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Foals, Trümmer (28.02.16, Batschkapp, Frankfurt)

Nein, die Foals werde es definitiv nicht ewig geben, sagt ihr Frontmann Yannis Philippakis. Kein „Total Life Forever" also. Nach „What Went Down" sei jetzt ohnehin erst mal wieder Zeit „das normale Leben zu leben". Der Lemmy-Lifestyle ist offenbar keine Option für die Indie-Feinschmecker aus Oxford. Zu Rock-Star-Format haben es die ewigen Avantgardisten freilich trotzdem längst gebracht. Schnippische Kommentare von Vollblut-Egomane Noel Gallagher natürlich inklusive. Ein wohlverdienter Ritterschlag.


Netterweise hat sich das Quartett vor ihrer Real Life-Auszeit nun auch zu mehr als einem exklusiven Berlin-Konzert hinreißen lassen. Und in Frankfurt widerstand ein herzensguter Booker dann sogar dem Drang den Mehrzweck-Moloch Jahrhunderthalle zu blocken. Stattdessen wartete die heimelige Batschkapp - natürlich randvoll und schon vor dem bunten Reigen eine Sauna vor dem Herrn. Der logische erste Schritt war für viele da der Gang zur Theke, während eine kleine Gruppe für den Moment offenbar erfrischt vor der Toilette munter Band-Bingo spielte.


Wie es sich für etablierte Player im Musikzirkus gehört, war an diesem Sonntagabend auch nicht nur die hiesige Indie-Szene ins Ostend gepilgert. Von der todschicken Grundschul-Reminiszenz Turnbeutel bis leichtem, zu total grauem Haaransatz war alles dabei. Auch für einen Philippakis-Double-Contest zur Umbaupause hätten sich viele Kandidaten gefunden. Wer jetzt noch früh genug da war, konnte sich obendrein auf der bestuhlten Empore fühlen wie beim gemütlichen Tatort-Abend vorm Kachelofen. Und einmal eingenistet blieben jene Glücklichen auch tatsächlich den ganzen Abend stoisch sitzen.


Zu Trümmer ging es aber auch in der Masse unter ihnen noch gesittet zu. Wobei Sänger Paul Pötsch relativ schnell merkte, dass er das mit munterem Foals-Namedropping andern konnte. Die Musik von Hamburgs „Nachwuchs des Jahres" bekam nach dieser inszenierten Hochstimmung allerdings nicht mehr als Anstands-Applaus ab. Dabei hatte ihr lässig-pulsierender Rock anfangs angenehm viel von etwa den wilderen Kings Of Leon-Zeiten. Für derart mondän-flirrende Melodien ist die deutsche Rock-Szene eigentlich zu klein - herrlich. "Ich hatte mal Ambitionen, jetzt hab ich Stress" - scheinen die Herren mit klarzukommen.


Nur leider bröckelte die rotzig-weltmännische Attitüde mit jedem Song schneller. Einmal angekommen bei prätentiösem Studentenrock war sie bloß noch eine Farce. Einzig Bassist Tammo Kasper konnte sich dem Niedergang erwehren. Optisch wohlgemerkt - und zwar als lange vermisster Beweis dafür, dass ein Hut nicht aus jedem Mann eine bodenlos-schlechte Angler/Cowboy-Parodie macht. Der Schreiber dieser Zeilen ist ein wenig neidisch.


Bei Textperlen wie „Wir haben den Swag im Blut" hielt sich der Neid aber in Grenzen. Wobei es eine beachtliche Leistung ist, so etwas wirklich zu singen und sich nicht komplett zum Affen zu machen. Insofern, chapeau. Ärger mit dem Boy gibt's vermutlich trotzdem. Die pseudo-poetischen Ergüsse über weltbewegende Themen wie nicht zur Arbeit zu wollen oder - welch Unverfrorenheit - tatsächlich nicht zu gehen, waren dann aber tatsächlich einfach nur ermüdend. Musikalisch hatte das Ganze seinen anfänglich schicken Drive ohnehin bereits eingebüßt. Und „Europa feiert ´ne Party" klingt leider momentan wirklich nur tragikomisch. Doch für Viktor Orban und seine Fans können die Hamburger natürlich nichts. Sich ganz hanseatisch auf ihre weltmännische Seite konzentrieren wäre aber drin - und höchst wünschenswert.


Den Foals sind solche Probleme freilich völlig fremd. Sie sind die vielleicht talentierteste Band ihrer Zunft. Da kann man sich auch waghalsige Stilwechsel erlauben. Sogar wenn sie wie „Cassius" klingen - der elitäre Indie-Zirkel folgt bereitwillig und mit ihm unzählige andere Jünger. Eben diese verwandelten die Batschkapp schon zum biestig-rockigen „Snake Oil" in einen schwitzigen Riesen-Flummi. Selbst zum poppigen Melodiewunder „My Number" ging die fröhliche Massenparty weiter.


Keine Frage: Philippakis beherrscht die Rock-Star-Rolle par excellence. Ob keifen, singen oder erhaben über die Bühne wandeln. König Yannis gab sich keine Blöße. Und mehr Substanz als "we're gonna have a fucking good night" müssen die spärlichen Worte eines wahren Regenten dann wohl auch nicht haben - solange er sie nur in die Tat umsetzt. Ein Kinderspiel für den 29-jährigen. Seine Kollegen erledigten derweil im Hintergrund routiniert ihren Dienst an der ausgelassenen Philippakis-Party und widmeten sich munter ihrem Dosenbier.


Angepeitscht von einer aberwitzigen Light/Strobo-Show wurde so gut wie jeder Song zur totalen Ekstase durchgeprügelt. Die ohnehin schon unspektakulären Blaupausen „Give It All" und „Birch Tree" gingen da völlig unter. Ihr genialer Zwillingsbruder von „Holy Fire" - „Late Night" - dagegen nicht. Dem traditionellen Gitarren-Solo am Ende sei Dank. Die alles übermannende Lonely-Wolf-Hymne „Spanish Sahara" wird ohnehin immer das heimliche Highlight eines jeden Foals-Konzerts sein. Da kann zum Ohrwurm des Jahres 2015, „Mountain At My Gates", noch so sehr durchgedreht werden. 


Spätestens als Philippakis zum Hard-Rock-Brecher „What Went Down" in die Menge steigen wollte (was leidlich funktionierte), kochte die Battschkapp dann aber endgültig über - und bekam sich zu „Inhaler" erst recht nicht mehr ein. Der Verantwortliche des Chaos' thronte irgendwann noch auf einer mannshohen Box, bis mit dem letzten Rausch („Two Steps Twice") der etwas andere Sonntagabend sein Ende fand.


Und ein klein bisschen Lemmy steckt dann doch auch in Yannis Philippakis: Für Kollegen, die über das Tourleben jammern, habe er ja rein gar nichts übrig: „Ich will nicht gut ausgeschlafen und wie aus dem Ei gepellt von einer Tour zurückkommen". Wer sich für seine Kunst nicht auch zerstören könne, der solle es besser gleich lassen. Die Foals können es. Nur ist ihr Leben eben keine Dauertour - und das zahlt sich ganz offensichtlich aus. Die nächsten Großtaten folgen bestimmt - nach einem wohlverdienten Urlaub in der Normalität.

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