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Radikale Wende

Janis Varoufakis

POP-ÖKONOM Janis Varoufakis als Athens Finanzminister

Der neue griechische Finanzminister will verhandeln. Das ist zunächst mal eine gute Nachricht. Dem parteilosen "Grexit"-Gegner Janis Varoufakis obliegt es, Syrizas Forderung nach einem 50-prozentigen Schuldenschnitts zur Eurogruppe zu tragen.

Der charismatische Politikneuling gab schon vor seiner Vereidigung dem britischen Sender BBC augenzwinkernd zu bedenken, man gehe ja stets mit möglichst hohen Forderungen in Verhandlungen. Grundsätzlich ist ein "Haircut" kaum zu vermeiden. Einen "Teufelskreis" nennt Varoufakis die Abfolge von Schuldendienst, Sparkurs, infolgedessen schrumpfender Wirtschaft und noch drückenderer Schuldenlast - schon seit Beginn der Krise.

Die schlechte Nachricht: Der Mann ist eigentlich Maximalist. Nicht nur, dass er drastische Vokabeln liebt, wie die vom fiskalischen "Waterboarding", dem die Troika Griechenland unterzogen habe. Nein, der in Essex ausgebildete Ökonom mit Lehrstuhl in Texas strebt - wie seinem zentralen Buch "Der globale Minotaurus - Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft" (2012) und zahlreichen Interviews mit Medien in aller Welt zu entnehmen - nichts Geringeres als einen Reißschwenk in der europäischen Wirtschaftspolitik an.

Anstatt beim Thema Wachstum bloß auf private Investoren zu setzen und, wie es mit überschaubarem Ergebnis derzeit geschieht, wieder und wieder Geld in Richtung Bankensektor zu leiten, fordert Varoufakis in seinem Buch einen entschiedenen Einsatz der europäischen Institutionen.

Green New Deal

Franklin D. Roosevelts "New Deal" vor Augen, favorisiert er eine Lösung via Europäische Investitionsbank. Von dort aus solle Geld, aufgebracht durch die Ausgabe von Eurobonds, in ökologisch ausgerichtete Wirtschaftszweige fließen. Profitieren sollen davon vor allem die Defizitländer. Jüngst hat er sich dem Programm des "Green New Deal" verschrieben. Schlecht muss man diese Nachricht deshalb nennen, weil wenig darauf hindeutet, dass Varoufakis mit dieser radikalen keynesianischen Wende in Europa auf viele Verbündete stößt. Der 53-Jährige ist eloquent und mit seiner verschmitzten Art sicher ein belebender Verhandlungspartner. Auch sind plumpe antideutsche Ressentiments, wie immer wieder bei Syriza zu vernehmen, seine Sache nicht. Doch gilt er auch als aufbrausend. Es dürfte einiges davon abhängen, ob dem in die eigenen Positionen verliebten Pop-Ökonomen die Wandlung zum geschickten Politiker gelingt. CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK

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