1 Abo und 3 Abonnenten
Artikel

Comeback des Vokuhilas: In die Haare gekommen

Als ich vor ein paar Tagen einen Polizisten fragte, warum Jugendliche in der Nacht von der Isar vertrieben werden, antwortete er: „Mit dieser geilen Frise darfst du mir jede Frage stellen." An den Seiten sind meine Haare rasiert. Vorne sind sie kurz. Hinten lang. Für viele ist diese Frisur der lebende Beweis für schlechten Geschmack. Für mich - und für die Münchner Polizei - ist diese Frisur eine Ode an die Stilgötter. Ich trage Vokuhila. Und bin stolz drauf.

Der Vokuhila („vorne kurz, hinten lang") wurde immer wieder totgesagt und war dann wieder angesagt. Nach seinem Trend-Höhepunkt in den achtziger Jahren und einer Bad-Taste- Phase in den nuller Jahren ist der Schnitt zurück. Alt und jung, reich und arm, Hipster und Gangster: Der Club der Vokuhila-Träger ist ein Querschnitt - oder besser Längsschnitt - der deutschen Gesellschaft. Zum Club der Nackenspoiler, wie die Frisur verniedlichend auch genannt wird, gehören heute internationale Prominente wie Demi Lovato und Miley Cyrus. Und ich. Der Vokuhila ist nicht nur Kult - diese Frisur ist Kultur.

Mein Britney-Spears-Moment

Was hat es mit der Frise auf sich? Ich trage den Vokuhila nicht, weil er angesagt ist. Ganz im Gegenteil. So wie sich Britney Spears nach einer nervenaufreibenden Zeit den Kopf kahl rasierte, wollte ich mir meine Haare auch ganz abschneiden. Stattdessen ließ ich sie mir von einer Freundin nach einem nervenaufreibenden Projekt vorne kurz und hinten lang schneiden. Ein Glas Wodka in der rechten, eine Zigarette in der linken Hand. Modern Talking dröhnte durch die Lautsprecher meines Laptops. Oberkörperfrei auf einem Küchenstuhl, Maschine an, Seiten wegrasiert. Mein Britney-Spears-Moment. Oder besser gesagt: mein Maaskantje-Moment.

Das niederländische Dorf Maaskantje dürfte jedem Millennial bekannt sein. Es war Schauplatz für die Serie „New Kids". Von 2007 bis 2012 randalierte dort eine Gruppe von fünf jungen Männern aus den neunziger Jahren in Trainingsanzügen, mit Kippen und Billigbier. Ihr primitives Verhalten brannte sich auf ewig in das Gehirn einer ganzen Generation ein. So wie ihre Vokuhilas. Wenn ich mit meinen 26 Jahren durch Nymphenburg laufe, höre ich, wie mir junge Leute hinterherrufen: „So ein großer Feuerball, Junge." Eine Anspielung auf die Serie. Und ein Kompliment an mich.

Zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit

Seien wir mal ehrlich: Neue Frisuren sind dazu da, sich wohlzufühlen und Aufmerksamkeit zu generieren. Doch der Vokuhila ist nicht nur ein Anlass für trashkulturelle Sprüche. Nach „New Kids" wurde es still um die Frisur. Bis das Virus kam. Und mit ihm der Hype um die Netflix-Dokumentation „Tiger King", eine der am häufigsten gestreamten Serien der Welt. Man brauchte damals dringend etwas Aufmunterung, Ablenkung, Trash. Außerdem suchte man nach Ideen für die wuchernde Haarpracht. Und wer konnte da ein besseres Vorbild sein als Joe Exotic, der Hauptdarsteller der Doku? Zwischen „Tiger King" und der Idee, sich selbst einen Vokuhila zu schneiden, liegt nur eine Haaresbreite. Denn diesen Schnitt kann man sich halbwegs vernünftig im Spiegel selbst beibringen. Gut, mir wurde er geschnitten, aber ich hätte es auch selbst machen können - ideal in Zeiten der Abstandsgebote.

Zum Original