Handy an, Wagen auf die Strecke: Autorennbahnen wie die "Carrera Go!!! Plus Next Race" und "Anki Overdrive" verbinden das Analoge mit dem Digitalen. Wie gut funktioniert das? Der Test.
"Carrera Go" ausprobiert: Steuerung weg, Handy raus
Carrera? Das sind doch diese lauten Autorennbahnen, mit denen meine kleinen Brüder gespielt haben? An mir ist der Fahrspaß früher eher vorbeigegangen. Doch nun stand eine Carrera-Go-Bahn in der Redaktion, eine kleine, analoge Bahn, die in Kombination mit einem zusätzlichen Streckenteil seit Kurzem auch Digitalfunktionen bietet: Um ins Ziel zu kommen, müssen mit der zugehörigen App kleine Aufgaben während des Rennens gelöst werden. Braucht es das?
Die Bahn selbst, mit rund 80 Euro eher günstig, ist ein klassisches Carrera-Produkt. Die Standardstrecke ist eine nicht allzu lange Acht mit eingebautem Looping. Die Runden auf der Acht gehen gefühlt schneller vorbei, als man mit dem gebotenen Theatralität "Ich krieg dich und mach dich fertig!" brüllen kann.
Doch irgendwann piept und summt es, am Boxenstopp blinken fünf neonblaue Striche auf. Mein kleiner, silberner Mercedes bleibt dort automatisch stehen, es gibt etwas zu tun. Erst danach kann ich weiterfahren.
Reifenwechsel unter Zeitdruck
Das Wörtchen App und die Striche leuchten unter einem Symbol, auf dem ein Rad und ein Schraubenschlüssel abgebildet sind. Das heißt: Ein Reifen will gewechselt werden - per App-Minispiel. Also lege ich kurz den Handregler auf den Boden und zücke das Smartphone. Zwanzig Sekunden habe ich Zeit, um virtuell den Reifen auszutauschen. Hektisch wische ich mit den Fingern auf den Bildschirm und versuche so, die Schrauben schnellstmöglich festzudrehen.
Es klappt. Dann landet das Handy am Boden, der Handregler wieder in der Hand. Ich drücke fest auf den roten Knopf, schon düst der kleine Mercedes davon. Situationen wie diese gibt es alle paar Runden. Schnell weiß man, was man wann zu tun hat.
Doch wie jede Carrera-Bahn bietet Go auch analoge Herausforderungen: Besonders in den ersten Minuten fliegt das eigene Auto ständig aus der Bahn. Mein Gegner, ein roter Mini-Ferrari, saust an mir vorbei ins Ziel - mein Kollege Andreas ist offenbar geschickter oder hat mehr Training.
Vom Anspruch her zielt die Go-Rennbahn vor allem auf junge Rennfahrer, auf Spieler, die erste Erfahrungen mit einer Carrera-Bahn sammeln wollen - und die im Jahr 2016 vielleicht auch eine App-Unterstützung spannend finden.
Der ständige Wechsel nervt
Mir geht es nach einigen Tests so, dass ich auf die App-Unterstützung gut verzichten könnte - was zum Glück möglich ist. Vor allem der ständige Wechsel zwischen Handregler und Smartphone nervt, immer wieder wird das Rennen durch mittel-originelle Handyspiele unterbrochen.
Mir reicht es, ab und zu mein Auto wieder in die Fahrbahn setzen zu müssen - das normale Rennen ist anstrengend genug (und anfangs nur dank der beigefügten Leitplanken erträglich). Praktisch an der App finde ich lediglich, dass mit ihr die Bestzeiten und Rundenzahlen verfolgt werden können.
Meine Rennergebnisse wurden mit der Zeit immer besser. Denn hat man erst einmal ein Gefühl für die beiden Knöpfe auf dem Handregler - einer ist fürs Gas und einer für den Turboantrieb -, macht das Fahren mit Carrera Go schon Spaß.
Auf Dauer könnte unsere Variante der Go-Bahn (es gibt noch andere) aber langweilig werden: Nachdem man ein paar Runden erfolgreich gefahren ist, die App-Spiele beherrscht und auch die weiteren, per Controller zu bewältigenden Boxenstopps gemeistert hat, gibt es nicht mehr viel Neues. Nach ein, zwei Stunden hat man alles gesehen und ausprobiert. Zudem können nur zwei Spieler gleichzeitig spielen und - im etwas unfairen Vergleich mit "Anki Overdrive" ist das ein Negativpunkt - man kann nur gegen echte Menschen antreten.
"Carrera Go!!! Plus Next Race", von Carrera, Basis-Set mit zwei Controllern und zwei Autos, circa 80 Euro
"Anki Overdrive" ausprobiert: Duelle mit dem Computergegner
Viel radikaler als Carrera Go aufs Digitale setzt ein Produkt der US-Firma Anki. Sie hat mit Overdrive eine Rennbahn konzipiert, auf der Autos auch allein fahren können, unabhängig vom Spieler. Die SuperCars genannte Wagen sind mit einer App verbunden und mit einer künstlichen Intelligenz (KI) ausgestattet. Wer will, kann daher auch allein Duelle annehmen und gegen computergesteuerte Autos fahren. Gelenkt werden die Wagen komplett per App, per Bewegung des Smartphones oder Tablets nach links oder rechts. Anders als bei Carrera gibt es keine Handregler.
Mein Test beginnt damit, dass ich die Miniautos, ein rotes und ein blaues, auf die Rennbahn stelle und die App starte. "Scan wird ausgeführt", ertönt eine mechanische Stimme aus dem Handylautsprecher. Dann fahren die Autos los und positionieren sich automatisch nebeneinander. Zwei Runden dauert es, dann kennen sie die Strecke und könnten selbstständig ihre Runden fahren.
Overdrive wirkt so wie eine Carrera-Bahn aus der Zukunft: Dank Infrarotsensoren und magnetischen Fahrbahnspuren fahren die Autos wie von Zauberhand und auch der Lautstärke-Pegel erinnert eher an Elektroautos als an Benzinschleudern.
Und wie bei "Mario Kart" gibt es Spezialobjekte, die während der Rennen eingesetzt werden: So können die gegnerischen Fahrzeuge mit virtuellen Waffen abgeschossen werden. Per "Tractor Beam" kann man bei Overdrive Konkurrenten an sich heranziehen, um sie so gezielter zu attackieren.
Wer macht das Rennen?
In einem meiner ersten Rennen trete ich als "Ground Shock" gegen den Computergegner "Skull" an. Auf dem Bildschirm ist ein Countdown zu sehen, die mechanische Stimme spricht den Text: "... 3, 2, 1, go!" Die Wagen düsen los. "Skull" schnellt durch die erste Kurve, "Ground Shock" hinkt hinterher.
Ich neige mein Handy nach links und schiebe das virtuelle Gaspedal nach oben. "Ground Shock" nimmt Geschwindigkeit auf, doch "Skull" liegt noch immer vorne. Ich quäle mich, doch die KI kommt einfach besser um die Kurven.
Schließlich schafft es mein Wagen, direkt hinter "Skull" aufzufahren, bei Overdrive können Autos nämlich auch auf derselben Fahrbahn fahren. Ich aktiviere den "Tractor Beam" und verringere so das gegnerische Tempo. Als ich gerade auf den Gegner schießen will, setzt die Beam-Funktion aus - und "Skull" flitzt davon.
Nun muss ich warten, bis sich mein Energiebalken wieder auflädt. Dann fahre ich erneut heran und nehme dem Gegner erneut das Tempo. Diesmal schaffe ich es mit der Waffe zu feuern - und die KI auszuschalten. Aus dem Lautsprecher erklingt ein Lob.
Ein cooler, aber auch seltsamer Moment, ich habe den Wagen schließlich nicht von der Strecke oder wirklich kaputtgeschossen, sondern nur virtuell lahmgelegt. Wen Overdrive glücklich machen soll, der braucht auch ein wenig Fantasie, trotz Sounds aus dem Handy und blinkenden Wagen.
Übung macht den Meister
Trotzdem zeigt die Bahn, dass Autorennen nicht nur spaßig und temporeich sein, sondern auch echtes Geschick erfordern können. Zwar braucht es Übung, bis man mit den verschiedenen Steuerungsoptionen umzugehen weiß: Dann aber können aufregende Rennen gefahren werden. Spiel und Steuerung sind dabei intuitiv.
Und auch die KI funktioniert überraschend gut. Nur ein einziges Mal gab es beim Spielen Probleme: Ein Testfahrzeug scheiterte beim Scannen der Rennstrecke, es war offenbar defekt.
Im Vergleich zu Carrera Go bietet Anki mehr Abwechslung: Man kann allein Rennen fahren oder an Turnieren teilnehmen oder - entsprechend viele Autos vorausgesetzt - gegen drei weitere menschliche Spieler antreten. Praktisch ist auch, dass die Bahn schnell auseinandergebaut und platzsparend verstaut werden kann.
Eine großen Nachteil hat Overdrive aber: Als Spieler ist man auf seinen Handyakku angewiesen. (Eine Übersicht mit Anki-Bahnen funktionierender Handys finden Sie hier.) Ohne Bluetooth lassen sich die Autos nicht zum Starten bewegen, für Multiplayer-Partien zwischen iOS- und Android-Nutzern wird ein gemeinsam genutztes WLAN benötigt.
Für sehr junge Kinder könnte das Spielsystem zudem zu kompliziert sein. Und manchmal vermisst man einen Gasregler in der Hand: Am besten wäre vermutlich eine Kreuzung aus den Systemen von Anki und Carrera.
"Anki Overdrive", von Anki, Basis-Set mit zwei Autos, circa 150 Euro