Als Kind will jeder mal Polizist, Feuerwehrmann oder Astronaut werden. Die meisten verlieren diesen Traum ziemlich schnell wieder aus den Augen. Jan-Ole Jeske blieb ihm treu. "Mein Opa war Polizist. Er hatte eine Waffe und ich durfte früher im Streifenwagen mitfahren", erzählt der 22-Jährige. In der Schule machte er ein Praktikum bei der Kieler Polizei, die Überzeugung blieb. Nach dem Abitur bewarb sich Jeske im Staatsdienst. Im ersten Anlauf scheiterte der gebürtige Hamburger jedoch am Sporttest. So ging er zur Bundeswehr, blieb dort für ein Jahr und bewarb sich dann erneut. Wissenstest und Sportprüfung waren diesmal kein Problem.
Inzwischen ist Jeske im zweiten Ausbildungsjahr und gerade im Praxiseinsatz. Das erste Jahr verbringen die Anwärter an der Polizeischule. Auf dem Stundenplan stehen hier Strafrecht, Verhalten im Einsatz und viel Sport. Den eigentlichen Berufsalltag lernen sie in den Praxisblöcken auf der Wache kennen. Jeske ist gerade auf der Wache in Poppenbüttel, ein ruhiger, fast ländlicher Bezirk im Nordwesten Hamburgs. Unfälle, Einbrüche und Taschendiebstähle sind die häufigsten Straftaten. Im Alltag bedeutet das viel Routine und eine Arbeit dicht am Menschen. Die Polizei als Freund und Helfer. Wenn im Urlaub die Wohnung ausgeräumt wurde, sind die Beamten nicht nur Ermittler, sondern auch Sozialarbeiter. "Man sollte ein Gefühl für Menschen und ihre Bedürfnisse mitbringen. Die Bürger sind für einen Rat in Sachen Versicherung oder ein paar aufmunternde Worte oft sehr dankbar", erzählt Jeske.
Natürlich verläuft nicht jeder Einsatz reibungslos. Gerade am Wochenende, zu später Stunde und mit steigendem Alkoholpegel kann es auch in Poppenbüttel ungemütlich werden. Erst vor wenigen Wochen drohte eine Ausweiskontrolle nach einer Ruhestörung zu eskalieren. Zwei junge Männer hatten zuvor mit ihrem tiefergelegten Auto die Nachbarschaft beschallt. "Zum Glück konnten wir die Situation entschärfen, auch dank der Freundinnen der beiden", sagt Jeske. Nach dem Einsatz habe er erst mal tief durchatmen müssen. Allein gelassen wird er bei solchen Einsätzen aber nicht. Polizei ist ein Erfahrungsberuf, der viel Menschenkenntnis erfordert. Am Anfang fahren die Anwärter also "nur" als dritter Mann im Streifenwagen mit. Erst nach einiger Praxiserfahrung werden sie dann als vollwertige Beamte eingesetzt. Bei Jeske war es vor ein paar Wochen endlich soweit. "Das Vertrauen der Kollegen in meine Zuverlässigkeit freut mich", sagt er. Polizei ist für ihn ein Traumberuf geblieben. Nur eine Sache fällt ihm bis heute schwer, der Schichtdienst. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr sind die Polizeidienststellen besetzt. Ein geregeltes Wochenende und Rücksicht auf Feiertage gibt es nicht.
Janin Wahl, 23 Jahre, PolizeikommissaranwärterinWenn Janin Wahl von ihrer Ausbildung erzählt, ist die Reaktion häufig dieselbe. "Ach Kommissarin! So wie im Tatort?" Wie ihr Alltag mal aussehen wird, wissen wir alle natürlich nicht aus eigener Erfahrung, sondern aus dem Fernsehen. Immer sonntags um 20.15 Uhr ermitteln wir vom Sofa aus mit. Fernsehkrimis waren für die Berufswahl der 23-Jährigen eher weniger ausschlaggebend. Die Idee, zur Polizei zu gehen, hatte sie eigentlich schon länger. Für die reguläre Polizistenausbildung fehlten ihr nur ein paar Zentimeter Körpergröße. Nach dem Abitur entschied sich Wahl deshalb für einen anderen Berufsweg und ging zu einer Bank. Eine längerfristige Zukunft zwischen Bausparverträgen und Kontoeröffnungen sah sie aber nicht.
"Bei der Kriminalpolizei gibt es weniger strenge Größenvorgaben. Deshalb habe ich mich dort beworben und wurde zum Glück sofort genommen", erzählt sie. Die Ausbildung zur Kommissarin ist ähnlich wie bei der Schutzpolizei aufgebaut. Nach ein paar Semestern Theorie an der Fachhochschule folgt der erste Praxiseinsatz auf einer Dienststelle. Der Alltag im Landeskriminalamt ist zwar später ein anderer. Die jungen Kommissare sollen aber verstehen, wie Polizei an allen Stellen funktioniert und entsprechende Praxiserfahrungen sammeln. Das bedeutet Schichtdienst, Uniform und Fälle vom kleineren Diebstahl bis zu Verkehrsunfällen mit jungen Opfern. Gerade wenn der Beruf seine Schattenseiten zeigt, fällt Abschalten und Weitermachen nicht immer ganz leicht. "Manche Fälle gehe ich auf der Heimfahrt im Kopf durch und denke über mögliche Ermittlungen nach", sagt Wahl. Zweifel an ihrem Beruf hat sie nicht. Schließlich erlebe sie bei jedem Fall etwas Neues. In ihrem alten Job hat ihr genau diese Abwechslung immer gefehlt.
Daniela Fischer, 32 Jahre, PolizeihauptmeisterinDaniela Fischer hat Hamburg-Wandsbek ins Herz geschlossen. Seit anderthalb Jahren geht und fährt die 32-Jährige hier Streife. "Die Wandsbeker sind stolz auf ihren Stadtteil und unsere Wache gehört irgendwie dazu", sagt die Polizeihauptmeisterin. Die größte Verbundenheit der Bürger spürt sie während der Fußstreife. Gerade die Älteren grüßen freundlich, viele kennt sie mit Namen. Die Arbeitslosigkeit in Wandsbek ist hoch, der Busbahnhof am Wandsbeker Markt ein Sammelbecken für Taschendiebe, die Einkaufspassage nebenan unter ihnen ein Geheimtipp.
Die ruhigen Randgebiete mit ihren kleinen Häusern werden häufig zum Ziel von Einbrechern. Und aufgrund der direkten Anbindung zur Autobahn und den Bundesstraßen gibt es einige Verkehrsunfälle. "Eigentlich ist Wandsbek ein durchschnittlicher Bezirk", sagt Fischer. Ein mulmiges Gefühl hat sie auf Streife selten. Natürlich ist der Respekt gegenüber der Polizei nicht immer und überall gleich groß. Gerade nachts, wenn junge Leute feiern waren, steige die Zahl der "Halbstarken" auf den Straßen. "Die Jugendlichen haben heute immer häufiger eine Waffe dabei und weniger Kontrolle über sich selbst", sagt sie. Im Alltag setzt sie auf Vorsicht gepaart mit einer großen Portion Gelassenheit. "Von Pöbeleien darf man sich nicht provozieren lassen. In den meisten Fällen können wir die Lage schnell wieder beruhigen", erklärt die Polizistin. Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis sind nicht nur bei Tätern wichtig, sondern auch bei den Opfern. Nach einem Raub oder einem gewalttätigen Übergriff sind warme Worte gegenüber Opfern und Verständnis neben den eigentlichen Ermittlungen sehr wichtig. "Nicht selten kommen Bürger Tage später zu uns und bedanken sich", erzählt sie. Sogar manch ein Rowdy vom Wochenende stand schon kleinlaut in der Wache und hat sich für sein Verhalten entschuldigt.
In solchen Momenten ist die Freude am Beruf groß. "Zweifel an meiner Berufswahl hatte ich nie. Polizei ist für mich mehr ist als nur ein Job", erklärt Fischer und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: "Der Beruf ist natürlich nicht ohne." Selten freie Wochenenden und ein anstrengender Arbeitsalltag - daran hat sich Fischer nach zehn Jahren bei der Polizei gewöhnt. Nur Nachtschichten fallen immer noch schwer. Zu später Stunde gibt es häufig Leerlauf, ein Nickerchen können sich die Beamten trotzdem nicht erlauben. Im Notfall müssen sie innerhalb weniger Augenblicke von null auf 100 schalten. "Das ist anstrengend. Schließlich ist man im Ernstfall nicht nur für seine Sicherheit verantwortlich, sondern auch für die seiner Kollegen", sagt sie.
Nachwuchssorgen: Warum will's keiner machen?In vielen Bundesländern klagt die Polizei über Nachwuchsprobleme. Grund dafür ist nicht nur der demografische Wandel mit weniger Schulabgängern, sondern auch die Attraktivität des Berufs. Zwar bewarben sich im letzten Jahr in Schleswig-Holstein noch 2.700 Jugendliche auf 210 Ausbildungsplätze. Mehrere Hundert Bewerber erfüllen aber nicht einmal die formalen Voraussetzungen, wie den Schulabschluss oder die körperliche Fitness. Die größte Hürde ist und bleibt der mehrstufige Eignungstest, die Durchfallquote liegt bei 30 bis 50 Prozent. An Matheaufgaben, dem Diktat und dem Wissenstest zur politischen Bildung verzweifeln mindestens genauso viele Bewerber wie am gefürchteten Sporttest. Für die Berliner Polizei war im aktuellen Ausbildungsjahrgang nur einer von 15 Bewerbern zu gebrauchen. Schlechte Allgemeinbildung, sinkende Leistungsbereitschaft und Desinteresse an Teamarbeit - so erlebe man viele Bewerber.
Die Einstellungsvoraussetzungen zu senken ist für die Verantwortlichen keine Option. Die Anforderungen des Jobs sinken schließlich auch nicht. Engagiertere und fittere Frauen und Männer für den Polizeiberuf zu begeistern ist allerdings nicht so leicht: Unregelmäßiger Schichtdienst, lange Dienstzeiten, viele Überstunden, Beschimpfungen und Gewalt, schlechte Bezahlung - all das gehört zum Polizeialltag. Wer die strenge Aufnahmeprüfung besteht, ist entsprechend heiß begehrt - und zwar länderübergreifend. Unter den Bewerbern ist es üblich, sich in mehreren Bundesländern gleichzeitig vorzustellen. Grund dafür sind unterschiedliche Tarife und Arbeitsbedingungen. In Ostdeutschland wird schlechter bezahlt als im Süden. Außerdem gibt es dort wegen klammer Länderkassen weniger Stellen im gehobenen Dienst. Hamburg lockt inzwischen Bewerber mit Gratis-Heilfürsorge, also der Übernahme bestimmter Krankheitskosten, und günstigen Wohnungen an. Aktive Nachwuchswerbung ist aus Sicht der Polizeigewerkschaft dringend notwendig, sie möchte außerdem junge Migranten für den Dienst gewinnen. Das sei laut Erich Rettinghaus, dem Chef der Polizeigewerkschaft, auch deshalb notwendig, weil die Polizei ein Spiegel der Gesellschaft sein müsse. In fast allen 16 Bundesländern droht in absehbarer Zeit ein großer Personalmangel. Neu ist dieses Problem übrigens nicht. Bereits 1967 berichtete die ZEIT über den Nachwuchsmangel bei der Polizei. Das Fazit damals: zu wenig Leute, zu wenig Geld, zu viel Ärger.
Gewalt - Eine Schattenseite des BerufsDie Gewalt gegenüber Polizisten nimmt zu. Das bestätigen die Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. 2009 wurde fast jeder zweite Polizist in Niedersachsen Opfer einer Gewalttat. Auch andere Bundesländer melden ähnliche Zahlen. So wurden in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr 10.321 Polizisten im Dienst attackiert. Als besonders gefährlich gelten Einsätze am Wochenende. An den meisten Übergriffen sind junge Männer zwischen 17 und 29 Jahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss beteiligt. Selbst die Unterschiede zwischen Großstädten und ländlichen Regionen verwischen langsam. Auch auf dem Land wurde jeder dritte Polizist schon Opfer einer Gewalttat. Die Folgen der Gewalt sind für die Polizistinnen und Polizisten laut einer im Dezember 2013 vorgestellten Studie des Innenministeriums aus Nordrhein-Westfalen gravierend. Knapp 40 Prozent der Opfer leiden nach den Übergriffen an Schlafstörungen und Reizbarkeit. Gleichzeitig kritisiert die Gewerkschaft der deutschen Polizei fehlende Unterstützung der Vorgesetzten in solchen Situationen. Nur jedem vierten betroffenen Beamten wurde eine Behandlung durch einen Polizeipsychologen angeboten. Auch die hohe Arbeitsbelastung und dünne Personaldecke gefährde laut Gewerkschaft die Arbeit der Polizei.
Fakten zur AusbildungMittlerer Dienst: Polizeivollzugsbeamter/inAusbildungsdauer: Zwei bis zweieinhalb Jahre je nach Bundesland, aufgeteilt in Praktika bei verschiedenen Dienststellen und einer theoretischen Ausbildung an der Polizeischule. Voraussetzungen: - Mindestens Hauptschulabschluss, besser Mittlere Reife. Außerdem müssen die Bewerber einen Eignungstest mit Sportanteil bestehen. - Das Mindestalter liegt bei 17 Jahren und das Höchstalter zwischen 24 und 31 Jahren (je nach Bundesland). - Mindestgröße: Frauen mindestens 1,60 Meter und Männer mindestens 1,65 Meter Verdienst: Der Anwärtergrundbetrag - also der Lohn für Beamtenanwärter in der Ausbildung - liegt bei rund 1.044 Euro brutto im Monat, je nach Bundesland. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung werden die jungen Polizistinnen und Polizisten verbeamtet. Ihr Gehalt richtet sich dann nach dem Besoldungssystem der einzelnen Länder. Das Einstiegsgehalt im mittleren Polizeidienst liegt durchschnittlich bei 2.000 Euro brutto plus Zulagen.
Gehobener Dienst: Polizeivollzugsbeamter/in, Beamter im Bundes- oder LandeskriminaldienstAusbildungsdauer: Drei Jahre, aufgeteilt in Praktika bei verschiedenen Dienststellen und einem Bachelorstudium an einer VerwaltungshochschuleVoraussetzungen:- Fachhochschulreife. Die Bewerber müssen einen Eignungstest mit Sportanteil bestehen.- Das Mindestalter liegt bei 17 und das Höchstalter zwischen 24 und 31 Jahren (je nach Bundesland). Verdienst: Der Anwärtergrundbetrag liegt bei 1.058 Euro monatlich auf Landesebene und knapp 1.200 Euro bei der Bundespolizei. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung folgt die Verbeamtung. Ihr Gehalt richtet sich ebenfalls nach dem Besoldungssystem der Länder. Das Einstiegsgehalt im gehobenen Polizeidienst liegt durchschnittlich bei 2.500 Euro brutto plus Zulagen.
Höherer Dienst: Beamter/Beamtin im höheren Kriminaldienst, z. B. Polizeirat oder -direktor Ausbildungsdauer: Zwei Jahre, aufgeteilt in ein Masterstudium "Öffentliche Verwaltung - Polizeimanagement" und Hospitationen in Landeskriminalämtern oder dem Bundeskriminalamt Voraussetzungen:- Hochschulreife - Eine abgeschlossene Laufbahnsprüfung im gehobenen Dienst - In Einzelfällen auch ein Universitätsabschluss beispielsweise in Jura oder Kriminalistik Verdienst: Der Anwärtergrundbetrag liegt in Laufbahnen des höheren Dienstes bei 1.310 Euro brutto. Das monatliche Einstiegsgehalt im höheren Polizeidienst liegt nach Verbeamtung je nach Land durchschnittlich bei 3.800 Euro brutto plus Zulagen.
Birk Grüling lebt und arbeitet als freier Journalist am Rande von Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Reportagen und Interviews rund um Wissenschaft, Gesellschaft und Popkultur. Fotos: © Birk Grüling, © picture-alliance/dpa