Kenia ruft: Die ehemalige britische Kolonie ist heute der Wirtschaftsmotor des ganzen Kontinents. Nicht nur Google und Vodafone drängen in den Markt, auch chinesische Firmen versuchen sich festzusetzen. Steht nach der Wahl Kenyattas nun alles auf dem Spiel?
Einem Mantra gleich wiederholt Carole Kariuki: Back to work, back to work! "Die Menschen sollen einfach wieder arbeiten gehen. Nicht demonstrieren. Friedlich bleiben. Ruhe bewahren", sagt die Chef-Lobbyistin des Verbands kenianischer Privatfirmen ( KEPSA) in Nairobi.
Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in Kenia sind nur wenige Stunden alt. Nach offiziellen Auszählungen heißt der Sieger Uhuru Kenyatta. Uhuru heißt Freiheit, sein Familienname bedeutet auf Suaheli "Licht Kenias". Doch die Opposition wirft dem 51 Jahre alten Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta Wahlbetrug vor und will kämpfen - friedlich, wie sie beteuert. Die Angst im Land, die Aufstände von 2007 könnten sich wiederholen, ist dennoch groß. Damals ließen ethnische Unruhen in Folge der Wahlen die Entwicklung des ostafrikanischen Staates um Jahre zurückfallen, 1100 Menschen starben, ausländische Firmen verließen das Land. Dieses Mal soll es nicht dazu kommen.
"Natürlich sind wir alle angespannt und wissen nicht, was in den nächsten Tagen passiert", sagt Kariuki. An manchen Orten seien kleine, friedliche Demonstrationen. Die Menschen blieben aber ruhig - sie müssten wieder arbeiten gehen, dann sei es gut. Back to work, sagt sie mit demonstrativem Nachdruck. Kariuki weiß, was auf dem Spiel steht: "Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht und wollen es nicht verspielen." Die Wirtschaft im Land floriere, man konkurriere jetzt mit den "big players" des Kontinents: Südafrika, Nigeria, Ghana. Das soll auch in Zukunft so bleiben.
"Man konzentriert sich wieder mehr auf Landwirtschaft"Afrika ist nach Meinung vieler Ökonomen wieder der Kontinent der Hoffnung. "Africa rising" - die Auferstehung Afrikas, titelte kürzlich der Economist. "Africa calling" - Afrika lockt, schreibt die Financial Times. Während Europa und die USA unter Finanz-, Banken- und Schuldenkrisen ächzen, floriert der lange Zeit vergessene Kontinent - und Kenia ist mittendrin. Das Land, das viele Deutsche nur aus Filmen wie "Jenseits von Afrika" oder auch der "Weißen Massai" oder von Werbeprospekten mit einer phantastischen Tierwelt und den schönsten Stränden der Welt kennen, wird zum Wirtschaftsmotor eines Kontinents.
Eine schnell wachsende Bevölkerung, sinkende Kindersterblichkeit ( PDF) und liberale Märkte machten das mit knapp 40 Millionen Menschen große Land zum wirtschaftlichen Vorreiter in Ostafrika. Seit Jahren wächst die Wirtschaft mit etwa fünf Prozent, die Inflation hat sich nach turbulenten Jahren bei 20 Prozent gefangen und lag zuletzt bei etwa vier Prozent (Studie des Internationalen Währungsfonds als PDF). Unter Ökonomen hat sich Kenia zu einem Lieblingsschüler entwickelt: "Früher engagierte sich der Staat zu sehr in fortgeschrittenen Industrien. Man wollte zu weit nach vorne springen", sagt Jan Rieländer, Afrika-Experte von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris. Ihm zufolge fehlten damals nicht nur Angestellte mit Sachverstand, es mangelte auch an Geld und politischer Stabilität. Die Ackerarbeit wurde dagegen vernachlässigt. In den schlimmsten Fällen führte dies zu Hungersnöten. "Heute ist es besser: man konzentriert sich wieder mehr auf Landwirtschaft. Von deren Wachstum profitieren dann auch andere Sektoren."