Christina Maria Bauer

Freie Musikjournalistin, München

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Feature

Mit Passion - Klaus Paier

Das Akkordeon aus St. Stefan hätte es wohl nie gegeben, hätte es sich Klaus Paier nicht ausgedacht. Dass der österreichische Jazzer und Weltmusiker ein eigenes Instrument anfertigen ließ, erscheint aber nur konsequent. Seit Jahrzehnten komponiert er Originalmusik für die Ensembles, mit denen er die Welt bereist. Was er an Akkordeon-Modellen und Spielsystemen vorfand, hat er erprobt. Nun spielt er seine Kompositionen mit der Eigenentwicklung „Passion“.


Christina M. Bauer


Ein kleiner, malerischer Ort im österreichischen Lavanttal ist St. Stefan, um die dreieinhalbtausend Menschen leben dort. Klaus Paier dürfte zweifellos einer der bekanntesten Bürger sein, bereist er doch seit Jahrzehnten als Jazzer und Weltmusiker den gesamten Globus. Genug Zeit, um etwa in Algerien aufzutreten, in Ägypten, Israel und Vietnam. Anfang seiner 20er wollte Paier nach Paris ziehen, lebte einen Monat dort. Eine Zeit lang zog es ihn in die österreichische Hauptstadt Wien. Schließlich aber blieb er in Kärnten, lebte nie weit von seinem Heimatort entfernt. Womöglich war sein Künstlerleben bald an sich international genug. Neben den Konzertreisen entstanden hefteweise notierte Kompositionen, inzwischen ohne Weiteres genug für ein eigenes Regalfach im Musikladen. Es ist alles dabei, von der Akkordeonschule für Anfänger über Übungs-Melodien bis hin zu Soli für Spezialisten. Ende der 1990er Jahre entschied der Musiker, nicht mehr viel zu unterrichten, sondern vor allem Konzerte zu spielen. Einen letzten Anschub gab ein Autounfall, nach dem er mit mehreren Brüchen im Krankenhaus lag. Bewegungen, Gehen, und Akkordeon spielen wieder zu trainieren, bei diesem mühsamen Weg motivierte die Aussicht auf Komponieren, Konzerte und CD-Einspielungen. Selbst eine Physiotherapeutin riet ihm, früh wieder zu üben. „Der Heilungsprozess ist dann viel schneller vorangegangen“, erinnert sich Paier.


Akkordeon „Passion"


Irgendwo zwischen Komponieren und Konzertreisen, Unterrichten und Studioeinspielungen tauchte diese Idee auf. Ein eigenes Akkordeon, nach eigenen Vorstellungen entwickelt, das wäre was. Mit Klaviertasten im Diskant und mit mehreren Oktaven Einzeltonerweiterung im Bass, aber ein Leichtgewicht, höchstens zehn Kilo. So wurde das beschauliche St. Stefan etwa 2017 zum Ort des Akkordeonbaus, jedenfalls desjenigen von Paier. „Ich bin zu einer Tischlerei gegangen, die haben dort noch nie ein Akkordeon gebaut. Dort gibt es einen Konstrukteur, der ist eine Ausnahmeerscheinung“, berichtet er. Tischler, Mechaniker, Fräser, wer etwas von der Arbeit mit Holz und Metall versteht, hat bei der Herstellung mitgemischt. Das Akkordeon hat keinen chromatischen Konverter, so wie andere Modelle. Statt dessen funktioniert es mit dem Quintsystem, das wegen des nicht ganz so großen Tonumfangs heute de facto nicht mehr gebaut wird. Im Bass konnte Paier damit aber die gewünschten drei Oktaven Einzeltonerweiterung einbauen lassen. Einige Komponenten holte der Österreicher aus der für den Akkordeonbau bekannten Kleinstadt Castelfidardo an der italienischen Ostküste hinzu. Die Stimmzungen und der Akkordeonbalg etwa stammen von dort. Schließlich durfte für den Diskantteil die Klaviertastatur nicht fehlen, mit der Paier immer lieber spielte als mit Knöpfen. In Stapeln von Skizzen und Plänen notierte der Akkordeonist für alle an der Fertigung Beteiligten akribisch, was wie zu fertigen und zu montieren wäre. „Ein zweites Mal mache ich das nicht“, resümiert er. Aber das Ergebnis ist nun so, wie er es sich vorgestellt hat, und bekam am Ende den blumigen Namen „Passion“. Bei der Feinabstimmung half der slowenische Akkordeonist Peter Galjot, der sich in Zukunft um die Wartung kümmern wird. Ein komplettes Einzelstück also? Nicht ganz. Sieben Exemplare soll es am Ende geben, drei sind bereits fertig.


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