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2700 Euro brutto für den Bootsbauer

Lukas, 29, hofft wie einige seiner Kollegen, dass ihn das Handwerk mehr erfüllt als ein Bürojob.


Der Job

Die meisten Menschen denken, dass ich als Bootsbauer ein abenteuerliches Leben habe, ständig auf den Weltmeeren unterwegs bin und sozusagen auf einem Schiff lebe, welches ich selbst gebaut habe. Tatsächlich führe ich ein ziemlich bodenständiges Leben südlich von München, in einem kleinen Ort am Starnberger See. Ich habe ein sehr freundschaftliches Verhältnis mit meinem Chef und kann in seinem Haus eine günstige Wohnung mieten. Zwei andere Mitarbeiter leben auch hier, also haben wir alle keinen langen Arbeitsweg und verbringen oft unseren Feierabend zusammen.


Jeden morgen um acht Uhr gehe ich runter, stemple ein und mache entweder da weiter, wo ich am Vortag aufgehört habe oder frage meinen Chef, was ich machen kann. Im Herbst und Frühling arbeiten meine Kollegen und ich draußen beim Hafen, ansonsten sind wir in der Werkstatt. Großteils machen wir dann Reparaturarbeiten. Momentan lege ich zum Beispiel für einen Kunden ein neues Deck bei seinem Segelboot, weil das alte schon ziemlich abgenutzt ist. Zuerst entfernen wir die alten Holzleisten und legen anschließend das neue Deck, das aus einzelnen Deckstäben besteht. Zu zweit dauert das ungefähr vier Wochen. Der Job ist ziemlich anstrengend, man macht oft monotone Arbeiten sehr lange und es ist rein körperlich, ich mache keine Bürotätigkeiten. Die meisten Bootsbauer-Betriebe bieten keinen Neubau an, da die wenigsten Leute Geld dafür haben. In meiner Firma machen wir das aber auch und da gehen die Preise bei 150 000 Euro los.


Die Kunden

Wir haben eigentlich nur Stammkunden, deren Boote oft bei uns sind und die auch einen Winterstellplatz bei uns haben. Die meisten davon sind kleine Segelboote. Es wird nicht immer was an den Booten gemacht – die Kunden geben Aufträge, wenn zum Beispiel Reparaturen anstehen. Von stinkreich bis normal ist da alles dabei. Wir haben auch Normalverdiener, die einfach gerne segeln. Die haben dann aber meistens Boote aus Kunststoff, da die aus Holz einfach viel pflegeintensiver und somit teurer sind. 

Manchmal gibt es auch super luxuriöse Aufträge. In einer Werft, mit der wir viel zusammenarbeiten, mussten die Mitarbeiter letztens das komplette Deck vom Rumpf einer Yacht trennen, da sich das ein Kunde in sein Schwimmbad an die Wand hängen wollte.


Die Motivation

Bei Reparaturen spornt mich vor allem das Vorher-Nachher-Ergebnis an. Ich mache Dinge gerne schön und will dem Kunden zeigen, dass das Boot nach der Arbeit wieder wie neu aussehen kann. Vor kurzem hatte ein Kunde bei einer Regatta einen Zusammenstoß und dann ein großes Loch in der Außenhaut seiner Yacht. Den Schaden habe ich mit neuem Holz so repariert, dass fast nichts zu sehen war. 


Die Kollegen

Die Atmosphäre in der Werkstatt ist ziemlich angenehm, da viele junge Leute hier arbeiten. Ich denke, das hat auch mit der Belastung durch die körperliche Arbeit zu tun, da sucht man sich im Alter eher einen ruhigeren Job. Wir sind hier nur Männer, mit einer Frau habe ich noch nie zusammengearbeitet. Ich finde das eigentlich schade, da es dann vielleicht ein bisschen ausgeglichener wäre.

In meinem Betrieb gibt es einige Leute, die erst studiert haben und dann später die Ausbildung zum Bootsbauer begonnen haben. Gerade haben wir einen neuen Lehrling, der ist 33, hat Jura studiert und hofft, dass ihn das Handwerk mehr erfüllt als ein Bürojob. Ein Quereinstieg ist eigentlich nur möglich, wenn man vorher schon etwas Handwerkliches gemacht hat, zum Beispiel eine Ausbildung zum Zimmerer oder Dachdecker. 


Der Weg

Ich wollte nach meinem Abitur eigentlich Kommunikationsdesign studieren, habe aber keinen Studienplatz bekommen. Da mein Onkel seit langer Zeit segelt, habe ich durch ihn von der Bootsbauerei erfahren. Davor hatte ich selbst nichts mit Booten zu tun, hatte aber Lust, etwas Handwerkliches zu machen. Mittlerweile segle ich selbst am Wochenende mit meinem Chef, aber das ist ein sehr zeitintensives Hobby, das ich nicht so oft mache. Die Ausbildung zum Bootsbauer dauert dreieinhalb Jahre und ist dual, man arbeitet also in einem Betrieb und geht auf eine der wenigen Berufsschulen, die es speziell dafür gibt, bei mir war die in Travemünde an der Ostsee.

Während der Ausbildung kann man sich spezialisieren, je nachdem ob man sich eher mit dem Material oder lieber mit Motoren beschäftigen will. Danach muss man nicht unbedingt in einem Bootsbauer-Betrieb bleiben, man hat auch sehr gute Chancen, in einem anderen Handwerk zu arbeiten. Ein ehemaliger Kollege von mir ist beispielsweise für die Wartung von Motoren für Formel-1-Rennwagen zuständig.

Man könnte auch den Meister machen, das bringt mehr Gehalt und Verantwortung und auch die Möglichkeit, seinen eigenen Betrieb aufzumachen. Ich bin aber nicht der Typ, der sich selbstständig machen möchte.

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