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Im schottischen Glasgow hat die Erzeugung von erneuerbaren Energien einen ganz besonderen Klang. Denn im Club SWG3 verdampft die entstehende Hitze beim Tanzen, Feiern und Schwitzen nicht einfach, sondern wird dafür genutzt, die gesamte Location über mehrere Tage zu heizen. „Bodyheat" nennen sie das System hier, zu deutsch also Körperhitze. Es ist das erste solche System weltweit, das in einem Nachtclub zum Einsatz kommt.
Der Geschäftsführer des Clubs, Andrew Fleming-Brown vergleicht die Anlage dabei mit einer normalen Klimaanlage, die sie auch früher schon zum Heizen und Kühlen genutzt haben. Nur dass diese eben die Hitze einsaugt und eine spezielle Flüssigkeit erwärmt, die dann in Bohrlöcher gepumpt wird, wo sie eine lange Zeit gelagert werden kann.
Eine teure Sache, die sich lohnt
Der Kern des Systems ist die Speicherung der Wärme mit Hilfe von Geothermie tief unter der Erde. Im Garten des Clubs haben sie deshalb in zwölf Bohrlöchern fast 200 Meter tief bohren müssen. Wirklich sehen kann man davon heute nichts mehr. Einzig ein Gullideckel unter dem sich verschiedene Rohre und Knöpfe befinden weist daraufhin, dass hier eine echte Innovation schlummert. Anfang Oktober haben sie das System zum ersten Mal anschalten können. Knappe drei Jahre haben Planung und Einbau gedauert.
Gekostet hat das alles knapp 700.000 Euro. Das kann sich nicht jeder Club leisten. Doch im SWG3 macht die Investition durchaus Sinn, denn mit über 500 Veranstaltungen im Jahr hat sich hier ein Hotspot für Kunst und Kultur entwickelt. Jedes Wochenende füllen internationale Artists die beiden Hallen, unter der Woche finden Ausstellungen statt, lokale Kreative haben hier ihre Ateliers und Studios - und all das kann nun mit der Energie der Besucher*innen beheizt werden. Die alte Gasheizung haben sie bis jetzt nicht wieder anschalten müssen.
Es wird mehr gespeichert, als geheizt werden kann
Die Idee für das Bodyheat-System hatte David Townsend, Gründer einer Geothermie-Beratung aus Edinburgh. Als er vom Club gefragt wurde, was er für Vorschläge hat, um das Nachtleben klimaneutraler zu gestalten, musste er an die vielen heißen Partynächte denken, die er in dem Club verbracht hat. Da wurde relativ schnell aus „Wow die bräuchten eine bessere Kühlung hier" zu „Was passiert eigentlich mit der ganzen Hitze?!" Denn wie viel Energie dabei frei werden kann, ist ziemlich beeindruckend:
"Wir speichern Freitag- und Samstagnacht mehr Hitze, als wir im Rest der Woche zum Heizen brauchen. Bei einem Event mit tausend Menschen, die tanzen, generieren und speichern wir ungefähr 800 Kilowattstunden an Wärmeenergie. Das ist ungefähr so viel wie 55 Haushalte in der selben Zeit zum Heizen benötigen. Also ja, es ist eine Menge Hitze, die wir hier speichern können."
- David Townsend
Deutsche Clubs zeigen schon Interesse
Das Projekt stößt auf großes Interesse aus der Kulturbranche und sowohl der Club als auch die Energieberatung von David Townsend bekommt regelmäßig Anfragen dazu, auch aus Deutschland. Der Berliner Queer-Club SchwuZ ist bereits in ersten Gesprächen mit den Schott*innen.
Für den SchwuZ-Geschäftsführer Marcel Weber ist die Bodyheat-Anlage dabei nicht nur ein Weg zur Klimaneutralität, sondern auch zur Autonomie. Denn er möchte hin zu einer Autonomie, in der man es schafft „gar nicht mehr von großen Versorgerstrukturen abhängig zu sein, sondern eben in Selbstverwaltung das Ganze vielleicht sogar hinzukriegen." Das SchwuZ will dabei durch die Wärme aus dem Club nicht nur die eigenen Räumlichkeiten heizen, sondern auch die umliegende Wohnungen und Büros sollen in Zukunft davon profitieren.