„So eine Verdichtung, so einen Schwerpunkt zu setzten, da gehört wirklich was dazu. Das ist für mich auch eine Herausforderung. Da bin ich wirklich Perfektionistin" sagt Regina Hennen über sich selbst und ihre Arbeit. Im Alten Fundamt tragen große und kleine Leinwände ihre abstrakte Kunst. Bis circa 1999 habe sie sich malerisch an den Werken von Max Beckmann orientiert, erzählt sie. Schwarze Konturen begrenzten ihre Figuren, bis Regina Hennen diese nicht mehr sehen konnte, wie sie sagt. Sie löste die Grenzen auf, sprengte die starren Umrandungen - und die Formen strömten in den Hintergrund und bildeten ein homogenes Ganzes.
von Anne-Kathrin Oestmann
Mit Anfang 20 wusste die heute 61-jährige nicht, dass sie später einmal Künstlerin werden würde. Ein Freund brachte sie auf die Idee einen Pinsel in die Hand zu nehmen und sich an der Leinwand auszuprobieren. Er studierte Film, hat sich aber in der Malerei gefunden. Regina Hennen tat es ihm gleich. Sie begann zu malen und schnell wurde klar: Sie konnte es auch. Mit Zeichnungen auf Bierdeckeln habe sie die Sonderbegabungsprüfung der Hochschule für Künste bestanden und 1987 mit dem Studium der Bildenden Kunst begonnen. Neben Selbstwertgefühl und Überzeugung fand sie hier ihre künstlerischen Schwerpunkte: Malerei und Siebdruck.
„Wenn man das einmal angefangen hat und da richtig rein springt, so wie ich das dann auch gemacht habe, kommt man da schlecht wieder raus." Kunst zu machen sei ihr Auftrag, ein Zwang, der ihre Finger zum Kribbeln bringe. Und mehr noch - etwas, das sie machen muss, das für Regina Hennen eine existenzielle Notwendigkeit ist. Sieben Tage die Woche. Von morgens sieben bis fünf Uhr nachmittags. Auch wenn sie mal nicht den richtigen Dreh bekomme, beschäftige sie sich mit ihren Arbeiten. Kunst sei ein Prozess. „Ob ich Lust habe oder nicht. Ich zwinge mich dadurch und das ist es. Dann kommt irgendwas dabei raus", sagt sie.
„Manchmal will ich da hin, die Arbeit will aber da hin." Während Regina Hennen spricht, zeigt sie mit ihrem Zeigefinger einmal in die rechte und einmal in die linke Richtung. Sie verwendet Mischtechniken, bei denen Materialien wie Aquarell-, Glas- und Acrylfarben miteinander kombiniert werden. Während des Malens hört Hennen häufig politische Debatten im Radio zu oder sie lässt nebenbei Phoenix auf dem Fernseher laufen. Der Diskurs als Hintergrundrauschen beeinflusse ihre Arbeiten. Gedankenfragmente verschmelzen dabei auf der Leinwand, sagt sie.
So auch bei den Werken ihrer aktuellen Ausstellung „Fairway", die größtenteils in diesem Jahr entstanden sind. Das Werk mit dem Titel „Urgent Orange" beispielsweise verbindet mittels des Farbkonzepts „Orange" zwei voneinander unabhängige Themen. Einerseits den Ausbruch der Corona-Pandemie - die medienseitig vorgenommene Visualisierung des abstrakten Virus verbindet die Künstlerin mit der Farbe Orange - andererseits aber auch Inhalte aus Beiträgen über den Vietnamkrieg. Zwischen 1965 und 1970 setzten die USA das chemische Entlaubungsmittel „Agent Orange" als Kampfstoff ein.
Auch wenn die neun Bilder der Ausstellung zusammenhängen, steht doch jedes für sich. Bei dem Entstehungsprozess von „Thirst" - Durst - aus dem Jahr 2018 beschäftigte sich Hennen etwa mit dem Wasserraub durch einen weltweiten Nahrungsmittelkonzern, der Wasserknappheit auf der Welt und mit der Konfrontation innerer Ängste, wie dem Verdursten, wie sie es ausdrückt.
Drei bis vier Wochen kann die Entstehung eines Bildes dauern. Dabei arbeitet die Bremer Malerin parallel an mehreren Werken gleichzeitig. „Im Grunde sind die Bilder immer relativ voll und dann reduziere ich und komme auf den Punkt. Heute weiß Regina Hennen, wann ein Bild fertig ist. Das sei nicht immer so gewesen. In der Vergangenheit habe sie noch zwei Tage vor der Vernissage Kleinigkeiten verändert. Ein Punkt mehr oder weniger könne aus einem Bild ein vollkommen anderes machen. Dass die Betrachter auf den ersten Blick erkennen, was ihre Kompositionen darstellen sollen, ist der Künstlerin besonders wichtig. „Wenn man die Titel hat, fällt es doch wie Schuppen von den Augen. Dann ist alles klar", sagt sie.
Abstrakte Kunst sei Geschmackssache. Jedoch keine Infragestellung der Qualität. Regina Hennen verdichtet, setzt ihren Fokus auf das Wesentliche, schält den Kern ihrer Arbeiten heraus und macht diesen damit sichtbar. Als kurz, knackig und bündig beschreibt sie ihren Stil. Das Feedback zu ihren Arbeiten sei gut. Nur eines fehlt der Künstlerin dabei, was sie als „Gesellschaftsdilemma" bezeichnet: Streit und Debatte. „Kaum noch jemand traut sich mal eine andere Meinung direkt ins Gesicht zu sagen." Wem negative Kritik zugeworfen werde, der müsse diese aushalten, meint sie.
In Zukunft will sich Regina Hennen wieder dem Siebdruck zuwenden. Und sonst? „Weiter arbeiten, weiter arbeiten, weiter arbeiten." Dabei wird sie sich in ihrem Wohnatelier im Fesenfeld von politischen Diskussionen beschallen lassen. Oder andere, neue Inspiration nutzen, um mehr davon zu machen, was für sie existenziell ist - abstrakte Kunst.
Noch bis zum 1. Dezember ist die aktuelle Ausstellung „Fairway" von Regina Hennen im Bio-Biss, im Alten Fundamt, Auf der Kuhlen 1a, zu den regulären Öffnungszeiten zu sehen.