zu zaubern. Dabei waren die Lebensmittel eigentlich für die Tonne gedacht.

Eine Party braucht für gewöhnlich nur wenige Zutaten: entspannte Leute, Musik, Getränke. Für außergewöhnlich braucht es hingegen schon etwas mehr. Eine besondere Location zum Beispiel. Sagen wir: eine alte Schraubenfabrik. Und natürlich, wer wüsste es nicht: 250 Kilo Gemüse. Jetzt nur noch alles gut vermengen und heraus kommt: Düsseldorfs erste Schnippeldisko im Boui Boui Bilk.

Dass die Veranstaltung an der Suitbertusstraße keine normale Feier ist, merkt man schon am Einlass. Der obligatorische Partystempel kommt per Kartoffeldruck auf die Hand; statt „Bring your own beer" heißt es „Bring your own Brettchen" - am besten samt Messer und Sparschäler. Denn ohne Schnippeln keine Suppe. Und das ist schließlich der Sinn dieser Disko: Lebensmittel verwerten, die eigentlich für den Müll gedacht waren.

Die Verbraucher sind wählerisch

„Alles, was wir hier heute verkochen, wären die Bauern auf dem Großmarkt nicht losgeworden", sagt Anne Stieger von der Düsseldorfer Slow Food Youth, dem Veranstalter des Events. Und sie erklärt auch, warum: Die Äpfel - zu klein. Die Kartoffeln - herzförmig. Die Möhren - zu dünn, zu dick, zu dreibeinig. Das will angeblich kein Verbraucher haben. Ein Drittel aller Lebensmittel werde unter anderem deshalb für die Tonne produziert, so das Ergebnis einer Studie der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft. „Auf diese Ausmaße wollen wir mit der Schnippeldisko aufmerksam machen", sagt Stieger.

Offenbar mit Erfolg: Rund 400 Gäste sind der Einladung in die ehemalige Industriehalle gefolgt, die meisten von ihnen sind selbst noch junges Gemüse. 21-jährige Psychologiestudenten, 28-jährige Eventmanagerinnen und 31-jährige Ingenieure mit Herz für herzförmige Kartoffeln - so wie Aike Ulrich. Warum er gerne in Gesellschaft schnippelt? „Weil es 'ne gute Sache ist. Und es tut gut, nach 'nem anstrengenden Bürojob was mit den Händen zu machen."

Drei Köche für 400 Esser

Gelegenheit dazu bekommt Aike jedenfalls genug. Immer wieder sorgen die Helfer für Nachschub, tragen kistenweise Bohnen, Spargel, Blumenkohl an die Schnippelplätze. „Alles von Bauern aus der Region gespendet", wie Anne Stieger versichert. Sie ist rundum zufrieden mit der Premiere: „Wir sind total glücklich. Es läuft hervorragend."

Während die Gäste ihres Amtes walten und fleißig Gemüse zerkleinern, geraten drei andere Helfer ins Schwitzen. Svenja, Thomas und Hartmut kochen ihr eigenes Süppchen - oder besser: ein Süppchen für alle. Zwei 70-Liter-Töpfe haben die drei von der Kochstelle vor sich, bis zum Rand gefüllt mit den Arbeitsergebnissen ihrer 400 Küchenhilfen. Daneben brutzeln Croutons in vier Pfannen, natürlich selbst in Würfelform geschnitzt aus Brot vom Vortag. Noch eine letzte Prise Salz, dann heißt es: „Suppe ist fertig!"

Überraschung: Es schmeckt

Kaum einer lässt sich das zweimal sagen. Schnippeln macht schließlich hungrig - auch wenn zwischendurch schon mal ein Haps im Mund landete. Zur Qualitätskontrolle, versteht sich. Und die besteht das optisch benachteiligte Gemüse jetzt auch in gekochtem Zustand. Anerkennendes Nicken überall. Und die Erkenntnis: Schmeckt eigentlich viel zu gut für die Tonne.

Christine Holthoff

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