Annika Fröhlich

Freie Journalistin, Fürth/Ansbach

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Roßtal diskutiert: Jeder kann Insekten helfen

Bürger, Imker, Bauer, alle sind gefordert - 10.03.2018 10:00 Uhr

ROSSTAL - Als im Herbst "Plos one", die Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science, eine Studie über das Insektensterben veröffentlichte, erschrak auch die Agenda-Gruppe in Roßtal: Die Menge der Insekten sei um 75 Prozent zurückgegangen. Der Entschluss reifte, eine Podiumsdiskussion zu veranstalten. Und diese Idee fand Anklang: Der Pfarrsaal war voll.

Wenn Insekten verschwinden, wird es irgendwann auch für Vögel eng. © Harald Sippel

Alarmierende Zahlen nannte Martin Sommer vom Landratsamt in seinem Vortrag: So gibt es in Deutschland 35 000 Insektenarten, von denen 7800 bereits auf der roten Liste stehen. Allein von den Wildbienenarten sind 50 Prozent bedroht.

- selbst für den Stieglitz, der sich überwiegend von Samen ernährt. © Frank Rumpenhorst/dpa

Zwar mag weltweit der Klimawandel ein Grund für das Insektensterben sein, in Deutschland sorgt er momentan aber sogar noch für eine Zunahme der Artenvielfalt. Insekten aus der Mittelmeergegend wandern nämlich in Deutschland ein.

Glyphosat tötet indirekt

Unter dem Stichwort Landwirtschaft lassen sich dagegen die meisten Gründe für das Insektensterben in Deutschland zusammenfassen. Pestizide sind eine Gefahr: Während Insektizide die Tiere direkt töten, tragen Herbizide indirekt zu deren Niedergang bei. Glyphosat ist zum Beispiel ungiftig für Insekten, doch mit der Vernichtung einer Ackerwildkrautart verschwinden bis zu zwölf Insektenarten.

Auch die intensivierte Landwirtschaft beschleunigt die Todesspirale. Deutschland hat seit 1990 zwölf Prozent seines Grünlands verloren. Auf diesen Lebensraum angewiesene Insekten nehmen ab. Sommer fordert deswegen ein Umdenken in der Landwirtschaft und mehr sachliche Diskussionen über das Thema. Auch eine Veränderung des Konsumverhaltens der Bevölkerung würde Früchte tragen. Nirgendwo sind Lebensmittel so günstig wie in Deutschland.

Hans Kastner vom Imkerverein hat das Insektensterben selbst beobachtet. Er ist seit 25 Jahren Imker und bemerkt eine Veränderung. "Die vorhandenen Blühflächen sind zwar gut gemeint, aber es sind viel zu wenige", sagte Kastner. Doch die Reglementierungen auf EU-Ebene seien so streng, dass die entsprechenden Flächen für die Bienen erst viel zu spät in Blüte stehen. Kastner kann sich nicht vorstellen, dass das Insektensterben groß aufgehalten werden kann: "Jeder müsste sich ändern." Doch die Imker werden weiter versuchen, die Bienen am Leben zu erhalten.

Erfahrung mit der Landwirtschaftspolitik hat auch Norbert Tresch, Bio-Bauer in Roßtal. Bezüglich der Blühflächen gebe es zu viele Vorgaben und Zwänge. So dürfe er nur bestimmte Sorten anpflanzen, die eben nicht besonders förderlich für Bienen seien.

Auch Rainer Poltz vom Landesbund für Vogelschutz sieht das Problem in der Argrarpolitik. Er fordert eine nachhaltigere Landwirtschaft. Die Gelder sollten in eine andere Richtung gelenkt werden. Denn das Insektensterben schadet auch den Vögeln, die sich von Insekten ernähren und so weniger Nahrung finden.

Verantwortung im Garten

Jakob Andreä vom Bund Naturschutz appelliert an die Bürger: "Jeder kann in seinem Garten eine insektenfreundliche Landschaft schaffen. Außerdem können wir nachhaltiger konsumieren."

Gisela Sommerschuh vom Obst- und Gartenbauverein machte allerdings die Beobachtung: "Es gibt gute Programme, wie zum Beispiel nachhaltigere Schweinezucht. Doch die Metzger bekommen das Fleisch dann nicht los, da es den Konsumenten zu teuer ist." Es könnten, sagte dazu Martin Sommer, "sich viel mehr Leute Bio leisten, aber sie fahren lieber einen SUV".

Das Publikum beteiligte sich rege an der Diskussion, das Thema Nachhaltigkeit lag den Anwesenden am Herzen: Sie appellierten an ihre Mitbürger, entsprechend anders zu konsumieren und Produkte vom Erzeuger direkt zu kaufen.

So könne der Einzelne seinen Teil im Kampf gegen das Insektensterben beitragen und nachhaltige Landwirtschaft unterstützen. Denn solange die Politik nichts ändere, müsse im Kleinen begonnen werden. "Es geht nur von unten, dass von oben etwas kommt, da müssen wir lange warten", stellt eine Teilnehmerin fest.

ANNIKA FRÖHLICH

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