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Stoppt Amazon, bevor es zu spät ist

Symbolfoto (c) Adobe Stock

In Frankreich formiert sich eine breite Front gegen Amazon. Gewerkschaften, PolitikerInnen und NGOs wollen verhindern, dass der Internetgigant während der Krise den Einzelhandel ruiniert. Der Black Friday wurde nun um eine Woche verschoben.

Menschen, die zu Hause bleiben müssen und bei Amazon Bücher, Kleidung oder elektronische Geräte bestellen, bei Amazon Filme streamen oder Musik hören - Jeff Bezos' Traum wurde durch Corona Wirklichkeit. Amazon hat seine Gewinne vervielfacht, sicher geparkt in Steuerparadiesen.

Dass Amazon den stationären Einzelhandel und insbesondere den Buchhandel umbringt ist nichts Neues, die Dynamik hat jedoch durch die beiden Lockdowns einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Kampf gegen diese Entwicklung hat sich nun in Frankreich eine regelrechte Front formiert.

Bereits Ende Oktober verordnete die französische Regierung den zweiten harten Lockdown: Nur Supermärkte und lebenswichtige Geschäfte durften offenhalten, dazu kamen noch drastische Ausgangsbeschränkungen. Gleich zu Beginn des neuerlichen Lockdown appellierten viele, auch die Buchhandlungen geöffnet zu lassen. Doch Präsident Macron blieb hart. Daraufhin musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, Amazon einen roten Teppich auszurollen.

Aufruf „Stoppt Amazon"

Mitte November veröffentlichten PolitikerInnen, GewerkschafterInnen, NGOs, aber auch BuchhändlerInnen, AutorInnen und VerlegerInnen einen gemeinsamen Appell, Amazon endlich zu stoppen. „Die Covid-Krise sollte uns helfen, unser Konsumverhalten und unser Sozialleben grundlegend zu überdenken," forderten die insgesamt 120 UnterzeichnerInnen. In der Petition werden die Arbeitsbedingungen, der Überwachungskapitalismus und der Schaden, den Amazon der Umwelt zufügt, heftig kritisiert.

Als erster Schritt wird die Einführung einer Sondersteuer auf den Umsatz von Amazon gefordert. Auch die anderen Online-Handelsriesen, die aus der Krise Profit schlagen, sollen auf diesem Weg zusätzlich besteuert werden. Die Sondersteuer würde es ermöglichen, sowohl Maßnahmen zur Erhaltung der Beschäftigung zu finanzieren, als auch einen Solidaritätsfonds für lokale Geschäfte ins Leben zu rufen.

Im Visier der Kampagne steht auch der 27. November, der sog. „Schwarze Freitag", an dem Sonderangebote den Online-Handel überschwemmen. Der Black Friday kam ursprünglich aus den USA, wo er zum Thanksgiving-Wochenende den vorweihnachtlichen Konsum mit Rabattaktionen einläutet. Besonders Amazon wirbt schon Wochen vorher für diesen Ausverkaufstag und setzt damit den gesamten Einzelhandel enorm unter Druck. Riesen wie Amazon können bei den Rabatten die Bedingungen diktieren, kleinere Händler sind gegen die Großmacht chancenlos.

Verlust von Arbeitsplätzen

In Frankreich hatte Amazon bereits 2019 beim Online-Handel einen Markanteil von 22 Prozent und erzielte einen Umsatz von 7,7 Milliarden Euro, was im Vergleich zu 2018 eine Steigerung von 17 Prozent bedeutete. Durch die Coronakrise nimmt die wirtschaftliche Bedrohung durch Amazon deutlich zu. Der stationäre Handel schlittert in Insolvenzen, Arbeitsplätze gehen verloren.

Laut der Stoppt-Amazon-Petition vernichtet der Konzern für jeden Arbeitsplatz, den er in Frankreich neu schafft, bis zu 4,5 bereits bestehende Arbeitsplätze. Dazu kommt, dass die Beschäftigten bei Amazon, in Frankreich ebenso wie überall anders, unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten.

Amazon Frankreich plant, bis zum nächsten Jahr 19 neue Verteilungszentren eröffnen. Laut Berechnungen der NGO Attac, die sich ebenfalls im Kampf gegen den Giganten stark engagiert, könnte das mehr als 100.000 Arbeitsplätze vernichten. Diese Lager, so Attac weiter, werden fast 2 Milliarden zusätzliche importierte Produkte vertreiben.

Die schlecht bezahlten Jobs, die sich Amazon rühmt, dabei zu schaffen, sollen in Wahrheit schrittweise durch Roboter ersetzt werden: Der Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von 10 Jahren vollautomatische Lager zu haben.

Für seine neuen Lager sucht sich Amazon gezielt strukturschwache Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit aus. Dort stehen zahlreiche billige Arbeitskräfte zur Verfügung und folglich akzeptieren LokalpolitikerInnen diese Niederlassungen. Sie rechtfertigen dies auch durch die lokalen Steuern, die dadurch eingehoben werden können.

Amazon bringt jedoch seine Gewinne zum Großteil in Steuerparadiesen unter und zahlt proportional deutlich weniger Steuern als die anderen Handelsbetriebe vor Ort. Im Durchschnitt führen alle Online-Riesen mittels Steuerschlupflöchern nur halb so viel Steuern ab wie ansässige Betriebe. Das bedeutet einen Verlust an Steuereinnahmen für den Staat, obwohl gerade jetzt in der Krise die Steuermittel dringend benötigt würden. Durch die aggressive Strategie Amazons verlieren in Wahrheit alle: der Staat, die Gemeinden - und am schlimmsten die ArbeitnehmerInnen, weil der Kampf um die Marktmacht auf ihrem Rücken ausgetragen wird.

Gewerkschaften

Doch je stärker Amazon wächst, desto mehr formiert sich der Widerstand. Bereits während des ersten Lockdown im Frühjahr standen die Zeichen in einigen französischen Verteilerzentren zwischen den Gewerkschaften und Amazon auf Sturm. Die Gewerkschaften klagten, weil das Unternehmen gesetzliche Mindeststandards zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit nicht befolgte. Amazon schloss vorübergehend alle Verteilerzentren in Frankreich, erst nach langen Verhandlungen einigte man sich mit den Gewerkschaften auf verbesserte Hygiene- und Sicherheitsstandards für die Belegschaft.

Generalsekretär Laurent Berger von der CFDT, dem größten französischen Gewerkschaftsbund, appellierte in einem Interview mit dem Radiosender France Inter, die Weihnachtseinkäufe dieses Jahr nicht bei Amazon zu tätigen: „Wir müssen alles dafür tun, dass wir ein Weihnachten mit so wenig Amazon wie möglich haben." Berger kritisierte auch die negativen Auswirkungen des Schwarzen Freitag auf den stationären Handel und auf das kollektive Konsumverhalten. Er fordert eine Regulierung Amazons, und zwar sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, sowie eine Gewinnbesteuerung des Konzerns, denn: Nur an den guten Willen der KonsumentInnen appellieren wird auf die Dauer nicht ausreichen.

Steuern

In Frankreich wurde bereits 2019 eine Besteuerung der Internet-Giganten Google, Apple, Facebook, Amazon („Taxe GAFA") ins Leben gerufen. Die französische Regierung kämpft für die Einführung einer solchen Steuer auf europäischer und internationaler Ebene, denn nur mit international konzertierten Steuern kann der Steuerflucht der Multis Einhalt geboten werden.

Bruno Le Maire, Wirtschaftsminister der wirtschaftsliberalen Regierung unter Emmanuel Macron, ging kürzlich in einem Radiointerview so weit, die Internetriesen als „Gegner der Staaten" zu beschreiben: „Eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts", so führte Le Maire aus, „ist die Entstehung digitaler Giganten, die so mächtig sind wie Staaten, sowohl finanziell, als auch technologisch und kommerziell." Folglich müssen diese Konzerne gerecht besteuert werden, und zwar auf dem gleichen Niveau wie die französischen Unternehmen. Le Maire zeigte sich zuversichtlich, diesen Kampf zu gewinnen, denn für ihn ist „die Frage des Kampfes gegen die digitalen Giganten nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische, soziale und finanzielle Frage."

Buchhandlungen

Zurück zu den Buchhandlungen, die den Schaden durch Amazon am meisten zu fürchten haben: Die französischen BuchhändlerInnen haben sich zu Beginn des zweiten Lockdown heftig gegen die Schließung gewehrt. Unterstützung bekamen sie aus der Politik, u.a. von Anne Hidalgo, der Bürgermeisterin von Paris, die sich verärgert zeigte, dass Amazon von der Krise profitiert. In einem Interview mit dem Sender BFM.TV forderte sie deshalb die KonsumentInnen auf, nicht bei Amazon zu kaufen: „Ich sage es ganz deutlich: Amazon ist der Tod unserer Buchhandlungen und unseres nachbarschaftlichen Lebens." Auch die französische Kulturministerin Roselyne Bachelot sprang den BuchhändlerInnen bei und riet ebenfalls ab, bei Amazon zu kaufen.

Nach vehementen Protesten versprach die französische Regierung den unabhängigen BuchhändlerInnen, die Versandkosten für bestellte Bücher zu ersetzen. Dies sollte es kleinen Händlern ermöglichen, mit großen Internetplattformen in Konkurrenz zu treten. Die Proteste führten dazu, dass auch Supermärkte keine Bücher verkaufen dürfen. Trotzdem haben mehrere große französische Supermarktketten Solidaritätsaktionen ins Leben gerufen: Sowohl Buch- als auch andere kleine Einzelhändler können ihre Produkte kostenlos über die Apps bzw. Internetplattformen dieser Supermarktketten vertreiben.

Black Friday verschoben

Der Einzelhandel hatte die Regierung im November gedrängt, die Geschäfte rechtzeitig zum Schwarzen Freitag am 27. November wieder zu öffnen, um den HändlerInnen eine Chance zu geben, an diesem Tag der Sonderangebote einigermaßen konkurrenzfähig zu sein. Was aber gleichzeitig bedeutet hätte, dass die KundInnen die Geschäfte stürmen. Bei der aktuellen sanitären Lage in Frankreich keine empfehlenswerte Lösung.

Nun haben die HändlerInnen einen ersten Sieg errungen: Man konnte sich mit der Regierung einigen, den Schwarzen Freitag um eine Woche auf den 4. Dezember zu verschieben. Auch Amazon Frankreich hat angekündigt, dieser Vereinbarung folgen zu wollen.

Präsident Macron hat seinerseits verlautbart, dass die Geschäfte am Wochenende des 28. November wieder aufsperren dürfen. Macron hat dabei ausdrücklich - und das ist ein weiterer Erfolg für die Kulturwirtschaft - ein Bekenntnis zur Kultur, und damit auch zu Büchern, als „lebenswichtigen Gütern" abgelegt. Schrittweise soll das Land im Dezember und Jänner aus dem Lockdown geholt werden. Und Weihnachten? Die Buchhandlungen und der Einzelhandel werden nun vom Weihnachtsgeschäft profitieren können. Der Slogan der Gegner des Internetriesen lautet: #NoelSansAmazon, auf Deutsch: #WeihnachtenOhneAmazon


Wer zu Weihnachten bei österreichischen Händlern einkaufen möchte, findet hier eine kleine Auswahl an Webseiten, die Online-Shops listen: Nunu Kallers Ladenliste für den heimischen Handel Die Onlineshop-Fibel des Falter Die Initiative „Kauft regional" will heimische Produzenten ausdrücklich gegen die Onlinegiganten unterstützen.

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