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Erobern Haiders Erben das Rote Wien?: Österreich erwartet den Showdown

Von Christian Bartlau, Wien

Die Rechtspopulisten der FPÖ wollen ihren Siegeszug bei Landtagswahlen in Österreich fortsetzen - ausgerechnet im Roten Wien. Das Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPÖ elektrisiert die Republik.

Die Stadt Wien hat so einiges erlebt in ihrer Geschichte: Die Belagerungen durch die Osmanen 1529 und 1683, die Anschluss-Rede Hitlers auf dem Balkon der Hofburg 1938. Auch eine Oktoberrevolution war dabei, 1848, in deren Verlauf aufgebrachte Massen den kaiserlichen Kriegsminister Graf Baillet von Latour an einer Laterne aufknüpften.

Nun steht die nächste Oktoberrevolution an, zumindest wenn es nach den Rechtspopulisten von der FPÖ geht: Am Sonntag wird in Wien gewählt - und es sieht so aus, als könnten die Blauen tatsächlich das Rote Wien erobern. "Diese Wahl hat eine große symbolische Bedeutung", sagt Peter Filzmaier, Österreichs bekanntester Politologe, im Gespräch mit n-tv.de.

In jeder Wahl seit 1945 gewann die SPÖ die Mehrheit der Stimmen, oft war es die absolute, stets stellte sie den Bürgermeister. Doch nun liegt die FPÖ je nach Umfrage gleichauf mit oder nur knapp hinter den Sozialdemokraten. Das "Duell um Wien" ist entbrannt, die Zeitungen überschlagen sich mit immer neuen Umfragen, und die Parteien inszenieren die Wahl wie einen Showdown zwischen Gut und Böse.

"Wer nicht wählt, hat den Vogel im Rathaus"

In der österreichischen Hauptstadt geht es um eine echte Richtungsentscheidung, das befeuert den Wahlkampf. Die FPÖ beschwört auf ihren Plakaten die "Oktoberrevolution" und will "süße Rache" an der Regierungskoalition aus SPÖ und Grünen nehmen. Einen Slogan verwendete schon Jörg Haider Anfang der 90er-Jahre: "Wählt so, wie ihr denkt." Gemeint ist: Gegen Zuwanderung, gegen Asyl, gegen alles, was fremd ist. Auf diesem Ticket gewann die FPÖ bei den ersten drei Landtagswahlen des Jahres viele Stimmen dazu, in Oberösterreich verdoppelte sie jüngst ihr Ergebnis auf 30 Prozent.

SPÖ-Spitzenkandidat Michael Häupl bietet den Gegenentwurf: "Die FPÖ hetzt gegen Flüchtlinge, wir nehmen sie auf, wenn sie Hilfe brauchen. Wir versuchen, Ängste zu reduzieren, die FPÖ schürt sie." Häupl ist seit 21 Jahren Bürgermeister, ein Sozialdemokrat alten Schlages, ein Mann des Volkes mit Hang zum gemütlichen Gläschen. Jüngst bestellte er sich beim Interview mit dem Wochenmagazin "Falter" ungeniert ein Bier. Um 10 Uhr morgens. Seine Anhänger verzeihen es dem "Michi", weil er geradeheraus redet. Auch, wenn es um seinen FPÖ-Kontrahenten Heinz-Christian Strache geht. "Wer am 11. Oktober nicht zur Wahl geht, überlasst das Feld Strache - und hat den Vogel am 12. im Rathaus sitzen", sagt Häupl.

Seine Partei warnt in Anzeigen pathetisch: "Wien darf nicht in die falschen Hände gelangen. Riskieren wir nicht unsere Stadt." Die Strategie: Die SPÖ will sich als letztes Bollwerk gegen die Rechten positionieren und so Unentschlossene und Nicht-Wähler mobilisieren.

Die SPÖ hat mehr Optionen

Die Rechnung könnte allerdings auch zugunsten des politischen Gegners aufgehen. "Die Polarisierung kann dazu führen, dass sowohl FPÖ und SPÖ im Vergleich zu den Umfragen Stimmen dazugewinnen", meint Politologe Filzmaier. Derzeit liegen beide in den Umfragen bei rund 35 Prozent, die restlichen Parteien spielen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle.

Eine Prognose wagt Filzmaier nicht. "Bei der großen Zahl an Unentschlossenen wünsche ich jedem Glück, der eine Voraussage treffen will." Für Sonntag wird eine weit höhere Wahlbeteiligung erwartet als bei den letzten Wahlen - das Duell um Wien lockt die Wähler an die Urnen.

Dass Heinz-Christian Strache wirklich der nächste Bürgermeister Wiens wird, hält er jedoch für wenig wahrscheinlich. "Entgegen der Medienberichterstattung gibt es keine Goldmedaille für den ersten Platz. Es geht darum, dass man eine Regierung bilden kann." Das kann auch der Zweitplatzierte in Angriff nehmen, und da verfügt die SPÖ über die besseren Optionen - mit den Grünen wie bisher oder mit der ÖVP, oder gleich mit beiden. Für Strache und die FPÖ könnte wohl nur die ÖVP als Königsmacher herhalten. "Das müsste sich erst einmal rechnerisch und dann auch noch politisch ausgehen", sagt Politologe Filzmaier.

Strache als Bundeskanzler?

Klar scheint jedoch, dass die Wiener FPÖ ihr letztes Ergebnis von 25 Prozent übertreffen wird und die SPÖ die 44 Prozent nicht halten kann. Strache und die FPÖ erringen damit einen weiteren Erfolg - ob sie nun das Amt des Bürgermeisters bekommen oder nicht. Rückt Österreich am Sonntag also unter dem Eindruck der Flüchtlingsdebatte einen Schritt weiter nach rechts?

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Nein, sagt Peter Filzmaier. Die Flüchtlingskrise als alleinige Erklärung für den Höhenflug der FPÖ hält er für eine "Halbwahrheit": "Die Zahl der ideologisch motivierten Wähler ist vergleichsweise gering." Zwar stehe die FPÖ beim Thema Ausländerpolitik und bei der Sicherheit klar rechts. "Das tut sie aber schon seit Jahrzehnten." Nun habe es die Partei getreu ihrem Slogan "Die soziale Heimatpartei" aber geschafft, der SPÖ auch bei sozialen Themen Wähler abspenstig zu machen.

In Umfragen auf Bundesebene ist die FPÖ mittlerweile mit 32 Prozent klar die stärkste Partei. Darin spiegelt sich die Enttäuschung über die Große Koalition, die von SPÖ-Kanzler Werner Faymann angeführt wird. Der ist beispiellos unpopulär: Laut einer aktuellen Umfrage würden ihn in einer Direktwahl derzeit nur 12 Prozent der Befragten als Bundeskanzler haben wollen. Sieger mit 25 Prozent in dieser Kategorie: Heinz-Christian Strache.

Quelle: n-tv.de

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