Benedict Weskott

M.A., Freie:r Journalist:in, Berlin

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Die Künstlergruppe Artscenico stellt "50 Menschen" aus

In der Performance "50 Menschen" können die Besucher 50 Menschen aus Dortmund wie Kunstwerke betrachten. Foto: Artscenico

Am Anfang steht die leere Halle des Depot. Nur Hocker stehen in der Mitte, die Zuschauer warten an den Seiten. Nach der Einführung durch den künstlerischen Leiter Rolf Dennemann beginnt der Einlauf der Exponate. Eine Rampe fungiert als Laufsteg, dazu erklingt Fahrstuhlmusik. Schon hierbei beginnt auch im Zuschauerraum der Reflexionsprozess grundsätzlicher Dinge: Was fällt bei einem Menschen zuerst ins Auge? Lässt sich von reinen Äußerlichkeiten auf den Charakter einer Person schließen? Wie lang darf ein Blick sein, bevor er aufdringlich wirkt?

Nach und nach füllt sich der „Ausstellungsraum“ mit Leben und den lebenden Ausstellungsstücken. Bunt gemischt ist die Menge, alt, jung, groß, klein, stehend, im Rollstuhl, mit hellerer und dunklerer Hautfarbe. Als sich bei jedem Stuhl und jeder Nummer ein Mensch eingefunden hat, wirkt das Depot wie eine Skulpturenhalle kurz vor der Ausstellungseröffnung.

Augenkontakt ist ein schwieriges Terrain

Dann beginnt der spannende Teil. Das Publikum darf den Ausstellungsraum durch zwei Zugänge betreten und sich so lange umschauen, wie gewollt. Anschauen ist in dieser Performance Konzept und nicht weniger problematisch als im Alltag. Zumindest in der Theorie. In der Praxis bleibt es trotz des explizit gewollten Musterns der Exponate bei einem ständigen Abwägen, wie lange ein Blick dauern kann oder darf. Augenkontakt ist ein schwieriges Terrain. Und einem Blick standzuhalten erst recht.

Am einen Ende der Halle gibt es zu jedem Exponat einen Steckbrief. Darauf sind die Merkmale aufgelistet, die einen Menschen „ausmachen“, aber viel weniger aussagen, als der tatsächliche zwischenmenschliche Kontakt. Manche geben alles preis: Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Hobbys und Anzahl der Kinder. Andere halten sich eher bedeckt. „Größe: real 168 cm, sonst je nach Gefühlslage“, steht hier.

Plötzlich wechseln die Rollen


Oder: „Hobbys: Gucken und manchmal auch Nichtgucken“. „Verteilen Sie sich bitte alle im Ausstellungsraum und bleiben Sie eine Minute stehen“, wird das Publikum nach einiger Zeit aufgefordert. Plötzlich wechseln die Rollen: Die Zuschauer werden selbst zu Exponaten. Die Teilnehmer der 50-Menschen-Performance gehen nun durch die Ausstellung. Als zuerst die Zuschauer und dann die Exponate den Ausstellungsraum verlassen, bleibt die Leere zurück. Und die Frage, die schon das Programm stellt: „Wann ist wer und wo noch authentisch?“


Eine weitere Performance gibt es am Sonntag (1. 11.), 18 Uhr, im Depot, Immermannstraße 29.

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