Die technische Seite eines Fluges von Zürich nach Berlin am 27.02.2014: Den Flug habe ich vor ein paar Monaten auf der Homepage der Fluggesellschaft gebucht, bezahlt mit Kreditkarte. Ich habe einen Account der Fluggesellschaft, deshalb geht das einfach und ohne Eintippen einer langen Kreditkartennummer, einer Adresse oder spezieller Menuwünsche. 24 Stunden vor dem Flug bekomme ich von der Fluggesellschaft eine Mail, die ich (zufällig) auf meinem Telefon empfange. Deshalb checke ich auch gleich auf dem Telefon ein, ich benutze dazu die App der Fluggesellschaft. Innerhalb der App wird mir eine Bordkarte ausgestellt, die mit einem QR-Code versehen ist. Ich mache sofort einen Screenshot von der Bordkarte, weil Photos auf dem Telefon schneller zugänglich sind als die Bordkarte innerhalb der App*. Angewöhnt habe ich mir das mit dem Screenshot aber, weil man für das Laden der Bordkarte eine Internetverbindung braucht und mein Datentarif bis vor kurzem noch kein Internet im Ausland inkludiert hat.** Ich hab mir schon überlegt, den Screenshot der Boardkarte jeweils gleich als Sperrbildschirm einzurichten, aber es ist mir zu umständlich.*** Mit dem Zug fahre ich an den Flughafen. Ein Bahnticket kaufe ich in der App der Bahn, weil ich keine Zeit hatte, ein Ticket zu lösen. Denn seit die Billetautomaten Kartenzahlung akzeptieren, kaufe ich die Tickets wenn immer möglich wieder am Automaten, das geht schneller und schont den Akku. Ausserdem hat man das Papierticket (hintere Hosentasche) bei Kontrollen schneller zur Hand. Weil ich beim Fliegen immer Gepäck einchecke****, gehe ich nach der Ankunft direkt zum Bagage-Drop-Off. Dort muss ich neben meinem Bordkartenscreenshot meinen Ausweis und eine Vielfliegerprogrammmitgliederk arte zeigen, um den Schalter ohne Schlange benutzen zu können. Der Vielfliegerstatus ist also nicht in der Bordkarte vermerkt*****. Hier lasse ich mir, wenn keine Leute hinter mir warten, trotz elektronischer Boardkarte oft noch eine Papierbordkarte aushändigen. Als ich ca. 1999 einmal meinen Boardingpass verloren habe (Swissair, Heathrow), kostet das Wiederbeschaffen dieses Dokumentes etwa eine Stunde und sowas wie 100£, und man beachte den Kurs des britischen Pfund damals. Heute macht einem das Personal in wenigen Sekunden auf einem kleinem Drucker, der bei jeder Bagage-Drop-Off Station zum Ausdrucken der Gepäckidentifikationsklebebänd el verwendet wird, eine Bordkarte, zur Not auch mehrere Male.
Ich bin zurück zum Papierticket, denn wenn sich die Begeisterung für das Ticket auf dem Handy einmal gelegt hat, merkt man, dass ein Papierticket in der hinteren Hosentasche schneller und bequemer zu greifen ist als jeder Screenshot auf dem Telefon. (Telefon aus der Innentasche des Mantels klauben, Hülle öffnen, Entsperr-Code eingeben, Fotoapp öffnen, Screenshot der Bordkarte öffnen, versus: Griff in die hintere Hosentasche, fertig.)
Erstaunlicherweise hat das Papierticket immer noch die gleiche Form wie früher, also dieses längliche Querformat mit gerundeten Ecken, von dem früher beim Einsteigen rund zwei Drittel entlang einer perforierten Linie abgerissen wurden. Nur reisst heute niemand mehr etwas ab, man legt das Ticket einfach nur auf den QR-Code-Leser und steigt ein.
Was man auch noch auf Papier bekommt: Einen Teil des Bändelaufklebers, der am Gepäck befestigt wird, als Gepäckquittung. Wenn ich ein Papierticket drucken lasse, wird dieser kleine Abschnitt ganz traditionell auf die Rückseite des Tickets geklebt. (Auf der Vorderseite markiert das Personal standardmässig mit einem Kugelschreiberkringel das Gate, zu dem man jetzt gehen soll. Warum dieser Kringel nicht einfach mit ausgedruckt wird?) Wenn man kein Papierticket hat, klebt das Personal diesen kleinen Abschnitt auf ein dünnes Papierchen, das sie von einer Art Kassenquittungsrolle abreissen. Ich bitte, wenn ich nur das elektronische Ticket habe, immer darum, das Kleberchen nicht auf Papier aufzukleben, sondern klebe es - analog zum Kleben aufs Analogticket - auf die Rückseite des Telefons. So verliere ich es nicht. Das Gepäckabgeben ist der einzige Moment, an dem ich einen Ausweis brauche, denn im neuen Gate in Zürich ist der Weg zum Flugzeug ab diesem Moment mit nichts als der Bordkarte möglich: man legt beim Übergang vom öffentlichen Bereich des Flughafens zu jenem Teil, den man nur mit Ticket betreten kann, seine Bordkarte bzw. seinen Bordkartenscreenshot auf ein Lesegerät, worauf sich eine Schranke öffnet und man ohne weitere Kontrolle zum Sicherheitscheck kommt. Noch vor zwei Jahren musste man an dieser Stelle Boardingkarte und Ausweis zeigen. Am Gate dasselbe: das Personal steht zwar noch rum, aber nur eine Schranke mit QR-Leser als Zutrittsöffner gibt den Weg ins Flugzeug frei, keinerlei Ausweiskontrolle mehr. Ausser bei der Sicherheitskontrolle hat man bis im Flugzeug also keinen Kontakt mehr mit dem Bodenpersonal. Beides ist aber in Zürich erst seit der Eröffnung des neuen Gates (2013) so. Wenn man kein Gepäck eincheckt, kann man also ohne Ausweis fliegen, es wird nur die Bordkarte kontrolliert. Das heisst auch, jeder könnte unter meinem Namen fliegen.****** Im Flugzeug muss man bei Start und Landung so tun, als würde man sein Telefon ganz ausschalten. Fast alle schalten es aber nur in den Flugmodus, stecken es in die Tasche und nehmen es lange vor dem Gongzeichen, das die Benutzung (zum Musikhören etc, aber ohne Telefonieren) wieder freigibt, wieder hervor und hören weiter Musik oder machen Spielchen. Nach der Landung muss man in technischer Hinsicht gar nichts mehr tun, man steigt aus, nimmt sein Gepäck und geht nach Hause. Es klingt alles sehr kompliziert, aber im Vergleich zu vor ein paar Jahren ist es doch recht einfach geworden. Damals musste ich oft mit einem PDF des Flugtickets auf einem Memorystick in einen Copyshop eilen, weil der Drucker des Gastgebers kaputt war. Man musste damals die Tickets nämlich noch auf Papier haben, auch wenn man schon elektronisch einchecken konnte. Die Bordkarte wurde einem dann per Mail zugestellt und man musste sie ausdrucken. Man konnte alternativ zum Selberdrucken des Tickets auch an einem Eincheck-Automaten am Flughafen einchecken, wozu man, um sich zu identifizieren, einen Personalausweis von der Maschine scannen lassen musste, was nicht einfach war, weil der Ausweis keinen Strichcode enthält, sondern nur eine Zahlenfolge. Man musste dann oft lange vor den Automaten warten, vor einem ein schwitzendes Ehepaar aus Oberägeri, das den Ausweis auf alle möglichen Arten in den Scanbereich der Maschine hält.
Man könnte aber, perspektivisch betrachtet, den ganzen Bordkarten-Zauber mittlerweile einfach abschaffen, wenn man eine andere Möglichkeit fände, die Leute zu identifizieren. Wenn man also statt des Boardingpasses zb die Identitätskarte scannen könnte, könnte einfach abgeglichen werden, ob die Person einen Flug gebucht hat und fertig. Jetzt wurde der Flughafen aber grad frisch mit den QR-Scannern überall ausgestattet, man wird noch eine Weile darauf warten müssen. Noch einfacher wäre freilich ein Iris- oder Fingerabdruckscan. Man müsste dann gar nichts mehr tun, ausser mit dem Finger über eine kleine Fläche zu fahren und dann durchzugehen. Das dürfte aber aus anderen als technischen Gründen noch einige Jahre auf sich warten lassen.
* Eine ähnliche Funktionalität wie der Screenshot würde die vorinstallierte App "Passbook" von Apple bieten, die mit der App der Fluggesellschaft kommunizieren kann und einen direkten Link zur Boardkarte auf dem Sperrbildschirm anzeigt, auf Wunsch sogar ortsabhängig. Das heisst, der Link würde angezeigt, sobald man sich dem Startflughafen nähert. Das ist eine hübsche Sache, braucht aber wegen der eingeschalteten Ortungsfunktion ziemlich viel Strom. Und ausserdem weiss Apple schon genug von mir, und meine Flugtickets müssen sie nicht auch noch wissen. **Jetzt enthält er für den Aufpreis von Sfr. 9.- (von Sfr. 120.- auf Sfr. 129.-) (ja, ich weiss) pro Monat immerhin 100MB Roaminginternet, 100 Roaming-SMS und 100 Roaming-Telefonminuten.) *** Der QR-Code wäre beim Iphone weder vom Slider noch von der Uhr verdeckt, es dürfte funktionieren **** Weil das Flugzeug nicht ohne mich abfliegt, wenn ich Gepäck eingecheckt habe. Sollte das Gepäck irgendwann einmal von einem Roboter eingeladen werden, der weiss, wo genau er meine Tasche verstaut hat, wird das nicht mehr funktionieren. Im Moment aber müsste man alle Taschen ausladen und meine mühsam raussuchen, weil mit meiner Tasche, aber ohne mich darf nicht geflogen werden. ***** Ist er doch, merke ich nachträglich. Der Control Officer scheint das nur nicht zu wissen. ****** Zumindest von Zürich nach Berlin. Von Berlin nach Zürich wird der Ausweis bei der Sicherheitskontrolle oder beim Einsteigeschalter meist kontrolliert und man muss nett gucken können, um ohne Ausweis ins Flugzeug zu kommen.
(Lukas Imhof)