3 Abos und 9 Abonnenten
Artikel

Pop - Plitsch, platsch

Es gibt auf den ersten Blick keinen Grund, warum man dem Song Summertime Magic über seine Dauer von 3 Minuten und 34 Sekunden hinaus noch eine Sekunde mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Auf der Textebene entfaltet sich ein zuckersüßes Wortgemisch aus „love", „summertime", „valentine", musikalisch plätschert er relativ ambitionslos vor sich hin. Steckte hinter diesem Song nicht Childish Gambino, wäre er nicht weiter der Rede wert. Und hinter Childish Gambino der Mann, der vor einigen Monaten den wahrscheinlich eindrücklichsten musikalischen Kommentar zum Amerika der Gegenwart abgeliefert hat: Donald Glover.

Im Video zu This is America tanzte Glover mit blankem Oberkörper und weit aufgerissenen Augen durch Szenen einer Nation am Rande des Nervenzusammenbruchs. 340 Millionen Menschen haben sich auf Youtube angesehen, wie in diesem Amerika gute Miene zum bösen Spiel gemacht wird. Wie der Gospel-Chor selig zur Feel-Good-Hymne schaukelt und im nächsten Moment von einem Maschinengewehr durchlöchert wird. Wie die Tatwaffe nach einer Exekution in einem samtroten Tuch verschwindet und Donald Glover vor einem weißen Mob in die Dunkelheit flieht. This is America ließ einen atemlos zurück. Und jetzt also Summertime Magic?

Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch Glovers künstlerische Biografie zieht, dann, dass man sich nicht damit aufhalten sollte, Menschen das zu liefern, was sie von einem erwarten. Das liegt vielleicht daran, dass Glover schlechte Erfahrungen mit Schubladen gemacht hat. Er war Autor für das Satireformat The Daily Show und die Sitcom 30 Rocks, bevor er 2008 sein erstes Mixtape Sick Boy veröffentlichte. Egal ob als Autor oder Musiker, immer wieder musste er sich anhören, er benehme sich nicht schwarz genug, nicht „southern" genug. Das änderte sich erst mit seiner Serie Atlanta, die gerade für 16 (!) Emmys nominiert wurde. Hier fand Glover eine eigene Form, die Lena Dunham sehr gut auf den Punkt gebracht hat, als eine Serie, „die sich mit dem Schwarzsein in den USA auseinandersetzt und dabei zwischen schmerzvollem Drama und supersurrealen David-Lynch-Momenten hin- und herspringt". Dunham sagte im gleichen Zug außerdem: „That's not a genre - that's Donald."

So verhält es sich auch mit der Musik von Childish Gambino. Waren seine ersten Alben mit dem Begriff Rap noch ganz adäquat umrissen, war Awaken my Love, das 2016 erschien, in ganz anderen Sphären unterwegs. Kosmischer Funk traf auf kreischende Gitarren, Rap wurde abgelöst durch einen stellenweise völlig unberechenbaren Soul. Summertime Magic und das zeitgleich erschienene Feels Like Summer sind also zwei neue Songs auf einer musikalischen Reise, von der wir noch nicht wissen, wo sie hinführen soll.

Leider hat die Internetgemeinde ein Problem mit Ergebnisoffenheit. Die Konsequenz: Sie analysiert die so unbeschwert daherkommenden Songs jetzt auseinander. Der letzte Stand beim Verfassen dieses Textes: Es gibt einen guten Zwilling ( Summertime Magic) und einen dunklen Zwilling ( Feels like Summer).

In der Anmutung unterscheiden sie sich kaum, aber in den Zeilen des Letzteren versteckt sich ein warnender Pessimismus, der lapidar die ganz großen Themen anschneidet (Wasserknappheit, Bienensterben und Erderwärmung). Fazit: Es geht also doch um was. Dem einen oder anderen scheint es dabei zu helfen, für ein paar Minuten zu dieser so federleichten Musik zu entspannen.

Zum Original