„Wenn mein Kind nichts mehr für die Schule tut oder das Zimmer aussieht wie ein Saustall, darf ich klare Kante zeigen", rät Comedian und Pädagoge Matthias Jung im Interview.
Das Thema Pubertät boomt. Es gibt unzählige Bücher und sogar Kinofilme über die schwierige Phase des Heranwachsens. Woher kommt das große Interesse?Das Interesse ist nicht neu. Die Pubertät treibt seit Jahrhunderten Eltern an den Rand des Wahnsinns. Schon Sokrates beschwerte sich über die Jugend. Hauptgrund für die emotionale Auseinandersetzung ist wohl die persönliche Betroffenheit. Jeder von uns war mal in der Pubertät, unzählige Eltern oder Großeltern erleben gerade den Abnabelungsprozess der Kinder hautnah. Neuer sind die Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Heute wissen wir, was im pubertären Gehirn passiert und welche Hormone und Botenstoffe verrückt spielen. Abseits von persönlicher Betroffenheit und Wissenschaft kann man über viele Themen der Pubertät wunderbar lachen.
Ihr Buch „Chill mal!" ist ein humorvoller Ratgeber. Was ist Ihr wichtigster Rat an betroffene Eltern?Entspannt euch! Die Pubertät ist eine wichtige Grundlage für das Erwachsenwerden und die Abnabelung von den eigenen Eltern. Die Phase ist nicht immer leicht, aber notwendig. Eltern sollten die Teenager eigene Erfahrungen sammeln lassen und ihnen die Chance geben, auch mal dumme Entscheidungen zu treffen. Diese Zurückhaltung erfordert natürlich viel Nerven und Geduld. Gleichzeitig sollten sie mit ihren Kindern im Gespräch bleiben, Interesse an ihrem Leben zeigen und ihnen auch klar sagen, wenn sie etwas nervt. Dieser Dialog sorgt langfristig für ein gutes Verhältnis zueinander.
Konflikte gehören zum Abnabelungsprozess in der Pubertät. Sind tiefenentspannte Eltern nicht kontraproduktiv?Das stimmt. Kinder brauchen keine ultracoolen Eltern, die ihre Kumpels sein wollen. Das ist eher kontraproduktiv für die eigene Entwicklung. Wenn mein Kind nichts mehr für die Schule tut oder das Zimmer aussieht wie ein Saustall, darf ich klare Kante zeigen und meinen Standpunkt deutlich machen. Diese Reibung hilft den Kindern bei der Orientierung.
Pubertieren Jungs anders als Mädchen?Ja, total. Bei Mädchen wird das Stresshormon Artisol stärker ausgeschüttet. Dadurch neigen sie zu Stimmungsschwankungen und haben mehr Selbstzweifel. Ihnen ist ihre Wirkung auf andere wichtig - sie suchen viel Selbstbestätigung und permanentes Lob. Auch ihr Redebedarf ist höher. Eine Mutter klagte mir am Rande einer Show mal ihr Leid. Ihre Tochter fing immer am Sonntag zur besten „Tatort"-Zeit, einen abendfüllenden Monolog über ihre Probleme an. Den Rest des Wochenendes chillte das Mädchen nur im Zimmer. Jungs sind eher ruhig und ziehen sich komplett zurück. Subjekt, Prädikat, Objekt, jede Woche eins, das reicht ihnen aus. Dazu kommt ein oft unangenehmes Machogehabe.
Sie moderieren eine der größten Facebook-Gruppen zum Thema Pubertät. Worüber wird dort diskutiert?Ähnlich wie Hundebesitzer tauschen sich auch Teenie-Besitzer im Internet über ihre Probleme aus - oft sehr emotional und nicht immer oberhalb der Gürtellinie. Die Sorgen ähneln sich - mein Kind räumt sein Zimmer nicht auf, hilft nicht im Haushalt oder interessiert sich nicht mehr für die Schule. Damit „verstoßen" sie gegen die Vorstellungen der Eltern. In dieser Zeit suchen gerade Mütter nach Bestätigung für ihre eigene Haltung und ziehen Kraft aus der Erkenntnis, dass sie mit den Pubertätsproblemen nicht allein sind.
Warum vergessen Eltern ihre eigene Pubertät?Tatsächlich erinnern sich die eigenen Eltern erstaunlich schlecht an ihre eigenen rebellischen Zeiten. Stattdessen sind sie völlig überrascht, wenn die Tochter ihren ersten Freund mit nach Hause bringt, und suchen krampfhaft nach einer Möglichkeit, im verdächtig stillen Jugendzimmer nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht liegt das einfach daran, dass sie engagierte Eltern sein wollen und ihr kinderloses Leben in Vergessenheit gerät.
Können Sie sich noch gut an die eigene Pubertät erinnern?Ich habe meine Grenzen intensiv ausgetestet. Meine Mutter und ich lieferten uns so laute Wortgefechte, dass das gesamte Dorf mithören konnte. Sie war sehr emotional, mein Vater blieb dagegen pragmatisch. Nach einem Streit hängte er die Glastür zum Flur aus, weil ich die oft zuknallte. Sein Kommentar: Bub, so geht es nicht weiter. Nach drei Tagen war die Tür wieder da und mein Ärger verflogen.
Ihre Kinder sind noch klein. Haben Sie Angst vor der Pubertät?Ich habe zwar einen Elternratgeber geschrieben und spreche auf der Bühne über Pubertiere. Das wird mir aber wenig helfen, fürchte ich. Meine Tochter ist 13 Monate alt, und ich habe ein starkes Bedürfnis, sie zu beschützen. Das wird sich wahrscheinlich nicht ändern, wenn der erste Freund vor der Tür steht.
Von Interview: Birk Grüling/RND