Die Bio-Bäckerei
Es ist die Nacht auf Dienstag, kurz vor 2 Uhr. Vor dem Ofen der Bäckerei Ährensache in Holweide singt Senad Bajramovic gegen die Müdigkeit an. Der Bäcker wartet auf den perfekten Moment, die aufgehenden Teiglinge in den Ofen zu schieben.
„Wenn
ich sie zu früh nehme, platzen sie, und das Brot hat Risse. Wenn sie zu
reif sind, werden sie flach wie Fladenbrot“, erklärt er. „Dann kann man
Frisbee spielen, aber nicht verkaufen.“
Bajramovic braucht seine
ganze Erfahrung, denn die Bäckerei Ährensache ist keine konventionelle
Bäckerei. Sie bezieht alle Rohstoffe aus kontrolliert biologischem
Anbau. Während konventionelle Großmühlen ihre Zulieferungen genau
analysieren und immer gleich mischen können, schwankt die Qualität des
Bio-Mehls naturbedingt. Außerdem gehören zum Ährensache-Sortiment auch
Backwaren, die ohne Hefe auskommen. Sie gehen langsamer und
unberechenbarer auf, bleiben dafür nach dem Backen länger frisch.
Die Holweider Bio-Bäckerei ist eine Erfolgsgeschichte. In den
vergangenen 20 Jahren hat Geschäftsführer Johannes Wenning aus dem
kleinen Familienbetrieb eine Vollkornbäckerei geformt, die in ganz Köln
Reformhäuser, Bio-Supermärkte und Restaurants beliefert. Die Anzahl der
Mitarbeiter hat sich auf 16 vervierfacht. „Wir haben eine Nische
gefunden, die funktioniert“, sagt Wenning. Wer den Preiskrieg dagegen
mitgehe, habe keine Chance.
Gegen 3 Uhr sind die Brote fertig. Das
sieht Senad Bajramovic nicht nur an der Kruste, er klopft auch auf die
Unterseite und hört, ob der typisch dumpfe Klang kommt. Regal für Regal
fährt er die fertigen Backwaren in den Verkaufsraum und zieht dabei
jedes Mal eine Wolke feuchter, warmer Luft hinter sich her. Mal mit
Kümmelduft, mal mit markantem Sauerteiggeruch füllt sich der Flur
allmählich. Aus dem gekippten Fenster hört der Bäcker schon die ersten
Vögel zwitschern.
Die Spezialitäten-Bäckerei
Am Freitagmorgen platzt die Bäckerei Zimmermann traditionell aus allen Nähten. Phasenweise stehen die Kunden bis auf die Ehrenstraße Schlange. Manches wirkt wie aus der Zeit gefallen: Hier, im Herzen einer Millionenstadt, begrüßen die Verkäuferinnen jeden Stammkunden beim Namen und lassen zum Abschied Grüße an die Frau ausrichten.
In einem Bilderrahmen an der Wand
listet der Rabbiner auf, welche Backwaren garantiert koscher sind,
„Zertifikat gültig bis Erev Pessach 5774“. Doch das größte
Erfolgsgeheimnis des Familienbetriebs in fünfter Generation ist das
Rheinische Schwarzbrot, das die Zimmermanns nicht nur deutschlandweit an
Privatkunden, sondern auch an Supermärkte und Feinkostläden im gesamten
Rheinland liefern.
Eine Kundin aus dem Kölner Norden kauft heute
Morgen gleich zehn Packungen des berühmten Vollkornbrots. „Das Einzige,
was ich einfriere, ist Butter und Schwarzbrot“, sagt sie. „Das ist so
kernig.“ Eine der nächsten Kundinnen bestellt zwölf Pakete und lässt 33
Euro im Laden – Umsätze, die wenige Bäcker so schnell einnehmen.
Ulrike Ritter, Tante der geschäftsführenden Zimmermann-Brüder und gute Seele des Verkaufsraums, nennt die Qualitätsmerkmale eines Handwerksbetriebs als Erfolgsrezept: keine Backstraße, keine Backmischungen, keine Fertig-Teiglinge. Und: „Wir profitieren von der Tradition.“
Die Hingucker-Bäckerei
Genau 117 Grad müssen es sein. Auf diese Temperatur
muss der Gasherd der Meisterbäckerei Bergheim in Lindenthal das
Zuckerwasser erwärmen, damit Keiko Yasuda-Busch die klebrige Masse
weiterverarbeiten kann. Die Konditorin hat kein Thermometer, kennt aber
einen Trick: Wenn sie durch den Trichter pustet und das Zuckerwasser
Bläschen bildet, dann ist es warm genug. Yasuda-Busch rührt, wartet,
probiert es aus. Beim dritten Versuch fliegen zwei Zuckerwasser-Bläschen
durch die Backstube. Schnell dreht sie den Herd zurück und gießt den
süßen Brei zum Eischnee in die Rührmaschine – noch Mandelgries dazu, und
fertig ist der Grundteig für die Macarons, ein französisches
Baisergebäck.
Vor sechs Jahren hat die Meisterbäckerei Bergheim die
Konditorin aus Japan eingestellt, um auch Hochzeitstorten und Süßwaren
anbieten zu können. Es war eine der guten Ideen, die Geschäftsführerin
Monika Bergheim hatte, um die Bäckerei an der Ecke in einen
erfolgreichen Hingucker-Laden zu verwandeln.
Nach drei Jahrzehnten in der Marketing-Branche kam Bergheim vor zehn Jahren zurück in den Betrieb ihres Mannes und dachte sich: „Wie sieht das denn aus?“ Sie verpasste dem Verkaufsraum und der Hauswand einen sattblauen Anstrich. Über dem Schaufenster regt ein Graffito mit Brezeln, Muffins und Tortenstücken den Appetit der Vorbeilaufenden an. Und aus dem Schaufenster grüßen knallbunte Pappmaché-Tiere, von der Chefin gebastelt. „Ich habe ein Auge dafür, wie wir unser Angebot präsentieren sollten“, ist Bergheim überzeugt. Der Erfolg gibt ihr recht: Seit ihrem Antritt arbeiten zwei Bäcker mehr in der wohl buntesten Bäckerei Lindenthals.
Die Start-up-Bäckerei
Zur Mittagszeit ist Jacques Merlet in Lindenthal in
seinem Element. „So riecht Butter, wenn sie rauskommt“, erfreut sich der
Bäckermeister am leicht säuerlichen Duft der frischen Croissants aus
dem Ofen. Ein Fach darunter sind auch die Baguettes inzwischen knusprig
gebräunt. Genau rechtzeitig, denn so bekommt die Kundin im Verkaufsraum
auch mitten am Tag noch zwei ofenfrische Brote – ungewöhnlich für eine
Backstube, die der Meister um zwei Uhr in der Frühe betreten hat.
Mit
großem Aufwand und etwas Mut hat sich der Franzose vor zwei Jahren den
Traum vom eigenen Betrieb verwirklicht – inmitten schwieriger Zeiten für
kleine Bäckereien. „Ich hatte nicht viel zu verlieren“, erzählt Merlet
schmunzelnd. Nach mehr als 20 Jahren in verschiedenen deutschen
Bäckereien hatte er keine Lust mehr, nur noch mit Fertigmischungen zu
arbeiten. „Das hat keine Seele, keine Liebe“, kritisiert er. „Dann
lieber weniger backen, aber dafür selbst erstellen.“
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