Anne Herrberg

ARD-Korrespondentin in Südamerika (HF), Rio de Janeiro

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Das Kartell der Nilpferde

Hacienda Nápoles: hinter dem Originaltor geht es zum Jurassic Park. /(Foto: Anne Herrberg)

Einst Schaltzentrale des internationalen Kokainhandels, heute Vergnügungspart - Pablo Escobars Hacienda Napoles buhlt um das Interesse von Touristen. Es gibt da nur ein Problem.


Die Straße schraubt sich durch die immergrünen Berge von Medellín, Kolumbiens zweitgrößter Metropole, ins Tal. Früher war die Strecke eine der wichtigsten Schmuggelrouten des Drogenhandels, heute stehen überall Militärposten. Nach drei Stunden taucht rechts ein Torbogen auf: Hacienda Nápoles steht darauf.

Darüber thront das Propellerflugzeug, mit dem Pablo Escobar in den 70er-Jahren angeblich die erste Kokainladung in die USA schmuggelte - der Beginn seiner Karriere als größter Drogenbaron aller Zeiten. Auf seiner Hacienda führte der Kopf des Medellín-Kartells mit Freunden ein dekadentes Leben, während in Ungnade Gefallene brutal ermordet wurden.

Ranger Oberdán Martinez Rosco

Nun aber erhebt sich hinter dem Original-Torbogen ein zweiter: dreimal so hoch, dreimal so breit und frisch gestrichen. "Dort, wo früher der Horror regierte, triumphiert heute wieder der Staat," tönt es aus zwei gigantischen Lautsprechern in den drückend-schwülen Nachmittag: "Die Hacienda Nápoles, heute ein Themen- und Freizeitpark."

Safari-Tour und Ponyreiten Im Zebra-Look bemalte Busse karren den Besucher über das 600 Hektar große Gelände. Auf den ersten Metern wirkt alles tatsächlich ein bisschen wie eine Safari-Tour. Wäldchen, Savannen und Seen, Papageien kreischen, die Sonne brennt vom Himmel. "Die Hacienda war total verwahrlost, zugewachsen und zerstört von Wilderern", erklärt Oberdán Martinez Rosco, ein motivierter Mittdreißiger, der als Ranger im neuen Themenpark arbeitet. Nachdem Escobar vor 17 Jahren von einem US-kolumbianischen Spezialkommando erschossen wurde, stand die Hacienda leer. 2004 fiel sie an den Staat, der verpachtete einen Teil des Anwesens vor zwei Jahren an ein privates Unternehmen. "Wir haben alles renoviert und durch neue Attraktionen ergänzt." Martinez Rosco krempelt sein Khaki-Hemd hoch und macht eine ausladende Armbewegung. Die Road-Map verspricht Wasserspiele, Fahrrad- und Reitparkours, ein Schmetterlingshaus, einen Zoo - und einen Jurassic Park. Der T-Rex brüllt wieder Ein tiefes Grollen fährt dem Besucher plötzlich durch Mark und Bein: Hinter einer Baumgruppe ist der Umriss eines Dinosauriers zu erkennen. Eine von knapp einem Dutzend lebensgroßer Plastikattrappen, die der T-Rex des Drogenhandels damals selbst bauen ließ. Nun brüllen sie wieder, aus Lautsprechern.

Der einstige Hausherr: Rauschgiftkönig Pablo Escobar Gaviria (1949-1993)

Noch allerdings erinnert hier ein Stoppschild mit fünf Einschusslöchern an die Vergangenheit, und genau die bleibt für die meisten Besucher - 80.000 haben den Park im vergangenen Jahr besucht - auch die Hauptattraktion.

Zuhause bei Escobars: Das Museum "Casa de la Memoria" der Hacienda Nápoles

Die ehemalige Dekadenz steht in Ruinen. Gustavo Homero aus Medellín ist an Escobars Villa angelangt, die Schweißflecken auf seinem Hemd werden größer. Er zeigt auf eine Reihe ausgebrannter Autos: "In diesen Toyotas hat Pablo seine Feinde zur Strecke gebracht." Und dann erzählt er, wie Escobars Cousin ihn früher aufsuchte und neue Wagen verlangte. Homero ist Autohändler. "Manchmal versteckte ich mich im Schrank, aber was sollte ich tun, Pablo und seinen Leuten konnte man nicht widersprechen. Das war eine harte Zeit."


Deutsche Welle, 16.12.2010

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