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Bahnstreik 2018: „Geld ist für die EVG nicht mehr alles!"

Streikende der EVG: „Die Menschen sollten sich solidarisch zeigen.“ (Foto: Imago)

Im Bahnstreik 2018 streiten die Gewerkschaft EVG und die Deutsche Bahn um mehr als nur höhere Löhne. Im Interview verrät der Bundesjugendleiter, was die wahren Hintergründe sind.


Seit vier Stunden hängt Alicia nun schon in Minden fest. Die Regionalbahn, die sie weiter in Richtung Bonn bringen soll, fährt einfach nicht. ICEs und ICs stehen schon lange still, alle anderen Züge kommen verspätet oder gar nicht. Zu ihrer Vorlesung wird Alicia es an diesem Montag nicht mehr pünktlich schaffen. Und so wie ihr geht es Menschen in ganz Deutschland.


Bahnstreik 2018: „Geld ist für die EVG nicht mehr alles!“

Der Grund für das Bahnchaos: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat zum Warnstreik aufgerufen. Sie vertritt nach eigenen Angaben alle Beschäftigten, die in der Verkehrsbranche arbeiten, darunter Zugbegleiter, Service-Mitarbeiter und Reinigungskräfte.


Hussein Khamis ist Bundesjugendleiter bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Der 25-Jährige hat somit das höchste politische Mandat der EVG-Jugend inne und vertritt die Forderungen der jungen Generation. Er findet heraus, was die Jugend will und verschafft sich dann bei den Erwachsenen Gehör, wie Hussein sagt.


Bahnstreik wie lange

Hussein Khamis: „Das Gesamtpaket hat nicht gestimmt.“ (Foto: privat)



Angefangen hat Hussein bei der Bahn als Betreuer in der ersten Klasse. Heutzutage kümmert er sich auch beruflich um die neue Generation in den Reihen der Bahn. Als Jugendkoordinator für die Region Nord-Ost betreut er die Jugendausbildungsvertreter, die sozusagen den Betriebsrat für junge Mitarbeiter bilden. Zeit für ein Gespräch.


Hussein, der Fernverkehr stand still, Chaos auf den Bahnschienen, überfüllte Autobahnen. Die EVG hat vielen Menschen den Start in die Woche ziemlich vermiest. Musste das sein?
Ja. Klar, ein Stück weit verstehe ich den Unmut der Fahrgäste, aber man darf auch nicht vergessen, dass unser Recht auf Streik im Grundgesetz verankert ist und dass es meist das einzige Mittel für uns ist, auf die Deutsche Bahn Druck auszuüben. Die Menschen sollten sich solidarisch zeigen mit den Streikenden, die mehr Wertschätzung für ihre Arbeit einfordern.


Das tut eure Konkurrenzgewerkschaft, die GDL, auch. Aber sie wartet mit ihren Streiks bis nach den Feiertagen. Warum müsst ihr ausgerechnet kurz vor Weihnachten den Bahnverkehr lahmlegen?
Was die GDL macht, kommentiere ich nicht. Ich spreche für die EVG und für die Beschäftigten, die wir vertreten. Wir haben vier Verhandlungsrunden angesetzt und sind auch nach der letzten Runde nicht zu einer Lösung mit der Bahn gekommen. Deshalb haben wir jetzt einen Warnstreik angesetzt. Wären die Verhandlungen im März gewesen, hätten wir eben im März gestreikt. Mit Weihnachten hat das nichts zu tun – es sind außerdem ja auch noch über zwei Wochen bis dahin.


GDL-Vorsitzender Claus Weselsky hat gewitzelt, die EVG wolle „auch mal zeigen, dass sie streiken kann“.
Äußerungen anderer Gewerkschaften möchte ich nicht kommentieren.


Die EVG fordert 7,5 Prozent, die Bahn hat ein „7-Prozent-Paket“ vorgeschlagen. Das ganze Chaos wegen eines halben Prozents?
Es geht um das Gesamtpaket und das hat nicht gestimmt. Die Prozente waren zu niedrig, die Laufzeiten zu lang. Deshalb hat unsere Tarifkommission das letze Angebot einstimmig abgelehnt.

 

Fakt ist: Die Bahn hat für das kommende Jahr eine Lohnerhöhung von 2,5 angeboten. Weitere Erhöhungen sollen in den kommenden Jahren folgen. Eure Gewerkschaft hat abgelehnt. Wieso?
Wenn man es genau betrachtet, dann sind 2,5 Prozent kaum mehr als der Inflationsausgleich. Ein wirkliches Plus kommt bei den Beschäftigten also nicht an.


Bei dem Wahlmodell, das die EVG fordert, können die Arbeitnehmer entscheiden, ob sie mehr Geld bekommen, weniger arbeiten oder mehr Urlaub kriegen. Warum ist dieses Modell in den Verhandlungen ein so wichtiger Punkt?
In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt: Geld an sich ist nicht mehr alles. Viele wünschen sich mehr Freizeit oder eben mehr Urlaubstage. Da ist jeder anders. Ich persönlich könnte mit einer Stunde mehr Freizeit die Woche nicht wirklich was anfangen, andere aber finden das super. Vor zwei Jahren wurde das Modell zum ersten Mal eingeführt, die Rückmeldungen von den Beschäftigten waren sehr positiv.


Wofür hast du dich damals entschieden?
Für das Plus an Urlaubstagen. Seitdem habe ich im Jahr zusätzlich sechs Tage Urlaub und komme damit auf 35 Tage Urlaub im Jahr. Das war für mich eine Prinzipienentscheidung, um nach außen zu zeigen, was für eine tolle Sache das ist.


Wenn sich Bahn und EVG in den kommenden Tagen wieder nicht einigen, müssen wir uns dann auf neue Streiks einstellen?
Wir warten jetzt erst einmal ab, was in den nächsten Tagen passiert.


Danke für das Gespräch, Hussein!

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