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Bundeswehr in Mali: Gehen oder bleiben?

Es ist der größte und gefährlichste Einsatz der Bundeswehr - und er ist umstritten. Was genau machen die deutschen Soldat*innen in Mali? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen?

Der Bundestag entscheidet heute über Militäreinsätze in Westafrika. Quelle: Kay Nietfeld/dpa

Gao, im Norden Malis. Rund 900 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind hier im Einsatz - es ist der größte und gefährlichste der Bundeswehr im Ausland. Als Teil der UN-Mission Minusma sind sie hier. Ob ihr Einsatz weitergeht, darüber entscheidet am 20. Mai der Bundestag. Die UN-Mission soll und will die Region stabilisieren, kein leichtes Unterfangen.

Die Bundeswehr beteiligt sich vor allem mit militärischer Aufklärung - mit Drohnen und Spähtrupps sammelt sie Informationen, um der UN ein möglichst gutes Lagebild zu liefern. Auf Grundlage dessen koordiniert die UN dann ihre weiteren Interventionen zum Schutz der Bevölkerung und zur Sicherung der Arbeit von Hilfsorganisationen.

Verteidigungsministerin Lambrecht hat sich für eine Verlängerung des UN-Einsatzes in Mali ausgesprochen. Man dürfe den Sahel nicht sich selbst überlassen, so die SPD-Politikerin.

Ein Abzug der deutschen Soldaten hätte Folgen

Zusätzlich zur militärischen Aufklärung stellen die Deutschen die Luftrettung mit Hubschraubern für verletzte UN-Soldat*innen.

Mali hat 20 Millionen Einwohner, ist viermal so groß wie Deutschland - je weiter weg von der Hauptstadt Bamako, desto weniger Kontrolle hat die Regierung, vor allem im Norden des Landes. Die Menschen dort trotzen nicht nur der Wüste, sondern auch den Terrorgruppen. Wegen ihnen sind erst die Franzosen, dann auch die Deutschen und der Rest der UN-Truppen 2012/2013 ins Land gekommen.

Was ist die Blauhelm-Mission Minusma?

Der Sahel-Staat Mali wird seit Jahren von Krisen und Konflikten erschüttert. Nach einem Militärputsch im Jahr 2012 hatten mehrere bewaffnete Gruppen, darunter Islamisten, Teile des Nordens übernommen. Um das Land zu stabilisieren und zum Schutz der Zivilbevölkerung rief der UN-Sicherheitsrat 2013 die Blauhelm-Mission Minusma ins Leben. Insgesamt sind mehr als 13.000 Soldaten aus Dutzenden Ländern für Minusma im Einsatz. Trotz der internationalen Militärpräsenz verüben islamistische Gruppen immer wieder Anschläge auf die Zivilbevölkerung und staatliche Einrichtungen. Dennoch warnen Fachleute, dass die Sicherheitslage ohne die Blauhelme noch schlechter wäre. Mit 260 Toten ist Minusma der derzeit gefährlichste UN-Einsatz. Vor allem vergleichsweise schlecht ausgerüstete Soldaten aus afrikanischen Ländern werden bei Patrouillen immer wieder angegriffen.

Welche Rolle spielt die Bundeswehr?

Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2013 an dem UN-Einsatz und stockte die Truppenstärke über die Jahre auf. Derzeit sind rund 1.000 deutsche Soldaten für Minusma in Mali stationiert, maximal 1.100 sind erlaubt. Die künftige Obergrenze soll laut dem neuen Mandatsentwurf bei 1.400 Soldaten liegen. Damit würde Deutschland auch weiterhin zu den größten Truppenstellern des Blauhelmeinsatzes zählen. Nach dem Abzug der französischen Anti-Terror-Mission Barkhane könnte der Einsatz für Minusma und damit auch für die Bundeswehr noch gefährlicher werden. Der Mandatsentwurf sieht daher vor, dass die deutsche Beteiligung beendet werden kann, wenn die Sicherheit der Truppe nicht mehr gewährleistet ist. Das würde allerdings die gesamte UN-Mission empfindlich schwächen, auch weil dann Ersatz für die von Deutschland geleistete Luftaufklärung gefunden werden müsste.

Was ist die europäische Ausbildungsmission EUTM?

Ebenfalls im Jahr 2013 beschloss die EU eine Ausbildungsmission für die malische Armee. Laut Mandatsentwurf wird sich die Bundeswehr nicht weiter an dem Training beteiligen, das zurzeit auch auf EU-Ebene ausgesetzt ist, unter anderem weil sich das Militär in den vergangenen eineinhalb Jahren zweimal an die Macht geputscht hat. Hinzu kommen Berichte über die Präsenz russischer Söldner im Land und über Gräueltaten, die mutmaßlich von der malischen Armee verübt worden sind. Allerdings soll die bereits laufende Ausbildung von Spezialkräften im Nachbarland Niger durch etwa 230 Bundeswehrsoldaten im Rahmen des EU-Einsatzes fortgeführt werden. Damit soll der Kampf gegen den grenzüberschreitenden Terrorismus in der gesamten Sahel-Zone unterstützt werden. Maximal 300 Soldaten sollen daran teilnehmen. Bisher lag die Obergrenze für EUTM bei 600 Soldaten. Auch Frankreich will seine Militärmission im Sahel künftig verstärkt vom Niger aus führen.

Hunderte Tote durch Angriffe von Terrorgruppen

Mali hatte damals um Hilfe gebeten, weil ein Aufstand der Volksgruppe der Touareg, die den Norden des Landes zu einem eigenständigen Staat "Azawad" machen wollte, von Al-Qaida nahen Terrorgruppen vereinnahmt wurde. Diese marschierten Richtung Bamako, wollten ganz Mali unter ihre Kontrolle bringen. Das haben sie nicht geschafft.

Doch im Norden des Landes sind sie weiterhin aktiv. Dazu versuchen seit ein paar Jahren Truppen des " Islamischen Staats" in der größeren Sahara von Süden in Mali Land zu gewinnen: Entweder Dorfbewohner schließen sich ihnen an, schaffen es zu fliehen, oder werden ausgelöscht. Hunderte Menschen sterben jedes Jahr in Mali durch Angriffe von Terrorgruppen.

Was bedeutet der Abzug der Franzosen für die Bundeswehr?

Die Franzosen hatten bis vor kurzem im Rahmen ihrer Opération Barkhane in Mali den Auftrag, eben diese Terrorgruppen gezielt zu bekämpfen. Doch aktuell steht die Stimmung in Mali gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich. Macron verkündete Anfang des Jahres, den Einsatz in Mali zu beenden.

Es bleibt die UN-Mission, die sich im Zweifelsfall zwar verteidigen darf, aber nicht aktiv gegen Terroristen vorgehen kann. Mit dem Abzug der Franzosen wird auch für die Deutschen die Lage gefährlicher. Für bestimmte Aufgaben der Franzosen müssen neue Lösungen gefunden werden. Zum Beispiel für den Betrieb des Flughafens in Gao.

Außenministerin Baerbock hat sich für eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Mail eingesetzt.

Militäreinsatz als Stütze für Entwicklungsarbeit

Was macht die Bundeswehr also in Mali? Sie erfüllt in jeder Hinsicht ihren Auftrag, den sie vom Bundestag bekommen hat. Ob das reicht, um in Mali etwas zu verändern? Der Leiter des deutschen Einsatzkontingents in Gao, Oberst Peter Küpper, meint:

Militär ist hier keine Lösung. Wir können der zivilen, der politischen Seite, der Entwicklungshilfe nur Zeit und Raum verschaffen. Es bräuchte gute Regierungsführung, Entwicklungshilfe und auch weiter eine Anti-Terror-Operation. Wir müssten auch die malischen Streitkräfte ausbilden. Was es aber schwierig macht, wenn sie mit russischen Kräften zusammenarbeiten und wir davon ausgehen müssen, dass es da zu Kriegsverbrechen kommt.

Oberst Peter Küpper, Kommandeur Deutsches Einsatzkontingent Minusma

Russische Söldner erschweren die Situation in Mali

Human Rights Watch berichtet nach Interviews mit Augenzeugen, dass malische Soldaten gemeinsam mit russischen Soldaten letzten Monat ein Massaker verübt haben. Aufgrund dieser Berichte wurde die EUTM Ausbildungsmission, an der die Bundeswehr in Mali auch beteiligt ist, vorerst ausgesetzt.

Unter den russischen Soldaten sollen Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe sein, die auch beim Angriffskrieg auf die Ukraine eine entscheidende Rolle spielte.

Oberst Küpper: Mali "relevanter, als Afghanistan jemals war"

Die Bevölkerung steht eigentlich hinter der Militärregierung, die nach einem zweiten Putsch in zwei Jahren nun an der Macht ist. Doch so langsam sind die Menschen genervt bis wütend über die Sanktionen, die Mali von den Nachbarländern auferlegt wurden, weil die Militärregierung Wahlen immer weiter aufschiebt. Viele Nachbarländer in der Sahelzone haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

Mali ist für uns relevanter, als Afghanistan jemals war. Es ist einfach deutlich näher. Es ist nicht wirklich besser geworden, da würden wir uns was vormachen. Aber solange wir hier sind und ein gewisses Maß an Stabilität erzeugen können, wird der Terror hier nicht die Oberhand gewinnen.

Oberst Peter Küpper, Kommandeur Deutsches Einsatzkontingent Minusma

Die Lage sei nicht besser geworden, seit der Bundeswehr-Mission, meint Küpper: "Nicht wirklich, da würden wir uns was vormachen. Aber solange wir hier sind und ein gewisses Maß an Stabilität erzeugen können, wir der Terror hier nicht die Oberhand gewinnen."

Und deshalb, so Oberst Peter Küpper, bleibt ein Engagement trotz der wachsenden Herausforderungen in der Region wichtig.

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