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Drogeriemarkt vs. Köcherfliege: Flächenverbrauch in Dinkelscherben

Den ländliche Raum für die Menschen attraktiver machen, die Infrastruktur ausbauen - aber gleichzeitig die Natur schützen und keine Fläche verbauen: Am Beispiel Dinkelscherben wird die Herausforderung deutlich, für die Politiker eine Lösung suchen.


In Bayern verschwinden jeden Tag knapp zwölf Hektar Fläche unter Asphalt, Beton, Bausubstanz. Diesen Wert soll ein neues Landesplanungsgesetz reduzieren - und zwar auf fünf Hektar – allerdings ohne eine feste Verpflichtung für die Kommunen. Die stehen vor einem Zwiespalt: die Attraktivität von ländlichen Regionen erhalten - und gleichzeitig die Natur schützen. Dinkelscherben, eine 6.000-Einwohner-Gemeinde im westlichen Landkreis Augsburg, kämpft mit genau dieser Herausforderung.

Dritter Supermarkt oder die Köcherfliege?

Die Wiese am Ortsrand von Dinkelscherben ist zwei Hektar groß, sie beginnt hinter zwei Supermärkten, etwas weiter südlich plätschert ein Bach. Die Fläche reicht bis zu einem Umspannwerk und ist Lebensraum für bedrohte Arten wie die Köcherfliege. Genau hier sieht der Bund Naturschutz ein gefährliches Beispiel für den galoppierenden Flächenverbrauch in Bayern. Denn auf der Wiese soll bald gebaut werden, für einen weiteren Supermarkt, einen Drogeriemarkt und Parkplätze.

Wohnortnahe Versorgung und Gewerbesteuer

Der Bürgermeister der Gemeinde, Edgar Kalb, verweist auf die wohnortnahe Versorgung: Für ihn hat Priorität, dass die Einwohner seiner Gemeinde vor Ort alles bekommen, was sie zum Leben brauchen. Wenn der Investor mit seinen Plänen in Dinkelscherben nicht weiterkomme, würde er eben in die Nachbargemeinden gehen und dann müssten die Dinkelscherber dorthin fahren: Mehr CO2-Ausstoß und Verkehr, weniger Gewerbesteuer für die Gemeindekasse.

Acht Hektar Fläche für eine Umgehungsstraße

Das Thema Verkehr sorgt womöglich auch an anderer Stelle für zugebaute Flächen: Die geplante Umgehungsstraße im Osten der Gemeinde würde bis zu acht Hektar Land verbrauchen, so die Rechnung vom Bund Naturschutz. Ob die Straße den Autoverkehr wie erhofft aus dem Ortskern hält, weiß die Gemeinde erst im Herbst, nach einer geplanten Untersuchung.

Gemeinde ist auf Fördermittel angewiesen

Was jetzt schon feststeht: Für eine andere Lösung hat die Gemeinde zu wenig Geld, denn die müsste sie vollständig selbst bezahlen. Nur für eine komplette Umfahrung gibt es laut Bürgermeister Edgar Kalb die nötigen Fördermittel. Seine Forderung:

"Die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die muss man bei all dieser wichtigen Flächendiskussion einfach immer mit im Auge behalten." Edgar Kalb, Bürgermeister von Dinkelscherben

Für den Bund Naturschutz ist die Komplettumfahrung keine Lösung, denn sie führt direkt durch die Auen der Zusam, eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche mit Feuchttümpeln. Dort brüten viele Vogelarten, zum Beispiel der durch den Klimawandel bedrohte Kiebitz. Er wäre nur ein Opfer des Flächenverbrauchs, wenn es der bayerischen Staatsregierung nicht gelingt, rechtzeitig Maßnahmen dagegen zu entwickeln. 

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