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Ist der Traum vom sauberen Fliegen ausgeträumt?

Um sich das globale Versagen in Sachen Klimaschutz vor Augen zu führen, genügte Ende Januar ein Blick auf das Weltwirtschaftsforum in Davos. Selten offenbarte sich das Zusammenspiel aus guten Vorsätzen und schlechten Angewohnheiten auf so spektakuläre Weise: Während der angesehene Naturforscher David Attenborough vor Politikern, Wirtschaftsführern und Lobbyisten den Garten Eden endgültig für geschlossen erklärte und mit eindringlichen Worten einen baldigen Masterplan zur Rettung des Planeten forderte, veröffentlichte die Organisation Air Charter Service eine vielsagende Analyse: Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Privatflieger, die anlässlich des Wirtschaftstreffens in Davos landeten, um weitere elf Prozent. Insgesamt jetteten die Mächtigen der Welt demnach mit rund 1.500 privaten Maschinen zu der Veranstaltung in dem Schweizer Ski-Ressort. Ein in den vergangenen Jahren feststellbarer Trend dabei laut Charterexperten: immer größere, teurere und leistungsstärkere Flugzeuge - mit Verbrennungsmotoren. Eine Vorbildfunktion im Sinne des von Attenborough angestoßenen „New Deal für die Natur" sieht wohl anders aus.

Denn nicht nur Öko-Aktivisten, sondern auch das deutsche Umweltbundesamt stellen in aller Deutlichkeit fest: Fliegen ist und bleibt die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. „Ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück - Entfernung: zweimal 8.000 Kilometer - verursacht pro Person eine Klimawirkung von über fünf Tonnen CO2. Mit einem Mittelklassewagen können Sie dafür mehr als 30.000 km fahren", schreibt das Umweltamt auf seiner Webseite und liefert den Hintergrund gleich dazu: „Die Klimawirksamkeit von Flugreisen beruht nicht nur auf dem Ausstoß von CO2, auch andere bei der Verbrennung von Kerosin entstehenden Substanzen wie Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf tragen zur Erwärmung der Erdatmosphäre bei. Diese Stoffe wirken sich in luftiger Höhe durch den nur langsamen Abbau stärker aus als am Boden und vergrößern den Treibhauseffekt entsprechend."


Kurz mal weg mit dem Billigflieger

Was für die Elite der Privatjet ist, ist für Otto-Normal-Reisende der Billigflieger: ein in der Regel vermeidbarer, aber lieb gewonnener Luxus. Dem Klimawandel zum Trotz haben sich die Flugpassagiere in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland fast verdoppelt. So zählte das Statistische Bundesamt im Jahr 2000 rund 120 Millionen Passagiere an deutschen Flughäfen, 2018 starteten und landeten hingegen rund 220 Millionen. Bemühungen von Organisationen wie Atmosfair oder Myclimate, die flugbedingte Klimaschäden durch Kompensationszahlungen abfedern, sind angesichts dieser Zahlen nur ein winziger Tropfen auf den heißen Stein.


Hoffnung machen allein elektrisch betriebene Fluggeräte

Dabei gibt es durchaus hoffnungsvolle Konzepte für den Traum einer uneingeschränkten Mobilität ohne die Last der massiv klimaschädlichen Emissionen. Wie schon auf der Straße, wo der Wettbewerb um E-Autos allmählich Fahrt aufnimmt, setzen auch Flugzeughersteller erste Akzente in Sachen Elektroantrieb. Ausgerechnet die britische Billig-Airline Easyjet kündigte im November eine Zusammenarbeit mit dem Elektroflugzeug-Startup Wright Electric an. Angestrebtes Ziel: Innerhalb von zwanzig Jahren sollen alle Kurzstrecken-Flüge mit elektrisch betriebenen Maschinen absolviert werden können.

Ein erstes Konzept für ein 150 Passagiere fassendes Flugzeug hatte das Startup, dessen Name an die Flugpionier-Brüder Wilbur und Orville Wright erinnert, bereits 2017 auf einer Messe des Silicon-Valley-Gründerzentrums Y Combinator präsentiert.

Startups und kleinere Unternehmen sind es auch, die im Bereich der kleineren E-Flugzeuge und der - medial heiß diskutierten - Lufttaxis den Innovationston angeben. Die ausgereiftesten Konzepte aus Deutschland liefern das badische Unternehmen Volocopter, das einen von 18 Elektromotoren angetriebenen Multicopter für innerstädtische Kurzstrecken baut, sowie die Münchner Jungunternehmer von Lilium, die einen E-Flieger entwickelt haben, der sich auf Strecken bis zu 300 Kilometern mit bis zu 300 km/h emissions- und geräuschfrei fortbewegen soll und noch dazu vertikal starten und landen kann. Ähnliche Fluggeräte, die im englischen Sprachraum auch als „bemannte Drohnen" bezeichnet werden, liefern beispielsweise das kalifornische Startup Kitty Hawk und das niederländische Unternehmen Pal-V.


„Die meisten von uns neigen dazu, die zukünftige urbane Mobilität mit Elektro- und autonomen Autos, Fahrrad-Sharing, E-Scootern und so weiter zu verbinden. Städtische Luftmobilität wird die bestehende Mobilitätslandschaft nicht ersetzen. Aber sie wird ein zentrales Element der zukünftigen Mobilität in und um Großstädten werden", prognostiziert Manfred Hader für die Unternehmensberater von Roland Berger. In der Studie „Urban Air Mobility - The Rise of a New Mode of Transportation" schätzt die Consulting-Gesellschaft, dass bis 2025 bereits etwa 3.000 Passagierdrohnen für erste kommerziell genutzte städtische Luftfahrtrouten in Betrieb genommen werden. In den folgenden Jahrzehnten wird erwartet, dass der Markt exponentiell wächst: Bis 2050 könnten nach Schätzungen von Roland Berger fast 100.000 Passagierdrohnen weltweit unterwegs sein und „als Lufttaxis, Flughafen-Shuttles und Intercity-Flugdienste" dienen.

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