Christa Roth

Freie Journalistin/ Autorin, Berlin

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Durchbruch oder Fiasko?

Noch ist nicht klar, wie sich das vorläufige Abkommen zu Irans atomaren Bestrebungen auswirken wird. (Bild: Wikimedia Commons)

In den Atomverhandlungen zwischen Iran und Vertretern der UN gab es Sonntagnacht einen Durchbruch. Iran ist demnach bereit, den Ausbau seines Nuklearprogramms zu stoppen und scharfe Kontrollen durch die internationale Atomenergiebehörde IAEA zuzulassen. Damit sollen den Worten des neuen iranischen Präsidenten Rohani, Iran strebe nicht nach der Atombombe, auch Taten folgen. Im Gegenzug haben vor allem die Unterhändler der USA und der EU zugesichert, die Wirtschaftssanktionen gegenüber Iran zu lockern, wenngleich das Sanktionsprinzip bestehen bleiben solle. Während die Verhandlungsführer das Abkommen als Erfolg präsentieren, kritisierte Israels Ministerpräsident Netanjahu es als "historischen Fehler". Wird der Nahe Osten nun sicherer?

Ein großer Erfolg sei dieses erste Abkommen nach zehn Jahren Eskalation, meint Andreas Zumach auf taz.de. „Teheran hat in den Verhandlungen mit einer vorläufigen Ausnahme alle Forderungen erfüllt." Es könne in den nächsten sechs Monaten nichts mehr vorantreiben, was atomwaffentauglich wäre. Wer von historischem Fehler wie Netanjahu spreche, der denunziere. Dieser hoffe nur auf ein Scheitern, um vom israelisch-palästinensischen Konflikt abzulenken. Letztlich befänden sich Israel, Saudi-Arabien und die konservativen iranischen Mullahs mit ihrem Hoffen auf ein Scheitern in einer „unheiligen Allianz."

„Das Abkommen mit dem Iran ist kein historischer Durchbruch für den Weltfrieden", schreibt hingegen Nadav Eyal von der linken israelischen Tageszeitung Maariv. Stattdessen solle man von einer einstweiligen Verfügung sprechen. Der Effekt der Aufhebung der Sanktionen sei - im Verhältnis zu der miserablen Wirtschaft und Größe des Landes - winzig. Außerdem würden die IAEA-Inspekteure eine beispiellose Überwachung ermöglichen. Allerdings werde keine Zentrifuge demontiert und die Saudis könnten selbst aufrüsten. Auch wenn der Deal dadurch letztlich bedenklich sei, bleibe die Hoffnung, dass die Vereinbarung dem Iran einen Weg aus der Isolation weise und extremistische Elemente schwäche.

Ob Erfolg oder nicht, analysiert Marwan Bishara von arabischen Fernsehsender Al Jazeera, „der Deal wird regionale und internationale Auswirkungen haben und zwar sofort." Iran befinde sich mitten im Zentrum der regionalen Machtverschiebungen. Das Versagen der USA in Afghanistan, im Irak und auch in Syrien habe Teheran ohnehin schon erstarken lassen. Das Wegfallen der Sanktionen setze den dies nun fort. Und Israel werde dennoch zumindest in absehbarer Zukunft die einzige Nuklearmach im Nahen Osten bleiben.

Eine iranische Bombe verhindert diese Übereinkunft noch nicht, fürchtet auch Amos Harel von der linksliberalen israelischen Tageszeitung Haaretz. Iran werde damit höchstens in Schach gehalten. Sein Recht, weiterhin Uran anzureichern, sei keineswegs geklärt. Es sei zweifelhaft, dass aus der zeitlich begrenzten Verpflichtung ein verbindlicher Vertrag hervorgehe oder gar eine dauerhafte Lösung zustande käme. Ein militärischer Alleingang Israels käme derzeit nicht in Frage. „Solange eine derart weitreichende Unterstützung für das Interimsabkommen vorherrscht, wäre es politischer Selbstmord, Irans Atomanlagen zu bombardieren."

„Der Hauptgewinner dieses Abkommens ist offenkundig das iranische Volk", befindet Jamsheed Faroughi von der Deutschen Welle. Denn die zwar hilfreichen und intelligenten Sanktionen hätten weit mehr Schaden angerichtet, als geplant. Auch das iranische Regime profitiere, denn gegenüber der Bevölkerung könne die Einigung als Erfolg verkauft werden. Auch die USA und viele Länder des Westens hätten gewonnen, weil nun ein Konfliktherd weniger drohe. Und selbst Israel könne froh sein, denn ein Krieg wäre fatal gewesen.

Wächst der Druck auf Obama?

Ob diese Übergangsvereinbarung wirklich der große Durchbruch sei, müsse in den kommenden Monaten erst bewiesen werden, findet Klaus-Dieter Frankenberger von FAZ.net. Denn es gebe viel Interpretationsspielraum, der wiederum zu Streit führen könne. Gerade, was das "Recht" auf Urananreicherung angehe. Die Motivation zur Kooperation mit den UN seitens Iran gehe eindeutig aus den wirkungsvollen Sanktionen hervor. Für Obama werde sich der Druck nun erhöhen, denn: "Er muss die Skeptiker in Israel, in Saudi­Arabien und in anderen Golfstaaten davon zu überzeugen versuchen, dass die Vereinbarung mit Iran nicht zu ihrem Schaden ist." Man könne keinesfalls sagen, dass der Atomkonflikt nun vorbei sei.

„The toughest challenge for Mr. Obama may be bridging the gap between the United States' interests and those of Israel and Iran's Sunni Muslim neighbors", schreibt David E. Sanger von der New York Times, kommt aber dennoch zu dem Schluss, dass die Übergangsvereinbarung ein Riesenerfolg für Obama ist. Denn sie friere das iranische Atomprogramm ein und fahre es zurück zu dem Status, den es bei Obamas Amtsantritt gehabt habe. Sein Ziel sei immer gewesen, Teheran daran zu hindern, die Bombe zu haben und nicht das Wissen um deren Technik zu zerstören. Dafür sei es ohnehin zu spät.

„Die Genfer Einigung ist bisher nur ein Test auf Teherans Ernsthaftigkeit", schlussfolgert Torsten Krauel auf Welt Online. Obama und die USA würden sich Teheran schlicht aus kühlen Machtoptionen heraus annähern. Ähnlich wie Nixon einst Südvietnam wegen Vereinbarungen mit Mao-China opferte, würde man nun Partner wie Saudi-Arabien und Israel herausfordern. Obama dürfe sich aber nicht nur von diesen Überlegungen leiten lassen, sondern müsse sicherstellen, dass wirklich alle Zentrifugen-Anlagen offengelegt würden. Es heiße nun: Argwöhnisch bleiben! Für blinden Optimismus besteht keinerlei Anlass. Die vorläufige Übereinkunft als eine letzte Warnung an Teheran zu betrachten kommt der Realität wesentlich näher.

Mit Recherchen und Übersetzungen von Christa Roth (Tel Aviv)

Bild: Wikimedia Commons

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