1 Abo und 3 Abonnenten
Artikel

Jugendliche nach dem Corona-Lockdown: "Wenn eine Streife kommt, verstecken wir den Alkohol"

In ganz Deutschland treffen sich wieder junge Menschen in Parks und auf Plätzen, sie trinken Bier, rauchen Shisha, tanzen, knutschen, lachen, feiern. Die Feierwut ist einerseits verständlich: Viele Jugendliche konnten aufgrund der Pandemie ihre Träume und Pläne nicht verwirklichen, sie mussten sich in Schule, Ausbildung oder Studium auf neue, oftmals erschwerte Lern- und Arbeitsbedingungen einstellen. Kinder- und Jugendärzt*innen berichten von einer enormen Zunahme von psychiatrischen Erkrankungen.

Andererseits kam es bei den Partys im Freien immer wieder zu Verstößen gegen die geltenden Corona-Regeln. In Regensburg musste die Polizei eine Party mit 500 Menschen auflösen. In einigen Städten entlud sich der Frust über die Maßnahmen in Gewalt gegen die Ordnungskräfte. In München, Regensburg und Stuttgart flogen Flaschen. Auch in Hamburg, Ulm, Heidelberg, Frankfurt, Wien, Düsseldorf, Hannover und Berlin kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Feiernden.

Was geht vor in der Jugend, die sich jetzt offenbar nicht mehr an die Regeln halten will? Das haben wir junge Menschen in München, Regensburg, Hamburg und Frankfurt gefragt.

Jan*, 16, Schüler, steht am Freitagabend mit acht Freunden auf dem Neupfarrplatz in Regensburg. Immer wieder parkt die Polizei direkt vor ihnen.

Wenn die kommt, läuft es meistens so ab: Man zeigt sich einsichtig. Man sagt: "Okay, wir gehen gleich." Und wenn sie fahren, macht man einfach weiter. Wir Jungen waren jetzt mehr als ein Jahr solidarisch und haben aufgepasst, unsere älteren Mitmenschen nicht anzustecken. Aber meine Großeltern, meine Eltern, meine Geschwister, die sind mittlerweile alle geimpft. Inzwischen ist es mir einfach scheißegal. Es reicht mir, ich will jetzt endlich wieder mit meinen Freunden draußen Spaß haben.

Überall in der Regensburger Innenstadt gibt es ein Alkoholverbot und viel Polizei, die das kontrolliert. Dann verstecken wir den , in der Hosentasche oder im Rucksack. Ich habe wenig Verständnis für das Verbot. Die Maskenpflicht ist aufgehoben, die Kontaktbeschränkungen sind gelockert, warum darf ich hier nichts trinken? In Restaurants und Bars darf man Alkohol trinken, aber hier draußen nicht - das ist doch unfair.

Es hat sich so viel Frust aufgestaut mit Lockdown, Homeschooling, den ganzen Beschränkungen und Streit mit den Eltern. Den lässt man einfach an der Polizei aus. Jan

Warum es uns so schwer gemacht wird, uns draußen zu treffen, verstehe ich nicht. Es ist nicht wirklich entspannt, wenn Polizei und Ordnungsamt die ganze Zeit rumfahren. Deswegen meiden wir später am Abend oft die Innenstadt und gehen zu jemandem nach Hause. Viele von uns hatten deshalb Ärger mit ihren Eltern. Die wollen auch nicht, dass viele Leute zusammen bei ihnen zu Hause sind. Ich habe selten Freunde mit nach Hause gebracht, mein Stiefvater ist Hochrisikopatient.

Ich kann es nachvollziehen, wenn es zu Zusammenstößen mit der Polizei kommt. Es hat sich so viel Frust aufgestaut mit , Homeschooling, den ganzen Beschränkungen und Streit mit den Eltern. Den lässt man einfach an der Polizei aus.

Man fühlt sich als Jugendlicher von der Regierung manchmal im Stich gelassen. Ob das jetzt Ausgangsbeschränkungen sind oder die fehlende Unterstützung in der Schule, auch mentale. Manchmal sitze ich in meinem Zimmer und heule. Weil einfach alles scheiße ist und ich mich einsam fühle. Ich brauche die Zeit mit meinen Freunden. Heute ist das erste Mal, dass wir richtig trinken sind. Das ist ein komplettes Fest.

Felix, 17, angehender Azubi, raucht Shisha mit zwei Freunden an der Isar in München

Wir haben gerade keinen Bock mehr, zu Hause rumzusitzen. Ich meine: Wann hat angefangen? Da war ich 16 Jahre alt und heute bin ich 17 und fange bald eine Ausbildung an. Die Jugend soll die beste Zeit des Lebens sein. Ich habe das Gefühl, genau diese Jahre werden mir genommen.

Corona-Regeln wie die Ausgangssperre haben für mich anfangs schon Sinn gemacht. Stattdessen habe ich mit einem Kumpel viele Raptexte geschrieben, Beats gebaut und das Ergebnis dann aufgenommen. Ich dachte mir: "Chille ich dann halt nicht so viel mit anderen Leuten. Das halte ich schon aus." Es ist aber gar nicht so einfach, so lange zu verzichten. Das ist total scheiße für uns.

Zum Original