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Dorf ohne (Energie-)Sorgen: Wie sich Schlöben selbst mit Gas versorgt | MDR.DE

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Überall steigen die Strom- und Gaspreise - im Bioenergiedorf Schlöben im thüringischen Saale-Holzland-Kreis schaut man dagegen entspannter auf die Entwicklung. Die dazu benötigte Biogasanlage steht neben dem Kuhstall des Agrarunternehmens "Wöllmisse". Von dort kommt der wertvolle Mist.

In einem chemischen Prozess werden die organischen Abfälle unter Ausschluss von Sauerstoff durch Bakterien abgebaut. Dabei werden Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoffdioxid und Methan produziert. In einem sogenannten Fermenter gärt die Gülle, was zu der Produktion von Biogas führt. Sobald dieses entwichen ist, bleibt ein Gärrest zurück. Dieser dient als organischer Dünger.

Das Biogas selbst wird zwischengespeichert und dann in kleinen Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme für etwa 200 Haushalte sowie die Grundschule und den Kindergarten in Schlöben umgewandelt. Früher mussten bis zu 14 Lkw - beladen mit jeweils 25.000 Litern Öl - in die Gemeinde fahren. Heute ist dies nicht mehr nötig.

Energie aus Biogas: Zweifel zu Beginn

"Es war Zeit, wieder bürgerliches Engagement in den Vordergrund zu stellen", beschreibt Bürgermeister Hans-Peter Perschke, wie er und die Gemeinde damals mit dem Agarunternehmen 2009 die Genossenschaft "Bioenergiedorf Schlöben eG" gründeten. Das Projekt solle gemeinschaftlich ablaufen und jeder eine Stimme haben, ungeachtet der Anzahl der gekauften Anteile. So erklärt Perschke die Beweggründe, warum die Entscheidung für eine Genossenschaft fiel.

Niemals hätte ich gedacht, dass es sich so rentieren würde.

Rena Niedermeyer-Schwarze

Zu Beginn seien die Anwohnerinnen und Anwohner aber zurückhaltend gewesen und hätten nicht so recht an den Erfolg geglaubt. "Niemals hätte ich gedacht, dass es sich so rentieren würde", lacht Genossenschaftsmitglied Rena Niedermeyer-Schwarze. Dabei war Öl damals im Verhältnis etwas billiger. Erst mit den Jahren sei die Schere immer mehr in die andere Richtung aufgegangen. Nun könne sie nicht glauben, dass sie einmal daran gezweifelt habe, so Niedermeyer-Schwarze.

Aber ganz stabil bleiben die Preise auch für Biogas nicht, so Bürgermeister Perschke. "Material- und Erhaltungskosten sind teurer geworden, da sind wir gerade dabei, alles neu auszurechnen", erklärt er. Trotzdem werde der Strom in Schlöben nie so viel kosten wie in einem Dorf ohne Biogas, versichert Perschke. Noch könnten dazu keine genauen Zahlen genannt werden, da die Preise noch kalkuliert würden.

Die Kreislaufwirtschaft mit Kuhmist

Die ganze Biogasanlage brächte nichts ohne die 420 Kühe, die täglich für neuen Mist als benötigten Grundrohstoff sorgen. Dabei wollte Matthias Klippel vom Agrarunternehmen "Wöllmisse" erst eine eigene kleine Biogasanlage ohne die Gemeinde bauen. "Wir hätten den Strom verkauft und die Prozesswärme für Warmwasser an die Anlage generiert", erzählt er. Aber weil ihm das Dorf in all den Jahren nie einen Stein in den Weg gelegt habe, als es um die Erweiterung der Ställe ging, wollte das Agrarunternehmen das Projekt zusammen mit der Gemeinde gründen.

Die aktuelle Preisentwicklung der Rohstoffmärkte kann Klippel nur bedingt einschätzen: "Es ist schwer kalkulierbar. Wir haben Mineraldünger gekauft, so viel haben wir noch nie dafür bezahlt. Man kann auch davon ausgehen, dass nicht genug Düngemittel zur Verfügung standen." Die erhöhten Milchpreise erklärt sich Klippel nicht nur durch den Krieg in der Ukraine: "Zu viele Landwirte haben in den letzten Jahren aufgehört zu arbeiten, dadurch ist die Milch auch knapp geworden."

274 Biogasanlagen in Thüringen

Für Klippel war der Einsatz von Mist als Grundrohstoff nicht fremd: "Wir sind es gewöhnt, eine Kreislaufwirtschaft zu machen." Wer ein Tier hat und es füttert, müsse mit Stoffwechselendprodukten rechnen. Diese müssen wieder auf das Feld, um die Fruchtbarkeit der Böden zu gewährleisten. Das Biogas nimmt dabei nur einen kleinen Umweg.

Es ist gut, dass wir Energiekreisläufe schließen und Wertschöpfung betreiben.

Matthias Klippel vom Agrarunternehmen "Wöllmisse"

Inzwischen gibt es bundesweit 170 Biodörfer, die ihre Energie größtenteils aus Biomasse gewinnen. Laut der Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (ThEGA) stehen im Freistaat momentan 274 Biogasanlagen, die insgesamt mit einer Gesamtleistung von 137 Megawatt für klimafreundlichen Strom auf regenerativer Basis sorgen.

Heute ist das Bioenergiedorf Schlöben ein Leuchtturmprojekt für Bioenergie: Studierende schreiben ihre Bachelorarbeiten über die autarke Gemeinde, sogar Wissenschaftler aus Korea kommen hier her.

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 19. April 2022 | 18:00 Uhr

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