Annika Fröhlich

Freie Journalistin, Fürth/Ansbach

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In Roßtal ist ein Kraut gewachsen

Beete im Museumshof sind nach mittelalterlichem Vorbild angelegt - 13.06.2018 06:00 Uhr

ROSSTAL - In Roßtal am Museumshof gibt es einen ungewöhnlicher Garten: Heilkräuter gedeihen dort. Als Vorbild diente eine Beschreibung aus dem 9. Jahrhundert. Viele interessierte Besucher bewunderten jetzt die Beete und ließen sich von Reinhard Baumann deren Besonderheiten erläutern.

Reinhard Baumann erläuterte den Besucherinnen den Heilkräutergarten, der nach einer Beschreibung des Abtes Walahfrid Strabo angelegt worden ist. © Foto: Annika Fröhlich

Trotz großer Hitze fanden überraschend viele Besucher den Weg zum Roßtaler Museumshof, wo sie Reinhard Baumann vom Heimatverein erwartete. Er kümmert sich seit 2012 um den Garten und erläuterte den Gästen die Anlage, die 2004 entstand.

Walahfrid Strabo war zwischen 838 und 849 Abt in Reichenau. Er beschrieb in Versen einen Klostergarten - nach diesem Vorbild wurde auch der Klostergarten zur 1050-Jahrfeier in Roßtal angelegt.

Baumann betont allerdings gleich vorneweg, dass die Bezeichnung "Klostergarten" in Roßtal eigentlich falsch ist, denn dort existierte nie ein Kloster. Als im elften Jahrhundert allerdings die erste große Kirche gebaut wurde, gab es damals ein holzgeschnitzes Hochgrab, das viele Pilger anlockte. Deshalb waren Mönche und Nonnen zur Aufsicht vor Ort, doch zu einem Klosterbau kam es in Roßtal nie.

Deswegen passt der Begriff Heilkräutergarten besser, in dem 24 ausgewählten Gewächse genau nach Strabos Beschreibungen angeordnet sind. Einzig die Honigmelone tauschten die Roßtaler aufgrund des Klimas aus, statt ihr gedeiht nun dass Eisenkraut. Die Kultpflanze galt im Mittelalter als mystisches Kraut und passt deswegen gut in den Garten. "Vielleicht können wir in zwei, drei Jahren auch mal den Anbau von Melonen probieren", meinte Baumann schmunzelnd angesichts der hohen Temperaturen.

Auf den Tafeln im Kräutergarten findet jeder Besucher das originale Gedicht über die jeweilige Pflanze und eine zeitgemäße Übersetzung. Darüber hinaus hat Baumann zu jedem Beet viel zu erzählen. Als ehemaliger Drogist kennt er sich mit der kosmetischen und medizinischen Wirkung der Pflanzen aus.

So hilft Rettich gegen Erkältungskrankheit und gibt Stärke. Angeblich sollen sich die Erbauer der Pyramiden in Ägypten viel von Rettich ernährt haben. Die Frauenminze hilft gegen Menstruationsbeschwerden - daher hat sie auch ihren Namen. Zur Pflanzengattung "Minze" gehört sie nicht, doch ihr Geruch erinnert daran.

Muskateller fürs Aroma

Zudem hat Baumann den ein oder anderen Tipp auf Lager. Er empfiehlt, Schafgarbe auf den Kompost zu legen, damit dieser schneller reift. Muskatellersalbei hat keine medizinische Bedeutung, war aber als Würzkraut wichtig. Baumann fordert die Besucher auf, über die Blätter zu reiben. Und tatsächlich: "Es riecht nach Muskat", stellt eine Frau fest. Das Aroma war im Mittelalter bedeutend. "Die Leute hatten ständig Angst vor vergiftetem Wasser", erklärt Baumann. "Deswegen tranken sie viel Wein, da war es egal, ob er schlecht war. Schlechten Wein konnte man mit Muskatellersalbei aufpeppen."

Vor der Weinraute warnt Baumann die Besucher allerdings: Viele Menschen reagieren nämlich allergisch darauf und das Berühren kann zu hartnäckigen Pigmentflecken führen.

Nach Beenden der Führung dürfen die Zuhörer auch noch selbst schmecken, was in den Kräutern so steckt: Es gibt kleines Häppchen mit Kräutern und selbstgemachtem Kräutersalz und einen von Baumann hergestellten "Verdauungswein".

Danach weiß spätestens jeder: Auch über tausend Jahre nach Strabo sind die Kräuter immer noch nützlich und wichtig.

ANNIKA FRÖHLICH

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