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Für Hagener Uhrmacher ist die Zeitumstellung Handarbeit

In der offenen Werkstatt können die Kunden Uhrmachermeister Jürgen Grund bei der Reparatur über die Schulter schauen.Foto: Christine Holthoff

Hagen-Mitte. Die Uhrmachermeister „Grund & Urbe" drehen täglich an der Uhr. In der Woche nach der Zeitumstellung werden sie das aber wohl noch öfter tun. Denn dann kämen deutlich mehr Kunden, sagt Jürgen Grund. Zeit nimmt er sich für die gerne, auch wenn er davon eigentlich gar nicht genug hat.

Ab Sonntag ticken wir alle wieder richtig. Denn dann haben wir umgestellt, von Sommer- zurück auf Winterzeit - auch „Normalzeit" genannt. Viel Arbeit macht uns das nicht, zumal viele Uhren mittlerweile automatisch von 3 auf 2 Uhr nachts umspringen. Doch wie sieht das bei jemandem aus, der täglich an der Uhr dreht, der die Zeit auch mal anhält und ohne sie gar nicht arbeiten könnte? Uhrmachermeister Jürgen Grund hat sich Zeit genommen, das zu beantworten - in einem Gespräch über die Zeit.

Der kleine Laden an der Marienstraße steht voll mit Uhren: Armbanduhren hinter Glas, eine Ein-Zeiger-Uhr an der Wand, aber auch alte Schätzchen wie die französische Stiluhr aus dem 18. Jahrhundert oder die Holzuhren mit gedrechselten Säulen, Ölbildern und eingelassenen Messingstücken. Wie viele Uhren es genau sind, kann Grund nicht sagen. „Gezählt haben wir die nicht." Aber bis zu 400 werden es wohl sein, schätzt er.

Uff, das klingt aber nach viel Arbeit am Wochenende . . .

„Nee, gar nicht. Bei uns wird ja nicht jede Uhr genau auf Zeit eingestellt", sagt Grund. „Das passiert erst, wenn die Uhr verkauft wird." Trotzdem mache die Zeitumstellung mehr Arbeit. „Nach dem Wochenende kommen immer viele Kunden, weil sich ihre Funkuhren nicht von selbst umgestellt haben."

Sie haben sozusagen rund um die Uhr mit Zeit zu tun. Aber haben Sie eigentlich genug davon?

„Überhaupt nicht", schießt es aus Grund hervor. „Da es nicht mehr viele Uhrmacher gibt, haben wir sehr viel zu tun. Da sitzt man auch schon mal am Wochenende im Geschäft."

Volle Konzentration: Als Uhrmacher braucht man viel Fingerspitzengefühl.Foto: Christine Holthoff

Wie geht man mit diesem Zeitdruck um?

„Nur Zeitdruck ist nicht gut", meldet sich jetzt Grunds Partner Burkhard Urbe zu Wort. Er friemelt gerade die winzigen Einzelteile einer Armbanduhr mit Wasserschaden zusammen. Dass das nicht zack-zack geht, ist klar. „Irgendwann geht es einfach nicht mehr schneller", sagt Urbe.

Ein bisschen muss man also die Ruhe weg haben als Uhrmacher. Und wie muss man sonst so ticken?

„Fingerfertigkeit muss man haben, klar", sagt Grund und leitet die Frage weiter an seinen Lehrling Thomas Milczarek: „Warum willst du denn Uhrmacher werden?" Aus Faszination an Technik und Mechanik, antwortet der.

Und die Kunden? Gibt es unter denen auch Technikfans?

Gibt es, sagt Grund. Viele würden Uhren sammeln und kommen mit Lieblings- oder Erinnerungsstücken - und bei denen müsse die Reparatur dann so schnell wie möglich gehen. „Die können kaum drauf verzichten." Wenn allerdings Ersatzteile fehlen, müssen sich die Kunden in Geduld üben. „Wenn wir die Uhr einschicken müssen, dauert das mehrere Wochen. Auf eine besonders ausgefallene Uhr haben wir auch schon mal ein Jahr lang gewartet."

Wünschen Sie sich manchmal, Sie könnten die Zeit tatsächlich anhalten?

„Eigentlich nicht. Jede Zeit hat doch was Interessantes." Andersherum wäre vielleicht spannender, glaubt Grund: „Wenn man in die Zukunft gucken könnte. Vergangenes kennt man ja schon."

Christine Holthoff

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