Die goldene OVO-Eule funkelt im Sonnenlicht, während Roy Woods vor dem YAAM in einem Strandstuhl sitzt. Klar: Der junge Kanadier identifiziert sich voll und ganz mit seinem Label, seine Loyalität zu Aubrey Graham ist bedingungslos. Und dennoch steht die Goldkette in einem gewissen Widerspruch zu seinem sonst so bodenständigen Auftreten. Seit 2015 zählt Woods zum erlesenen Kreis an OVO-Künstlern, mit seinem Langspiel-Debüt "Say Less" (2017) überzeugte er - und doch macht der 22-Jährige, so scheint es, gar keine Anstalten, abzuheben. Vor seiner Premieren-Show in Berlin haben wir uns mit Roy Woods über seine erste Begegnung mit dem "6ix God", Michael Jackson-Vergleiche und Liebe unterhalten.
Roy Woods, in der Vergangenheit hast du immer wieder betont, dass du unbedingt mal nach Europa reisen möchtest. Nun hast du mehr als zwei Wochen auf der anderen Seite des großen Teichs verbracht. Wie gefällt's dir?
Ich liebe Europa! Es ist wunderschön hier, am liebsten würde ich für immer bleiben. Das Wetter ist überragend, die Leute sind nett - es ist hier einfach... anders. Die Luft ist rein, das Wasser ist sauber. Naja gut, zumindest sauberer als zu Hause. (Lacht.)
Schon sehr früh in meinem Leben habe ich Gedichte geschrieben, sodass es mir von Anfang an leichtfiel, Songs zu schreiben. Als ich etwa 15 Jahre alt war, habe ich mir selbst beigebracht, zu singen, bis ich mir irgendwann sagte: "Ich will rappen!" Das habe ich mir dann ebenfalls selbst beigebracht. Bis heute weiß ich zwar nicht, wie mir das gelungen ist, aber: Ich hab's geschafft. (Lacht.) Seitdem habe ich immer weiter an meinen Skills gefeilt. Und jetzt bin ich hier! (Lacht.)
Wer sind deine Idole?Michael Jackson ist mein absoluter Favorit. In meinen jungen Jahren habe ich kaum Rap gehört - meine Mum hat's mir verboten. In ihren Ohren war die Sprache schlicht und ergreifend zu vulgär. Wörter wie "Bitch" oder "Fuck" wollte sie nicht hören.
Was hast du dir stattdessen angehört?Soul, Reggae, teilweise sogar Gospel - das ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin.
Was inspiriert dich, abgesehen von Musik?Am meisten Inspiration bekomme ich, indem ich meine Heimatstadt verlasse, die Welt bereise und erkunde. Außerdem liebe ich es, Animes und Filme zu gucken. Generell liebe ich alles, was einen visuell beruhigt.
Was die Stadt charakterisiert ist, dass sie in einen nördlichen und einen südlichen Teil gesplittet ist. Im Norden stehen viele schöne, moderne Einfamilienhäuser, im Süden vornehmlich ältere Gebäude - aus den frühen Neunzigern. Ich bin im südlichen Teil von Brampton aufgewachsen. Einige der Häuser dort sind buchstäblich so alt wie ich.
Lebst du immer noch in Brampton?Momentan pendele ich zwischen Mississauga (PartyNextDoors Heimatstadt, Anm. d. Red.) und Brampton hin und her.
Indirekt hast du gerade schon dein Alter angesprochen. Im April hast du deinen 22. Geburtstag gefeiert. Hattest du jemals einen "Plan B"?Ich wäre auch gerne Koch oder Barkeeper geworden. Mir hat zwar mal jemand gesagt: "Mach das auf keinen Fall, das ist schrecklich!" Ich persönlich liebe es aber, Drinks zu mixen. Ein ganz anderes Feld, das mich interessiert, ist Psychologie. Ich find's super spannend, über unseren Verstand und unsere Psyche zu lernen. Wahrscheinlich ist es sogar genau das: An eine Universität gehen, um Psychologie zu studieren, wenn es mit der Musik nicht hingehauen hätte...
...was aber passiert ist. Schon vor drei Jahren hast du bei OVO Sound unterschrieben, dem Label, das von Drake, Oliver El-Khatib und Noah "40" Shebib gegründet wurde. Wie ist OVO auf dich aufmerksam geworden?Oliver hat mir eines Tages eine DM auf Instagram geschrieben. Super random. Er meinte so was wie: "Hey Mann, schick uns doch mal ein paar deiner Tracks." Wenig später hat er mich von meinem Apartment abgeholt, zu der Zeit wohnte ich nämlich in Downtown Toronto. Wir haben abgehangen und uns übers Leben unterhalten - ganz normales Zeug. Danach habe ich Oliver noch ein paar Mal getroffen, immer wenn ich im OVO Store in Toronto war. Irgendwann meinte er beiläufig: "Wir wollen dich bei OVO Sound unter Vertrag nehmen. Was meinst du?" Ich dachte mir nur: "Damn! Ist das real?!" Ich meine, ich war damals gerade erst 19 geworden, fühlte mich noch wie ein 18-Jähriger. Das war total verrückt.
Kannst du dich noch an deine erste Begegnung mit Drake erinnern?Logisch! Das war beim Videodreh für "Energy". Überall standen Trailer und aus einem kam plötzlich Drake raus. Ich sah ihn und mein Herz begann sofort zu rasen. Er schaute mich einfach nur an, lächelte und sagte: "Hey Mann, was geht ab?"
Wie ist Drake als Boss?Er ist überragend. Ich sehe ihn aber an sich als ganz normalen Typen an, genau wie ich einer bin. Bei OVO sind wir alle eine große Familie. Alle lieben einander.
Und wie ist es, mit Drake Zeit im Studio zu verbringen?Tatsächlich waren wir bis heute noch kein einziges Mal zusammen im Studio. Wir sind beide sehr busy, haben viel zu tun - so hat es sich bis jetzt einfach noch nicht ergeben. Aber, hey: "The time shall come!" (Lacht.)
Es gibt nicht das eine Wort, um ihn zu beschreiben, weil ich denke, dass meine Musik viele verschiedene Vibes vermitteln kann. Das einzige Wort, das mir immer wieder in den Sinn kommt, ist vielseitig - was aber wiederum kein Wort ist, um einen Sound zu beschreiben. Ich suche also selbst noch nach der richtigen Charakterisierung. Bis dahin würde ich sagen, dass mein Sound exotisch ist.
In deinen Texten geht es häufig um Liebe, in verschiedensten Formen. Wie definierst du Liebe?Das ist eine echt gute Frage! (Lacht.) Liebe kann so vieles sein, Bro. Man kann Liebe erst verstehen, wenn man sich selbst liebt. Ich habe mich früher gehasst, konnte kaum in den Spiegel schauen. Mittlerweile liebe ich mich. Es ist auf jeden Fall ein Prozess, um zu diesem Punkt zu gelangen. Für mich ist es ein Segen, dass ich mich endlich selbst liebe. Jetzt habe ich nur noch eine Aufgabe: Mich zu verlieben. (Lacht.)
Auf "Monday To Monday" sagst du: "I got my mind on my money, N*gga, from Monday to Monday / Thinking 'bout my money, go to Church on a Sunday." Wie religiös bist du?Früher war ich extrem religiös. Ich bin wirklich oft in die Kirche gegangen. Das ist jetzt aber nicht mehr so - dafür gibt es diverse Gründe.
Direkt im Anschluss an die oben zitierte Line sagst du: "Popped an ecstasy pill, Xans when I wanna." Wie regelmäßig konsumierst du Drogen?Ich habe im September letzten Jahres aufgehört, Drogen zu nehmen, als ich an meinem Album "Say Less" gearbeitet habe. Ich rauche immer noch Weed und trinke Alkohol, aber ich schmeiße keine Pillen mehr ein. "Monday To Monday" habe ich aber schon vor etwa zwei Jahren aufgenommen, was erklärt, warum ich auf dem Track sage, was ich sage.
Kein bisschen. Ich sehe das so: Wenn du auf ein Roy Woods-Konzert gehst, weißt du, was du bekommst. Ich habe immer eine Botschaft, ich rede immer über konkrete Dinge. Instagram ist Instagram. Man sollte nicht den Fehler begehen, sich ein Profil von jemandem anzuschauen und unmittelbar Rückschlüsse zu ziehen, was für eine Person das ist. Stattdessen sollte man lernen, eine Person für das zu schätzen, was sie in Wahrheit ausmacht - und sie nicht danach beurteilen, wie sie sich in den sozialen Netzwerken präsentiert.
Es ist kaum zu überhören, dass Michael Jackson dich enorm inspiriert. Du meintest auch mal, dass "Off The Wall" eins deiner Lieblingsalben ist. Einige deiner Tracks, mir kommt da vor allem "Little Bit of Lovin" in den Kopf, könnten glatt als MJ-Songs durchgehen. Du wurdest auch schon vielfach mit dem "King of Pop" verglichen. Wie kam es dazu, dass du dich mit Michael Jackson und seiner Musik auseinandergesetzt hast?Ich bin auf YouTube gegangen! (Lacht.) Ernsthaft, als ich seine Musik das erste Mal hörte, dachte ich mir: "Was ist das?!" Ganz davon zu schweigen, dass meine Mom früher immer Michael gehört hat - ich bin damit aufgewachsen. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich angefangen, mir meine eigene Meinung zu bilden und mit verschiedenen Sounds zu experimentieren. Musik von Biggie, Pac oder Bone Thugs-N-Harmony habe ich mir genauso gerne angehört. All das habe ich aufgesaugt wie ein Schwamm.
"Take Care" von Drake. Ohne Zweifel. Und nein, das sage ich nicht nur, weil ich bei OVO unter Vertrag stehe. Das war schon immer so, "Marvin's Room" ist schon immer eines meiner absoluten Lieblingslieder. Diese Platte ist wirklich alles, was ich damals durchgemacht habe und wie ich mich gefühlt habe, als es erschien. Ich weiß noch, wie ich mir damals sagte: "Woah, hier weiß jemand genau, was ich momentan durchmache." Ich war 15 Jahre alt und konnte das einfach nachempfinden, weil ich erst kurz zuvor begonnen hatte, Gras zu rauchen, Alkohol zu trinken und auf Partys zu gehen.
Was verbirgt sich hinter "Unlock The Underground (UTU)"?Das ist ein Kreativkollektiv. Ursprünglich fing alles damit an, dass wir Musik machen wollten. Mittlerweile machen wir von allem etwas: Wir haben Fotografen, Videografen, Produzenten, einen DJ, einen Manager und - abgesehen von mir - noch weitere Rapper und Sänger; zum Beispiel TRIPSIXX und DRIPSIXX. Alle kommen aus Toronto und Umgebung, aus ein und demselben erweiterten Freundeskreis. Wir machen, was wir lieben - für unsere Freunde, Familien und die Stadt. Ein gemeinsames Mixtape ist in der Entstehung. Das wollen wir auf jeden Fall noch dieses Jahr droppen, allerspätestens Anfang 2019.
Du hast kürzlich zwei Singles releast, "Snow White" und "Russian Cream". Wann können wir mit deinem nächsten Solo-Projekt rechnen?Mein nächstes Album werde ich definitiv innerhalb des nächsten Jahres veröffentlichen. Es wird auf jeden Fall anders als "Say Less" sein. Ich will nie einen Vibe wiederholen. Was ich aber versprechen kann ist, dass es Flavors von allen meinen bisherigen Werken haben wird.