Dorle Knapp-Klatsch

Fachjournalistin für Kultur und Natur

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Ballett: 16x DER Sterbende Schwan – THE DYING SWANS

Ballett: 16x DER Sterbende Schwan – THE DYING SWANS

Der sterbende Schwan - The dying Swan – mit Musik von Camille Saint-Saëns dauert nur wenige Minuten. Er wurde als Paradestück für die russische Ballerina Anna Pawlowa geschaffen. Sie soll dieses kleine Stück 4.000 x aufgeführt haben.



Sterbende Schönheit, nachgetanzt von sämtlichen Primaballerinen der Welt.
Der sterbende Schwan - The Dying Swans Project - Bridget Breiner - Fotos: Jeanette BakThe Dying Swans Project - Bridget Breiner - Fotos: Jeanette Bak

Richtig getanzt, ist es ein Wunder an Harmonie, Eleganz und Gefühlen. Elegant sackt sie am Schluss mit überkreuzten Händen zusammen. Sie hebt noch einmal den Kopf und lässt ihn dann grazil sinken.
Eric Gauthier hatte diesen Anblick vor Augen, als er seinen Tänzern ankündigte, dass sie wegen des Lockdowns die nächsten drei Monate nicht vor Publikum tanzen können. 16 Köpfe sinken hinunter.


Der sterbende Schwan ... da kam Eric Gauthier eine Idee.

Innerhalb kürzester Zeit trommelte er 8 Choreografinnen und 8 Choreografen zusammen, die für seine 16 Tänzer je ein Solostück choreografieren sollten. Hinzu kommen 16 Komponistinnen, die jeweils die Musik für einen Solotanz schreiben. Einzige Vorgabe: „Sterbender Schwan, exakt 3 Minuten Dauer“. Diese Solostücke werden gefilmt von 16 Filmemacherinnen, die jeweils ihre eigene Handschrift mit hinein bringen.


Der sterbende Schwan - The Dying Swans Project - Eric GauthierThe Dying Swans Project - Eric Gauthier

In Nullkommanix arbeiten 64 Kreative aus unterschiedlichen Berufen mit unterschiedlichen Einstellungen an einem Projekt – 16 Tänzerinnen, 16 Choreografinnen, 16 Komponistinnen, 16 Filmemacherinnen! Ganz abgesehen von der Mannschaft im Hintergrund, die Eric Gauthier in einem Film vorstellt.


6 Stücke tanzen die Tänzerinnen live auf der Bühne des Theaterhauses, die übrigen werden in Filmen vorgestellt. Jeder Film ist ein Original, denn jede der 4 Künstlerinnen gibt dort ihren Blickwinkel mit hinein.


Der sterbende Schwan – meine Lieblinge

Mir gefallen alle Choreografien ausgesprochen gut, manche aber noch besser. Die Umsetzung des sterbenden Schwans finde ich besonders gut gelungen in:


Hochfliegen - himmelwärts
Der sterbende Schwan - The Dying Swans Project - Nicki Liszta (c) Photo Jeanette Bak PressThe Dying Swans Project - Nicki Liszta (c) Photo Jeanette Bak Press

Eine Frau sitzt da in einem Pullover, dessen Ärmel weit über die Hände hinausgehen. Lange Schläuche in Weinrot hindern sie am Aufstehen. Sie tanzt im – coronabedingt - menschenleeren Stuttgarter Hafen. Dieser Schwan ist verletzt, versucht, sich aufzurappeln, sinkt immer wieder nach unten. Dann liegt der Kopf auf einer Schiene oder in einer Teerspalte. Die traurigen Augen der Tänzerin gehen ans Herz. Der Schluss ist aufbauend. Sie dreht sich um die eigene Achse und lässt die Armschlaufen mitschwingen. Es sieht nach einer wild gewordenen Windmühle oder Spirale aus, kurz vor dem Abheben. Fliegen – als letzte Wunschvorstellung.
In Schönheit sterben.


The Dying Swans Project - Nicki Liszta : OBLONG BLUR
Tanz: Louiza Avraam
Choreographie, Bühne und Kostüme / Choreography, Stage and Costume design: Nicki Liszta und backsteinhaus produktion
Komponist / Composer: Heiko Giering backsteinhaus produktion
Videograf / Video artist: Christopher Bühler backsteinhaus produktion


Der Schwan will nicht sterben
Der sterbende Schwan - TheThe Dying Swans Project - Dominique Dumais (c) Photo Jeanette Bak PressThe Dying Swans Project - Dominique Dumais (c) Photo Jeanette Bak Press

In einem Betonsilo schaut er sich gehetzt und verzweifelt um, immer auf der Suche nach einer Lücke, durch die er entweichen kann. Er flattert hoch und landet unsanft. Sein Aufbäumen nützt nichts. Er ist gefangen und stirbt am Ende keinen schönen Tod, eher einen verzweifelten, müden, einsamen Tod.


The Dying Swans Project - Dominique Dumais: Fallen Wings
Tanz: Shori Yamamoto
Choreographie, Bühne und Kostüme / Choreography, Stage and Costume design: Dominique Dumais
Komponist / Composer: Julia Kent
Videograf / Video artist: Anna Stradinger


Der sterbende Schwan liegt quietschlebendig auf dem Rücken
Der sterbende Schwan - The Dying Swans Project - Itzik Galili (c) Photo Jeanette Bak PressThe Dying Swans Project - Itzik Galili (c) Photo Jeanette Bak Press

Zu sehen ist lediglich ein Tutu, und das auch noch von der Unterseite – shocking!
In der Mitte kommen erst die Zehen heraus, dann die Füße bis zu den Oberschenkeln. Und die haben den Rhythmus im Blut. Sie tanzen zur Musik, streicheln sich hinterher zur Belohnung die Waden. Alles sehr lustig und kurzweilig, denn es ist neu und überraschend, einfach ein Hingucker. Zum Glucksen! Nach dem Motto: „Was kommt als Nächstes?“
Ein Schwan, der auf dem Rücken liegt, und sich dabei pudelwohl fühlt. Gestorben wird ein andermal.


The Dying Swans Project - Itzik Galili: Emovere
Tanz: Isabela Szylinska
Choreographie, Bühne und Kostüme / Choreography, Stage and Costume design: Itzik Galili
Komponist / Composer: Sigal Goldsobel
Videograf / Video artist: Rainhardt Albrecht-Herz


Alle 16 Filme finden Sie auf dem Theaterhaus Stuttgart-YouTube-Kanal


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