Völlig überraschend veröffentlichte Devonté Hynes alias Blood Orange Ende Juni sein neues Album „Freetown Sound" digital, für das er ohnehin erst kurz vorher den 01. Juli als Termin verlautbart hatte. Dieser Modus des Albumerscheinens online mit nur wenig Vorlaufszeit oder sogar ganz ohne Ankündigung ist mittlerweile nicht unüblich, sondern viel eher en vogue (siehe Drake, Beyoncé, Kendrick Lamar) - umso schöner ist es natürlich, wenn das Werk dann auch noch erstklassig ist wie das neue von Blood Orange.
Exemplarisch für das Album kann „Desiree" stehen. Exzessiver Keybordeinsatz, ein funky Beat und eingetreute Interviewaufnahmen bestimmen den Sound dieses Songs. Die Spoken-Word-Strophen und der ätherische Refrain bei „Augustine" bilden ein sich tief verneigendes Michael-Jackson-Tribut und sind Neo-R'n'B allerhöchster Güte. Auch Prince scheint hin und wieder durch die Songs hindurch wie durch einen lichtdurchfluteten, weißen Raum mit wehenden Chiffonvorhängen. Das klingt jetzt sehr esoterisch, ist auch absolute Geschmackssache; so sind die sexy gehauchten Vocals bei „E.V.P." schon beinahe eine Portion zu viel des Guten, aber ins Gesamtbild passt der Song bestens.
Dennoch ist diese Grundästhetik doppelbödig, denn „Freedom Sound" ist alles andere als ein harmloses Kitschalbum. Dev Hynes holt auf dem Album zum Rundumschlag gegen (institutionellen) Rassissmus in den USA, überkommene Geschlechterbilder, Sexismus und Religion aus. Geografischer Ausgangspunkt für das Album ist Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Hier wurde Hynes' Vater geboren, seine Mutter stammt aus Guyana. Die von Migrationserfahrungen und -erzählungen geprägte Biografie findet auf „Freetown Sound" exponiert Ausdruck.
Anders als Beyoncé in „Lemonade" oder Kendrick Lamar auf „To Pimp A Butterfly" thematisiert Blood Orange seine Wut im Bauch kryptischer und unterschwelliger. Statt mit einer durchaus zu erwartenden Schärfe und nachvollziehbaren Vehemenz plakativ zu kritisieren, lassen in erster Linie die Field Recordings, Radiomitschnitte und andere Aufnahmen Nachdruck und Entschlossenheit verspüren. Wer zum Beispiel bei „Hands Up" richtig hinhört, entdeckt im flauschigen 80er-R'n'B Bedrückendes. „Are you sleeping with the lights on baby?/ Hands up, get up, hands up, get up/ Keep your hood off when you're walking cause they/ Hands up, get up, hands up, get up", heißt es im Refrain des Songs, der in Aufnahmen einer Black-Lives-Matter-Demonstration mündet: „Don't shoot! Don't shoot!"
Nach der abschließenden Reprise „Better Numb" ist der Bedarf an Falsett und 80er-Zuckerguss für absehbare Zeit gedeckt. Ob das nun gefällt oder nicht - in Sachen R'n'B kommt niemand um Blood Orange herum. Durch die politische Dimension von „Freetown Sound" gilt das nur umso mehr.
Zum Original
Exemplarisch für das Album kann „Desiree" stehen. Exzessiver Keybordeinsatz, ein funky Beat und eingetreute Interviewaufnahmen bestimmen den Sound dieses Songs. Die Spoken-Word-Strophen und der ätherische Refrain bei „Augustine" bilden ein sich tief verneigendes Michael-Jackson-Tribut und sind Neo-R'n'B allerhöchster Güte. Auch Prince scheint hin und wieder durch die Songs hindurch wie durch einen lichtdurchfluteten, weißen Raum mit wehenden Chiffonvorhängen. Das klingt jetzt sehr esoterisch, ist auch absolute Geschmackssache; so sind die sexy gehauchten Vocals bei „E.V.P." schon beinahe eine Portion zu viel des Guten, aber ins Gesamtbild passt der Song bestens.
Dennoch ist diese Grundästhetik doppelbödig, denn „Freedom Sound" ist alles andere als ein harmloses Kitschalbum. Dev Hynes holt auf dem Album zum Rundumschlag gegen (institutionellen) Rassissmus in den USA, überkommene Geschlechterbilder, Sexismus und Religion aus. Geografischer Ausgangspunkt für das Album ist Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Hier wurde Hynes' Vater geboren, seine Mutter stammt aus Guyana. Die von Migrationserfahrungen und -erzählungen geprägte Biografie findet auf „Freetown Sound" exponiert Ausdruck.
Anders als Beyoncé in „Lemonade" oder Kendrick Lamar auf „To Pimp A Butterfly" thematisiert Blood Orange seine Wut im Bauch kryptischer und unterschwelliger. Statt mit einer durchaus zu erwartenden Schärfe und nachvollziehbaren Vehemenz plakativ zu kritisieren, lassen in erster Linie die Field Recordings, Radiomitschnitte und andere Aufnahmen Nachdruck und Entschlossenheit verspüren. Wer zum Beispiel bei „Hands Up" richtig hinhört, entdeckt im flauschigen 80er-R'n'B Bedrückendes. „Are you sleeping with the lights on baby?/ Hands up, get up, hands up, get up/ Keep your hood off when you're walking cause they/ Hands up, get up, hands up, get up", heißt es im Refrain des Songs, der in Aufnahmen einer Black-Lives-Matter-Demonstration mündet: „Don't shoot! Don't shoot!"
Nach der abschließenden Reprise „Better Numb" ist der Bedarf an Falsett und 80er-Zuckerguss für absehbare Zeit gedeckt. Ob das nun gefällt oder nicht - in Sachen R'n'B kommt niemand um Blood Orange herum. Durch die politische Dimension von „Freetown Sound" gilt das nur umso mehr.