"Die Wohnung ist einfach ein Traum", sagt Angelika. Vier Zimmer, Bad mit Fenster und ein Südbalkon: Seit knapp drei Jahren wohnt sie am Münchner Stadtrand zusammen mit ihrem Partner Michael. Noch. Denn vor wenigen Tagen bekamen sie das Kündigungsschreiben der Vermieterin. Ihr Enkel wolle zusammen mit seiner Freundin zur Familiengründung einziehen. "Das war für uns natürlich ein Schock. Wir waren den Tränen nah und das in dieser Zeit", sagt Michael.
Kündigungsschutz nur bei Zahlungsschwierigkeiten aufgrund der KriseNachdem der erste Schock überwunden war, haben sich die beiden rechtlich beraten lassen. Das Ergebnis: Der Eigenbedarf ist zulässig - daran ändert auch Corona nichts. Denn der Mieterschutz, den das Bundesjustizminsiterium zuletzt eingeführt hat, gilt nur für Mieter mit Zahlungsschwierigkeiten aufgrund der Corona-Krise und nicht für andere Kündigungsgründe wie etwa den Eigenbedarf.
Angelika und Michael müssen nun versuchen, eine neue Wohnung in München zu finden. Doch das ist derzeit besonders schwierig. Bislang haben sie nur wenige passende Angebote in ihrem Preisbudget von 1.300 Euro warm gefunden. Hinzu kommt, dass statt der Besichtigungen vor Ort nun vielfach nur noch Videos von der Wohnung angeboten werden. "Wenn man längerfristig etwas sucht, kann man nicht nur nach dem Video gehen, finde ich", sagt Angelika.
Mieterverein: Online-Besichtigungen statt Besichtigungen vor OrtVolker Rastätter vom Mieterverein München hält die Online-Besichtigungen für sinnvoll und das geeignete Mittel in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen. Schließlich müsse jeder seine Kontakte soweit wie möglich reduzieren. Also hätten auch Mieter ein Recht darauf, keine Interessenten in die Wohnung lassen zu müssen.
"Unserer Ansicht nach muss der Mieter, der dort wohnt, das nicht dulden - selbst wenn es keine Massenbesichtigung ist." Volker Rastätter vom Mieterverein MünchenAllerdings seien Wohnungsbesichtigungen in der Verordnung der Ausgangsbeschränkungen nicht ausdrücklich verboten. Der Mieterverein hält das für einen Fehler: "Im Hinblick auf die Mieter war die Verordnung in Bayern nicht besonders mieterfreundlich. Man hätte dort hineinschreiben können, dass Besichtigungen zur Zeit nicht möglich sind", kritisiert Rastätter. "Ich denke aber, Mieter können es guten Gewissens auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, wenn der Vermieter darauf beharrt."
Wohnungssuchende wie Angelika und Michael müssen sich also im Zweifel mit einem Video der potentiell neuen Wohnung begnügen. Als Absicherung empfiehlt Volker Rastätter vom Mieterverein, Beweise zu sammeln: "Man sollte sich auf jeden Fall das Besichtigungsvideo herunterladen. Wenn dieses später nicht mit der Realität übereinstimmt, kann man Schadensersatz fordern."
Damit es nicht soweit kommt, rät Rastätter Wohnungssuchenden noch andere Informationen vom Vermieter zu verlangen: etwa einen exakten Grundriss. Hilfreich ebenso: ein Spaziergang in der Wohngegend. So lässt sich beispielsweise herausfinden, in welcher Nachbarschaft sich die Wohnung befindet oder von wo überall direktes Licht in die Räume einfällt.
Eigenbedarf: Härtefall Corona-Pandemie?Genau das tun derzeit auch Angelika und Michael. Sie dokumentieren ihre Wohnungssuche genau, um sich notfalls gerichtlich wehren zu können. Denn die Corona-Pandemie könnte als zusätzliche Härte bewertet werden. Denn aufgrund der Corona-Krise ist nicht nur die Wohnungssuche für die beiden schwieriger. Auch ihre finanzielle Situation hat sich verschlechtert. Beide sind in Kurzarbeit: Sie verdienen deutlich weniger und das, so Angelikas Sorge, könnte bei potenziellen Vermietern nicht gut ankommen:
"In den zukünftigen Gehaltsabrechnungen wird weniger Gehalt erscheinen. Außerdem weiß man nicht, ob wir weiter beschäftigt werden. Das ist für mich eine ganz existenzielle Angst." Mieterin AngelikaSie haben nun noch zwei Monate Zeit, um eine neue Wohnung zu finden. Klappt das nicht, können sie Widerspruch einlegen. Aber nur wenn sie sich nachweislich bemühen, können sie auch einen Aufschub erwirken, möglicherweise von knapp einem Jahr - das schätzt zumindest ihr Anwalt.
Das Gericht wird dann entscheiden, wer die Wohnung erst einmal dringlicher braucht: Der Enkel mit seiner Freundin zur Familiengründung oder Angelika und Michael, für die es schwer ist, jetzt eine neue Wohnung zu finden.