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Waldkindergarten: Mit Dinos und Einhörnern im Wald | shz.de

Jannis wartet auf seinem Baumstumpf-Thron auf den Rest der Truppe.

8.30 Uhr, 9 Grad Lufttemperatur, Regen. Auf einem Parkplatz an der Königswiller Weg stehen Jotta und Sanna unter dem großen Regenschirm ihrer Mama und warten auf die anderen Kinder aus dem Waldkindergarten. Als Erzieherin Martina Junker eintrifft, stellen die Schwestern ihr erst einmal ausgiebig ihre kleinen Stofftiere vor. Sie haben „Euli" und „Rehlina" nämlich aus dem Urlaub mitgebracht.

Der Regen wird stärker, und kurz nachdem jemand in die noch kleine Runde fragt, wo denn die anderen bleiben, fahren wie auf Kommando einige Autos auf den Parkplatz. Mamas und Omas laden ihre Sprösslinge aus, schnacken einige Minuten, verabschieden sich ausgiebig von den Kleinen und kurz darauf zieht ein dreizehnköpfiger Tross mit zwei Bollerwagen in den Wald. Die drei Betreuer und die zehn Kinder sind dick eingepackt. Die bunten Regenjacken und -hosen, Gummistiefel, Handschuhe, Hüte und Rucksäcke leuchten fröhlich bunt im neblig grün-braunen Tiergarten.

Nach einigen hundert Metern erreicht die Gruppe eine Weggabelung mit Holzpavillon. „Eule" nennen sie den Platz, weil auf einem großen hölzernen Wegweiser eine solche thront. Rucksäcke und Bollerwagen werden am Pavillon geparkt, bevor alle zum Morgenkreis zusammenkommen. „Welcher Tag ist denn heute?", fragt Erzieherin Martina. Nach kurzem Zögern kommt von einigen Kindern „Montag", bis sie sich dann auf Dienstag einigen. „Und was ist gerade unser Thema?" Da sind sich alle sicher: „Eule", schallt es durch den menschenleeren Wald. Anschließend wird ein Laternelied geübt, gemeinsam geplant, wo die heutige Reise hingehen soll, und los geht der Spaziergang.

Das trübe Wetter schlägt nicht auf die Laune. Die Kinder rennen, toben, albern, sammeln Äste und necken sich gegenseitig - und auch ein wenig die Großen. Von Spaziergängern mit Hunden werden sie immer überholt, schließlich brauchen die Kleinen Zeit, um am Wegesrand einiges zu entdecken. Gefällte Bäume und vor allem die darum verstreuten Sägemehlhaufen sind eine willkommene Abwechslung. Die sich anbahnende Sägemehlschlacht kann Martina geschickt verhindern.

Während einige im Wettrennen voraus sprinten, schlendern zwei Mädchen Hand in Hand hinterher. Verloren geht im Wahl aber niemand. Immer in Sichtweite, mit einigen hundert Metern Abstand, stehen Wartepunkte mit bunten Symbolen am Rand des Pfades. Die Kinder kennen sie gut und warten dort ohne Ausnahme und ohne daran erinnert werden zu müssen auf den Rest der Gruppe. Im Waldkindergarten seien solche Regeln besonders wichtig, erklärt die Erzieherin. Gerade auch die Abmachung, dass nichts aus dem Wald gegessen werden darf. Das gilt natürlich auch für den strahlend roten Fliegenpilz, den die Kinder finden. Sie staunen nicht schlecht, fragen noch zaghaft, ob sie wenigstens mit dem Stock mal anstubsen dürften, lassen ihn aber dann brav stehen. Schließlich gibt es auch genug andere Sachen, mit denen man spielen kann: Ein mit Moos bewachsener Baumstumpf ist die Eisdiele, eine Hand voll Farn wird zum Goldschatz, Schlamm mit einem Stock darin zum Einhorn und der Praktikant der Erzieherin zum Dino.

Vom Wald abhalten könne den Waldkindergarten nur schlechtes Wetter, erklärt Erzieherin Martina mit Blick auf die Kinder, die gerade im Regen fangen spielen und in Pfützen hüpfen. „Schlechtes Wetter sind für uns Gewitter, Sturm oder Minusgrade", ergänzt sie lächelnd.


von Anne Welkener erstellt am 16.Okt.2013 | 12:00 Uhr

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