Orsola de Castro lebt in ihrem Kleiderschrank. Wortwörtlich. Kleidung nimmt bei ihr alles ein: Sofas. Stühle. Den Fußboden. De Castro: „Man muss nicht pingelig oder präzise sein, um die Kleidung zu lieben, die man hat. Man braucht eine Methode, die für einen selbst funktioniert. Meine ist extremes Chaos.“ Aber nicht die Art von Chaos, wo man den Überblick verliert, sagt de Castro. Kleidung scheint für de Castro wie eine zweite und dritte Haut zu sein. Und der Stoff für revolutionäre Gedanken. Denn Orsola de Castro ist wie ihr Namensvetter Fidel Castro eine Revolutionärin. Gemeinsam mit anderen Aktivist:innen hat sie vor einigen Jahren eine Revolution ausgerufen. Eine Moderevolution. Es gibt nicht viele Revolutionär:innen, die man einfach so anrufen kann. Orsolas Stimme klingt am Telefon laut, kratzig und hart. Eines ist überraschend an der Revolutionärin, die mit ihrer Arbeit eine der mächtigsten Branchen herausfordert, eine, die täglich für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden sorgt. De Castro lacht viel. Wer ist diese Orsola de Castro? Was hat sie zur Revolutionärin gemacht? Und wie kann es sein, dass sie nach allem die Lust an der Mode nicht verloren hat? Die Sache mit der Rolle der Revolutionärin ist bei de Castro ganz einfach: Sie war es nie nicht. De Castro ist Designerin, aber hat in ihrem Leben noch nie etwas von Grund auf neu entworfen. Sie nennt sich selber Modetransformatorin. Es ging von Anfang an darum, der üblichen verschwenderischen Idee des Produzieren–Tragen–Wegschmeißen mit einem radikalen Gegenentwurf zu begegnen: Wegschmeißen war für de Castro nie eine Option. Sie verwendete ausschließlich gebrauchte Kleidung und Stoffe für ihre neuen Designs. Was andere also als wertlos erklärten, machte de Castro zu etwas Wertvollem und aus ihrer Überzeugung gleich ein Business: 1997 gründete sie das Label From Somewhere, für deren Designs sie getreu ihrer Handschrift nur Stoffe und Kleidung verwendete, die schon da waren.
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