1 Abo und 3 Abonnenten
Glosse

Pferdestärken und Frauenpower

Eine Testfahrt für die FTD versetzte mich in meine feministisch bewegte Kindheit.

"Einparken mit...", der Klassiker aus der Financial Times Deutschland:

Erst bei der Parkplatzsuche lernt man ein Auto richtig kennen. Wir stellen jede Woche einen neuen Wagen ab

Als ich das letzte Mal in einem Honda saß, war das im Kindersitz auf der Rückbank. Hondas waren noch irgendwie rund und knuffig, und unserer war braun.
Und Frauen trugen Brillen mit überdimensionierten Gläsern, während sie sich über ihre Blagen lehn- ten, um sie festzuschnallen. Und dann fuhren sie zur Frauendruckerei.
Und die Frauen in der Druckerei ließen mich mit reinkommen, obwohl eigentlich nur Frauen erlaubt waren in der Frauendruckerei, weil Männer gefährlich sind und Frauen ihre Freiräume nehmen. Aber ich war wohl noch nicht so gefährlich mit zweieinhalb, und besonders viel Freiraum nahm ich auch nicht ein.
Ein bisschen knuffig ist der Honda Jazz auch, aber dabei irgendwie windschnittig, wie asiatische Kleinwagen heute so sind. Und er ist hellgrün-metallic lackiert, das soll darauf hinweisen, dass er ein Hybridauto ist und umweltfreundlich. Aber in Verbindung mit den getönten Scheiben sieht die Karre eher so aus, als wolle man beim nächsten Trancetechnorave in der brandenburgischen Provinz mal ganz dick auftragen.
Dabei meint der Wagen es durchaus ernst mit der Umwelt. Er ist der Erste in dieser Klasse mit einer Kombination aus Benzin- und Elektromotor. Und neben dem Tacho kann man einen kleinen Pegel anzeigen lassen, ob man zu heftig aufs Gas tritt oder zu stark auf die Bremse, um noch
umweltverträglich zu fahren. Bleibt man im Mittelmaß, leuchtet der Tacho grün auf, und kleine Blumen wachsen auf der Flüssigkristallanzeige daneben empor.
Nach einer Weile fährt es sich wirklich entspannt so, und wenn an der Ampel der Typ im Auto nebenan kräftig Gas gibt, um den rasanteren Start hinzulegen, denkt man: Armer Irrer, weißt du denn nicht, wie viel Sprit du gerade in die Luft pumpst? Der Honda Jazz Hybrid hat auch etwas gegen zu viel Testosteron, denke ich, ein bisschen wie die Frauen in der Druckerei damals.
Und da gibt es noch eine zweite Parallele: Auch der Hybrid kann manchmal ganz schön nerven mit all seinem gut gemeinten Ökogedöns. Umwelt hin oder her, manchmal will man ein Auto einfach treten. Das Schöne ist: Der Honda lässt auch das zu. Einmal den Bleifuß aufs Gas, und der kleine Wagen presst den Fahrer mit Unterstützung des Elektromotors ordentlich in den Sitz.
Damit ich in meinem Testosteronrausch nicht doch noch in der brandenburgischen Provinz lande, breche ich die Spritztour ab und lenke den Wagen in Richtung Hamburg, in meinen alten Stadtteil Win- terhude. Die Ecke hat sich verändert seit damals. Heute gibt es hier Boutiquen und Latte-macchiato-Cafés, und Frauen schieben Kinderwagen, die bestimmt fast so viel kosten wie damals ein kleiner Honda.
Der Jazz Hybrid lässt sich geschmeidig in die Parklücke vor dem Haus rangieren, in dem mal die Frauendruckerei war. Und er piepst laut, bevor ich der Frau mit dem Mercedes hinter mir allzu viel von ihrem Freiraum nehme. BENJAMIN DIERKS

FREITAG, 16. SEPTEMBER 2011
FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND