Birk Grüling

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Promotion: Naturwissenschaftler: Was spricht für den Doktortitel?

© Miguel Ferraz Sarah Müncheberg promoviert am Hamburger Heinrich-Pette-Institut.

Sarah Müncheberg wollte es genauer wissen und sich nach dem Mikrobiologie-Studium einmal richtig in ein Thema vertiefen. Ihre Masterarbeit am Hamburger Heinrich-Pette-Institut, dem Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie, war ziemlich gut bewertet worden. Der Professor bot ihr schnell an, weitere drei Jahre an den Adenoviren zu forschen und zu promovieren. „Ich musste nicht lange überlegen", sagt die Doktorandin. Der weiße Laborkittel ist nun seit zwei Jahren ihre tägliche Arbeitskleidung. Mit blauen Gummihandschuhen holt sie vorsichtig eine Petrischale an ihren Arbeitsplatz. Bis auf eine lilaschimmernde Nährlösung ist mit bloßem Auge darin nichts zu erkennen. Erst unter dem Mikroskop zeigt sich deutlich eine Handvoll menschlicher Zellen, infiziert mit Adenoviren. Für gesunde Menschen sind diese eher ungefährlich. Mehr als eine Bindehautentzündung oder ein paar Tage Durchfall richten sie selten an. Deutlich mehr Probleme können die sehr umweltbeständigen Viren bei Patienten mit einem stark geschwächten Immunsystem verursachen. „In unserer Forschungsgruppe untersuchen wir, wie das Virus die menschliche Zelle umprogrammiert und wie man diesen Prozess in irgendeiner Form beeinflussen kann", erklärt Müncheberg. Das ist Grundlagenforschung, weit entfernt von der Entwicklung eines Medikaments.

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Vor- und Nachteile der Promotion

Der Werdegang der 27-Jährigen ist typisch für Naturwissenschaftler in Deutschland. Zuerst das Studium, dann eine herausragende Abschlussarbeit, schließlich die Promotion. Immer noch machen Naturwissenschaftler den größten Anteil der rund 25.000 Akademiker aus, die jedes Jahr ihre Promotion beginnen. Etwa jeder fünfte Naturwissenschaftler hat einen Doktortitel. Die meisten von ihnen reizt die Forschung, das Vertiefen eines Themas, die freie Arbeitsgestaltung. „Die Grundlagenforschung lässt mir viel Freiheit. Ich kann viele Dinge ausprobieren und mich ausgiebig mit grundlegenden Zellmechanismen beschäftigen. Das will ich nicht missen", bestätigt Müncheberg. In der Industrie wäre ihre Arbeit vermutlich stärker von Entwicklungszwängen und wirtschaftlichen Perspektiven geprägt. Doch die Freiheit des Geistes hat auch Schattenseiten. Eine Promotion kostet Zeit, Mühe und Geld. Wie die meisten Doktoranden in den Naturwissenschaften hat die Biologin nur eine befristete 60-Prozent-Stelle. Im Schnitt 1.300 Euro netto verdienen Doktoranden damit. Doch von Teilzeit kann in der Regel keine Rede sein, vielmehr verbringen junge Wissenschaftler gut und gern 40 bis 50 Stunden pro Woche im Labor. Zellkulturen halten sich einfach nicht an geregelte Arbeitszeiten.

Längst nicht immer werden die Mühen der Promotion durch das spätere Gehalt ausgeglichen. Naturwissenschaftler ohne Promotion können mit einem Einstiegsgehalt von etwa 45.000 Euro pro Jahr rechnen. Mit einem Doktortitel liegt es nach Angaben der Vergütungsberatung „PersonalMarkt" bei 56.000 Euro. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass Doktoren zum Zeitpunkt des Berufseinstiegs älter sind und oft mit mehr Verantwortung starten. Im Laufe der Karriere relativieren sich die Gehaltsunterschiede wieder, zum Beispiel durch den Vorsprung an Berufserfahrung. Entsprechend gut überlegt sollte die Entscheidung für einen Doktortitel sein. „Man sollte schon Freude an einer Vertiefung einer wissenschaftlichen Fragestellung und im besten Fall auch das Interesse an einer Karriere im Labor mitbringen", sagt Barbara Hoffbauer. Die Volljuristin berät junge Doktoranden bei ihrer Karriereplanung. Wer also nur promoviert, um im altbekannten Uni-Umfeld zu bleiben oder weil er den Schritt in die Arbeitswelt scheue, treffe nicht die beste Wahl. Auch eine Promotion aus Eitelkeit heraus, um einen Titel zu tragen, sei Unsinn.

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