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Wahlplakate recyceln? Kein Interesse!

In Sonthofen wurden die Ständer der CSU bereits abgebaut. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Knapp zwei Wochen nach der Landtagswahl müssen die Plakate der Parteien wieder verschwinden. Ein Recycling wäre zwar möglich, aber die meisten landen in der Müllverbrennung.

Von Anna-Maria Deutschmann

Hubert Aiwanger hat Erde an der Nase. Ein gelbbraunes Ahornblatt raschelt über sein Gesicht und verfängt sich mit anderen welken Blättern neben seinem linken Ohr. Während der echte Vorsitzende der Freien Wähler gerade mit Markus Söder und der CSU über eine Koalition verhandelt, liegt der regungslose Plakat-Aiwanger trostlos mit Herbstlaub bedeckt in der Böschung am Straßenrand.

Nach der Landtagswahl haben die Parteien ein bis zwei Wochen Zeit, um ihre Plakate abzuhängen. Ehrenamtliche Wahlhelfer sammeln sie ein und entsorgen sie. Jede Kommune hat individuelle Fristen - in Nürnberg und Augsburg sollten sie schon entfernt worden sein, in München spätestens am 28. Oktober. Danach kann es für die Parteien teuer werden. Bis zu 50 Euro Strafe fallen pro Plakat an. Weil die Straßen zwei Wochen nach der Wahl erfahrungsgemäß noch nicht leer sind, schicken die Städte einen Rundbrief mit einer neuen Frist und einer Vorwarnung.

Wie viele Plakate insgesamt seit August über Bayern verteilt an Laternenpfählen und Großflächen hingen, ist den Parteien zufolge schwer zu beziffern. Zusätzlich zu denen der Spitzenkandidaten drucken die Kreisverbände ihre eigenen Plakate. Die Parteizentralen könnten daher nicht überblicken, wie viele Wahlplakate insgesamt im Umlauf sind. Die Grünen beispielsweise schätzen ihre Exemplare auf etwa 60 000, die SPD auf 150 000 bis 200 000 und die FW auf 50 000.

Die meisten sind sogenannte Hohlkammerplakate aus dem Kunststoff Polypropylen. Werden sie korrekt recycelt, kann man den Kunststoff wiederverwerten und neue Plastikprodukte wie Joghurtbecher herstellen. "Dadurch sind sie umweltfreundlicher als die Plakate, die in der Vergangenheit bei Wahlkämpfen benutzt wurden", erklärt Torben Bartscherer von der Druckerei Klein und Braun aus Saarbrücken, die fast alle bayerischen Parteien beliefert hat. Allerdings müsse das Polypropylen von den Herstellern recycelt werden und gehöre nicht in den gelben Sack. Viele Wertstoffhöfe können die Plakate nicht wiederverwerten und nehmen sie nur als Bauschutt oder Restmüll an. Oft landen sie dann doch in den Verbrennungsöfen.

Die Druckerei biete den Parteien daher an, die Plakate nach der Wahl zurückzunehmen und sachgemäß zu recyceln. Bisher habe sich aber keine der bayerischen Parteien gemeldet und die Möglichkeit genutzt. Auch die Bonner Firma Ascon hatte im vergangenen Jahr zur Bundestagswahl eine Recycling-Offensive gestartet und den Parteien sogar angeboten, die Wahlplakate vor Ort in ganz Deutschland abzuholen. Das Projekt hat sie mittlerweile aber eingestellt. "Zu wenig Parteien hatten Interesse am Recyceln", sagt Miriam Hündgen von der Ascon GmbH.

Biologisch abbaubare Farben? "Ganz ohne Chemie geht es nicht"

Für seine Partei lohne sich der Aufwand nicht, sagt Rainer Glaab, Wahlkampfleiter der Bayern-SPD. Er hält es für unökologisch, die Plakate aus den Ortsvereinen in ganz Bayern an eine zentrale Sammelstelle zu fahren. Wie auch die Grünen habe die SPD in diesem Jahr auf eine Alternative gesetzt: auf sogenannte Allwetter-Plakate aus gepresster Pappe und biologisch abbaubaren Farben auf Kautschuk-Basis. Da sie hundertprozentig recycelbar seien, könne man sie im Altpapier entsorgen.

Damit würden die Parteien aber nur vermeintlich etwas Gutes tun, meint Druckexperte Bartscherer. "Auch die scheinbar klimaneutralen Papp-Plakate sind Mischprodukte und enthalten Plastik oder Wachs. Ganz ohne Chemie geht es nicht, wenn sie Sonne und Regen überleben sollen." Sie dürften weder ins Altpapier noch in den Plastikmüll wandern. "Um sie korrekt zu verwerten, müsste man ein aufwendiges Recyclingverfahren anwenden, das mehr Energie verbraucht als das Verwerten der Hohlkammerplakate." Die zusammengeleimten Materialschichten müssten zuerst durch einen chemischen Prozess voneinander getrennt werden. Da fast kein Wertstoffhof diesen Aufwand betreibe, landeten die Plakate in den meisten Fällen doch im Restmüll. Letztendlich seien die Hohlkammerplakate aus Plastik also sogar umweltschonender als die Papp-Alternative - wenn sie korrekt recycelt werden.

Egal, wie sehr sich eine Partei um umweltbewusste Wahlwerbung bemüht, bleibt am Ende noch ein Problem: Die Entsorgung der Wahlplakate geschieht dezentral in den Gemeinden und ist daher intransparent. Die Landesverbände geben lediglich eine Entsorgungsempfehlung, schieben die Recycling-Verantwortung dann aber von sich und übertragen sie auf die Ortsvereine.

Dazu kommt, dass jede Kommune eine eigene Müllverordnung hat, was das Recycling noch verkompliziert. Wie sehr sich die Wahlhelfer also am Ort in puncto umweltbewusstes Recycling bemühen - ob sie zum Beispiel die Kabelbinder korrekterweise im gelben Sack oder doch mit den Wahlplakaten im Restmüll entsorgen und dem Wertstoffhof das Recycling blind überlassen - all das könne man nicht überprüfen, heißt es aus den Parteizentralen.

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