Von Trends halte ich ja bekanntlich wenig. Doch es gibt solche und solche Trends: Die einen gefallen zufällig (Tattoo-Ketten – I’m sorry!), und um die anderen wird lieber ein ganz großer Fashion-Bogen gemacht (Karomuster – not my style!). Und dann gibt es die Trends, bei denen sich für mich die Geschmacksfrage gar nicht erst stellt. So wie bei der aktuell wieder sehr angesagten Camouflage-Mode – oder anders ausgedrückt: dem Military-Style.
Camouflage kommt ursprünglich aus dem Französischen und heißt Irreführung, Täuschung oder Tarnung. Sogenannte Camoufleurs (eine Gruppe von Expressionisten, Impressionisten und Kubisten) nutzten ihr künstlerisches Know-how und entwickelten im Ersten Weltkrieg Tarntechniken für die Soldaten der französischen Armee. So wurden etwa Äste und Blätter an der Militärkleidung angebracht oder verschiedene Farben, wie Erd- und Olivtöne, zur Tarnung verwendet. Auch der bekannte Farbfleck, den wir heute meist als Camouflage bezeichnen, entstand in dieser Zeit – und wurde so zum Dessin des Krieges.
Camouflage der Sechziger – Make love, no war
Dann kamen die Sechziger Jahre: Camouflage avancierte zum Zeichen der Vietnamgegner. Auf dem militärischen Muster prangten Parolen wie „Make love, no war“. Plötzlich wurde das Kriegssymbol Teil einer Friedensbewegung – und seiner eigentlichen Bedeutung entfremdet. Den Höhepunkt der symbolischen Umkehrung vollbrachte schließlich Andy Warhol, als er 1986 sein Konterfei in Camouflage hüllte. Das Werk nannte er „Self-Portrait“ und wurde Teil einer Reihe von, nennen wir es mal, „Tarnfleck-Gemälden“. Warhol faszinierte die Illusion zwischen dem persönlichen Schutz auf der einen und der unmittelbar drohenden Gefahr auf der anderen Seite. Kriegssymbolik in Kunstästhetik wandeln – sehr Avantgarde!
Dieser Auslegung nahmen sich mit der Zeit auch die Designer dieser Welt an und rissen die Camouflage gänzlich aus ihrem militärischen Kontext. Ehe man sich versah, marschierten Models in Tarnjacken, Camouflage-Kleidern und Skinny-Pants im Tarnfleck-Look über die Laufstege. Kurze Zeit später nahmen sich die Mainstreamketten dem „Trend“ an. Heute ist Camouflage Kommerz – und wir spielen mit.
Wie war das nochmal? „Camouflage kommt ursprünglich aus dem Französischen und heißt Irreführung, Täuschung oder Tarnung." Irreführend ist für mich, Tarnkleidung zu entmilitarisieren. Täuschend ist, zu denken, dies sei okay. Und tarnend ist, sich hinter einer modischen Hülle zu verstecken und so zu tun, als habe Camouflage keine militärische Bedeutung mehr. Während fast jeden Tag hunderte Menschen im Krieg sterben, bekleidet - oder sollte ich lieber sagen „befleckt" - sich der Westen mit militärischen Alltagslooks. Das ist nicht „in", sondern in meinen Augen fast schon pervers.
Nun werden vielleicht manche entgegensetzen: Aber wir tragen doch auch andere symbolträchtige Mode, wie etwa Kreuzketten oder (neuerdings) Anhänger mit der Hand von Fatima. Das mag sein und auch hier sollte sich jeder der Symbolik bewusst sein. Nur steht das Kreuz im Christentum vor allem für die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, und die Hand der Fatima soll den Träger etwa vor Bösen Blicken beschützen. Es sind friedliche Symbole. Camouflage hingegen steht für den Krieg. Vielleicht bin ich einfach zu sehr Pazifistin. Aber dieser Trend macht mich nervös.
Was meint ihr? Ist es ok, Camouflage-Mode zu tragen? Zum Original