Rafael Fuchsgruber ist Deutschlands erfolgreichster Wüstenläufer. Derzeit durchquert er mit seiner Partnerin Tanja Schönenborn die Namib, die älteste Wüste der Welt. Für ntv.de hat das Ultraläufer-Paar unterwegs Fragen über die bislang größte Herausforderung ihrer sportlichen Karriere beantwortet - mitten im Nirgendwo, während Hyänen vor ihrem Begleitauto herlaufen.
ntv.de: 1000 Kilometer durch die Wüste, bei Temperaturen von bis zum Teil über 40 Grad: Warum tut ihr euch das an?
Rafael Fuchsgruber: Wir laufen einfach sehr gerne, das ist unsere große Leidenschaft. Noch dazu sind Namibia und die Namib wahnsinnig schön. Deshalb hatten wir beschlossen, dass wir uns zu meinem 60. und Tanjas 40. Geburtstag etwas Schönes gönnen und gemeinsam in der Wüste feiern. Natürlich ist das Laufen anstrengend. Aber da es sowieso unsere Leidenschaft ist, ist ein bisschen mehr Leid auch nichts Schlimmes. Uns geht's gut.
Tanja Schönenborn: Als Rafael mit der Idee ankam, habe ich erst gedacht, das wäre ein Scherz. Der Samen war dann aber gesät und das Pflänzchen wuchs in meinem Hirn immer weiter: Kann man das schaffen? Wenn ja, wie wird es denn sein? Bis jetzt kann ich sagen: Es ist zwar wirklich anstrengend, aber es macht große Freude und ich bin dankbar, dass wir all das gemeinsam machen können.
Schönenborn: Super ist unsere Stimmung! Wir haben gestern die 666 Kilometer geknackt. Heute kommen noch einmal 61 Kilometer dazu. Natürlich hat man hier und da Wehwehchen, aber insgesamt ist es wunderbar.
Fuchsgruber: 1000 Kilometer durch Namibia, das kann man nur im Groben planen. Unterwegs passiert so viel. Vorgestern haben wir uns zum Beispiel verlaufen. Eigentlich wollten wir ans Meer, aber da war es viel zu neblig und kalt. Der Nebel hier ist ganz extrem, er kriecht in jedes Zelt und jeden Koffer. Am Meer mussten wir also wieder umdrehen und in die Wüste zurücklaufen, weil wir gesagt haben: Das können wir nicht machen. Abends hat uns der Nebel aber doch eingeholt und wir wurden pitschepatschenass, selbst im Zelt hat es vom Dach geregnet. Das war ein bisschen bitter. Am Cape Cross waren wir deshalb zum ersten Mal nach elf Tagen in einer Lodge, um Klamotten zu trocknen.
Schönenborn: Ja, definitiv. Gerade für mich waren die ersten Tage horrormäßig anstrengend. Ich hatte Blasen an den Füßen, wie ich sie noch nie hatte. Wir haben glücklicherweise einen Arzt dabei, der mich mit Pflastern und Tape verarztet hat. Dann tat die Achillessehne weh, dann die Knie und die Muskeln. Es ist nicht ohne und natürlich denkt man dann: Ich schmeiße jetzt hin. Schlussendlich wäre aufgeben aber sehr viel schmerzhafter als durchhalten. Ich frage mich in solchen Momenten: Wie wäre es jetzt, wenn ich nach Hause fahren würde? Nicht schön, denn ich werde mich immer fragen: Hätte ich nur die Zähne zusammengebissen, hätte ich es vielleicht doch geschafft? Das ist eine riesige Motivation für mich.
Fuchsgruber: Es gibt Probleme, es gibt Verletzungen. Es gibt auch Momente, in denen mal geheult wird und man denkt, dass die Aufgabenstellung vielleicht doch zu groß ist. Aber wie das mit Krisen so ist: Sie haben einen zeitlichen Rahmen, einen Anfang und auch ein Ende. Sonst würden sie nicht Krise heißen, sondern vielleicht Untergang. Wir überwinden Krisen regelmäßig, indem wir uns gegenseitig unterstützen oder mit uns selbst daran arbeiten, bis es wieder weitergeht. Ein Beispiel: Ich hatte das erste Mal seit 15 Jahren Wüstenlauf einen so schwachen Moment, dass ich mich an einem Checkpoint tagsüber hinlegen musste. Da habe ich tatsächlich mal 20 Minuten geschlafen. Das ist mir noch nie passiert. Ich war so fertig vom Laufen und vor allem von der Hitze der ersten Tage. Da kann sich der alte Mann auch mal hinlegen.
Schönenborn: Es ist wie ein wahr gewordener Traum. Keine Maske, keine Nachrichten, keine Beschränkungen, wir sind den ganzen Tag draußen. Es ist einfach das pure Gefühl von Freiheit. Das ist auch genau das, was die Wüste ausmacht.
Fuchsgruber: Das Projekt ist auch aus einer Krise heraus entstanden. Im Januar 2020 hatte ich einen Bandscheibenvorfall, Mitte März habe ich mit meiner Firma das vorerst letzte Konzert veranstaltet. Seitdem hatte ich keine Arbeit mehr. Kurz darauf verstarb auch noch meine Mutter, alles innerhalb von vier Monaten. Das war sehr hart. Ich bin dann alleine weggefahren, um mit der Situation klarzukommen. Damals in Südfrankreich entstand das Konzept und ich habe zu Tanja gesagt: Ich werde 60 Jahre alt, du 40 - lass uns zu unserem 100. Geburtstag 1000 Kilometer durch Namibia laufen.
Fuchsgruber: Meine Vorbereitung war relativ übersichtlich - ich habe einfach das gemacht, was ich immer mache und bin jeden Tag laufen gegangen. Manchmal waren die Strecken ein bisschen länger als sonst, es gab aber kein besonderes Konzept. Auf 1000 Kilometer kann man sich sowieso nicht vorbereiten, zumindest nicht durch physisches Training. Mental schon, und das haben wir auch gemacht.
Schönenborn: Meine Vorbereitung war leider nicht so, wie ich sie mir gewünscht hätte. Ich hatte seit Dezember arge Probleme mit einem Fersensporn, gefolgt von allen möglichen Arztsitzungen, die man machen kann. Das tägliche Lauftraining war mir dann nicht vergönnt. Ich habe stattdessen viel Zeit auf der Rolle verbracht, Indoor-Cycling also, und alles gemacht, so gut ich konnte. Ich bin trotzdem nicht mit dem Gefühl hierhin geflogen, gut vorbereitet zu sein.
Schönenborn: Es hat definitiv große Vorteile. Es gibt immer wieder Momente, in denen man sich schwach fühlt oder Wehwehchen hat - kleinere und größere. Da ist es natürlich schön, seinen Partner an der Seite zu haben. Unter der großen Anstrengung hängt man sich natürlich auch zwischendurch mal in den Haaren, das bleibt nicht aus. Wir sind schließlich 24 Stunden am Tag zusammen, und das seit über einer Woche.
Schönenborn: Jetzt und heute, nach knapp 700 Kilometern in weniger als 14 Tagen, kann ich sagen, dass ich ein bisschen härter geworden bin. Es passiert aber vor allem viel danach, wenn man wieder zu Hause ist. Man wird geduldiger und geht wesentlich entspannter mit seinem Alltag um, wenn man ihn vorher unter Extrembedingungen hinter sich gebracht hat.
Fuchsgruber: Ich glaube, ich werde noch einen weiteren Schritt tun, was meine Geduld und Demut angeht. Auch diese Erfahrung zeigt mir wieder: Wenn man sich jeden Tag gescheit um etwas kümmert, kommt am Ende auch etwas Vernünftiges dabei raus - in dem Fall die Ankunft am Ziel.
Fuchsgruber: Unser Ziel wird eine Schule am Mount Etjo im Norden Namibias sein, für die wir Spenden sammeln. Die wollen wir dort überreichen, zusammen mit ein paar Geschenken. Außerdem geht das Gerücht um, dass die Kinder dort für uns Pfannkuchen backen und mit uns essen werden. Auf meinem wird etwa 30 Zentimeter hoch Marmelade sein.
Schönenborn: Wenn wir im Ziel angekommen sind, werde ich als Erstes meine Mama anrufen. Dann hoffe ich einfach auf sehr viel Essen und noch ein, zwei Tage chillen in Namibia - einfach mal nicht laufen, sondern ausruhen. Darauf freue ich mich, und vielleicht auf ein Gläschen Sekt.
Quelle: ntv.de Zum Original