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Es ist immer noch ein Fahrrad, aber wenn man es sieht, muss man an die Fernsehserie "Knight Rider" denken. In der ging es um ein Auto, das seinem Fahrer half, die Welt zu retten, weil es voller künstlicher Intelligenz steckte.
Das Fahrrad hat breite Reifen, einen sportlich geschwungenen Lenker, vor allem aber einen schwarzen Rahmen, der mit dem Fahrer kommuniziert. Das Fahrrad ist ein Prototyp, entwickelt vom Mountainbike-Hersteller Canyon und der Deutschen Telekom. Die Serie soll später "Connected Bikes" heißen.
Was bei Autos längst üblich sei, könne man nun auch bei Fahrrädern umsetzen, sagt Thomas Eckert, Leiter für Industrielösungen bei der Telekom: "Die Vernetzung mit der Umgebung und dem Besitzer." Drei Aspekte waren bei der Entwicklung des Prototyps besonders wichtig. Der Service für den Besitzer, stets über den Zustand des Rads informiert zu sein, ein besserer Schutz gegen Diebstahl und eine Notruf-Funktion.
Per eCall zum automatischen NotrufIm Rahmen des Prototyps steckt eine Kommunikationseinheit, so groß wie eine Streichholzschachtel, mit Sensoren, SIM-Karte und GPS-Sender. Die Einheit ist mit einer Smartphone-App verbunden, über die der Nutzer herausfinden kann, wie viele Kilometer er gefahren ist oder in welchem Zustand Bremsbeläge oder die Kette sind.
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Der GPS-Sender hilft dabei, gestohlene Räder aufzuspüren. Die Notruf-Funktion ist vergleichbar mit dem eCall im Auto. Die Sensoren registrieren Stürze. Das eCall-System kann dann einen Notruf senden, samt GPS-Daten für die Rettungskräfte.
Das Fahrrad soll schlau werden. In einigen Jahren, hofft die Telekom, könnten solche Systeme dann auch für Radfahrer interessant werden, die nur in der Stadt unterwegs sind. "Unsere Vernetzungssysteme könnten bei Leihfahrrädern zum Einsatz kommen", sagt Eckert. Ähnlich wie bei Carsharing-Angeboten könnte eine App verfügbare Fahrräder in der Nähe anzeigen. Per GPS behalten die Anbieter den Überblick über ihre Räder, Sensoren melden kaputte Exemplare.
Eine App findet und entsperrt das passende LeihfahrradAus der Sicht des Verkehrsforschers Thomas Sauter-Servaes von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften liegt in der schlauen Technologie sogar Potenzial für eine "Neuerfindung" des Fahrrades. "Die Vernetzung könnte Radfahren in Zukunft nicht nur bequemer und sicherer machen, sondern auch stärker in die Stadtmobilität einbinden", sagt er. Diese moderne Mobilität beginnt auf dem Smartphone, das für viele Menschen zum persönlichen Reiseplaner geworden ist. Über das Telefon findet man den schnellsten Weg zu einem Ziel, kauft Fahrkarten, findet ein Auto aus dem Carsharing-Angebot.
Nur Fahrräder findet man dort bisher meist nicht. Die Anzahl von Leihstationen ist selbst in Großstädten überschaubar. In Tagestickets für den öffentlichen Nahverkehr etwa sind Leihräder nur selten enthalten. "Lange wurde das Fahrrad nicht als vollwertiges Verkehrsmittel in der Stadt oder gar als Autoersatz wahrgenommen. In Zukunft müssen wir es stärker in den alltäglichen Verkehr einbinden", sagt Achim Kampker, Professor für E-Mobilität an der RWTH Aachen.
Kampker entwirft ein Szenario. So könnte die Mobilität der Zukunft aussehen, intelligente Fahrräder eingeschlossen: An möglichst vielen U-Bahn-Stationen gibt es Leihfahrräder. Wie viele jeweils gerade zur Verfügung stehen, zeigt eine App an. Das Fahrradschloss lässt sich über die App entsperren. Beim Kauf eines Tagestickets gibt es den entsprechenden Code dazu.
Fitnesstracker im Lenker vom MountainbikeDenkbar wäre auch eine Schnittstelle für das Smartphone als Navigationsgerät. Mit dem Leihfahrrad geht es schnell und umweltfreundlich weiter zum Ziel. Für den Rückweg - man hat unterwegs eingekauft - ist möglicherweise ein Carsharing-Angebot oder die U-Bahn die bessere Alternative. "Mobilität wird so noch nutzungsorientierter und weniger abhängig von Fahrplänen oder einem eigenen Auto", sagt Kampker. Die entsprechenden Technologien seien verfügbar.
Elektroantriebe, vor einigen Jahren noch ein Nischenangebot, setzen sich durch. "Die Fahrradbranche wurde vom Erfolg der E-Bikes überrascht", sagt Kampker. Inzwischen sei die Technologie recht ausgereift. Der nächste Schritt ist die Vernetzung der Räder. Firmen wie Bosch oder Shimano bieten bereits automatische Gangschaltungen für Elektrofahrräder an oder Schnittstellen für das Smartphone als Navigationsgerät. Für Mountainbikes mit Elektroantrieb gibt es Fitnesstracker im Lenker.
Die Elektrounterstützung hilft vor allem im Alltag, Steigungen und Gegenwind zu trotzen, der Motor gleicht Belastungsspitzen aus. Auf dem Weg ins Büro schwitzt der Radfahrer nicht sein Hemd durch. Erste Unternehmen testen bereits elektrische Dienstfahrräder. "Für Unternehmen lohnt sich der Einsatz zum Beispiel für kurze Pendler-Wege oder auf großen Industriegeländen", sagt der Verkehrsforscher Thomas Sauter-Servaes aus Zürich. Die Leasing-Raten und Anschaffungskosten sind geringer als beim Auto, ein Abstellstation ersetzt riesige Parkplätze. Nebenbei kann das Unternehmen seine CO2-Bilanz aufbessern.
Kameras an den Rädern erfassen GefahrenquellenFür die Sicherheit könnte die Vernetzung des Radfahrens einige Verbesserungen bringen. Am niederländischen Forschungsinstitut TNO arbeiten Wissenschaftler an einem Smartbike für ältere Menschen. Die Technik im Rad soll das eingeschränktes Hör- und Sehvermögen der Senioren kompensieren.
Kameras an den Rädern sollen Gefahrenquellen erkennen. Nähert sich ein Auto von hinten, blinkt das Display am Lenker, der Radler wird darauf hingewiesen, jetzt nicht die Spur zu wechseln. Vibrationsmotoren in Lenker und Sattel melden ebenfalls mögliche Gefahren. Verarbeitet werden die Daten in einer noch etwas sperrigen Recheneinheit, die auf dem Gepäckträger angebracht ist.
Man kann die Sicherheitstechnik auch in den Helm packen, den eigentlich sowieso jeder Radfahrer tragen sollte. Der schwedische Autohersteller Volvo hat ein technologisch erweitertes Modell auf der International Consumer Electronics Show in Las Vegas vorgestellt. Dieser Helm meldet die Position seines Trägers ständig an eine Datenbank. Auf diese Daten greift das Sicherheitssystem des neuen Volvo XC90 zu.
Bei Unfallgefahr meldet sich das Display des Wagens, im Notfall bremst das Auto selbst. Der Radfahrer wird über ein nahendes Auto per Warnleuchte in seinem Helm informiert. Aber eben nur über herannahende Volvos. Auf andere Wagen muss er weiter selbst achten. Eigentlich schützt der Helm wohl eher Volvo-Fahrer vor Zusammenstößen mit Fahrradfahrern.
In Kopenhagen verbinden sich die Fahrräder mit der StadtWer über intelligentere Räder nachdenkt, kommt nicht umhin, zu bemerken, wie wenig schlau die meisten Straßen noch geplant sind. In Deutschland wurden Straßen und Systeme jahrzehntelang so angelegt, dass vor allem Autofahrer profitieren - von breiten Straßen und Parkmöglichkeiten. Mobilität bedeutete lange Automobilität. Nur langsam denken die Verkehrsplaner um. Noch immer legen die Menschen hierzulande schließlich bis zur Hälfte aller Wege im Auto zurück, selbst kürzeste Strecken. Das Auto ist wie ein rollendes Wohnzimmer, es fühlt sich sicher an.
"In unseren für Autos gebauten Städten trauen sich oft nur die Superharten mit dem Rad auf die Straße, weil Radwege fehlen oder unzumutbar sind - und das Verkehrsklima rau ist", sagt Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club. In Deutschland müsse der Stadtraum dringend neu aufgeteilt werden.
Wie das funktionieren kann, zeigt seit Jahren die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Hier fährt jeder Dritte mit dem Rad zur Arbeit, bis 2020 soll der Anteil auf 50 Prozent steigen, so der Plan der Stadtverwaltung. Fast 400 Kilometer Fahrradweg durchziehen Kopenhagen, täglich kommen neue Wege hinzu, oft mehrspurig oder mit idyllischem Blick auf den Hafen. "Jeder neue Radweg reduziert den Autoverkehr um zehn Prozent und sorgt für 20 Prozent mehr Radler", wirbt die Stadt-Homepage.
Nähern sich viele Radfahrer, steht die Ampel länger auf GrünIn Bahn, Bus und Taxi lassen sich Räder problemlos transportieren. Das ist gut für die Umwelt, aber auch für die Kassen der Stadt. Jeder neue Kilometer Straße kostet zehn Millionen Euro, ein Kilometer Radweg nur eine Million.
In Kopenhagen funktioniert auch die Vernetzung zwischen den Rädern und der Stadt manchmal schon. Im Stadtteil Østerbro wurde eine grüne Welle für Radler eingerichtet. LED-Lichter auf den Radwegen signalisieren, wie schnell die nächste Ampel umspringt. Wer durchschnittlich 20 km/h fährt, kommt ohne Halt voran.
Im Stadtteil Frederiksberg zeigen Leuchttafeln an, wann eine Ampel umspringt. Nähert sich eine Gruppe von Radfahrern, registrieren Sensoren das, die Ampel steht länger auf Grün. "Viele Dinge, die in Kopenhagen ausprobiert werden - LED-Geschwindigkeitsanzeigen, Fußrasten vor Ampeln oder zum Radler geneigte Abfallkörbe - sind tolle Ideen", sagt Krone. Deutsche Städte seien da längst nicht so weit.
Vielleicht sollte nicht nur das Fahrrad intelligenter werden, sondern auch die Stadt, durch die man es fährt.