Mitten im Pazifik liegt Emao. Sie ist eine von 83 Inseln, die zu Vanuatu gehören, ein Inselstaat nordöstlich von Australien. Auf einer schmalen Landzunge liegt das Dorf Marow. Keine 50 Meter sind es von der einen Seite bis zur anderen. Fegen Zyklone über Vanuatu, umspülen die Wellen die Spitze der Landzunge. Hier liegt der Friedhof.
Jeffrey Daniels ist so etwas wie der Gemeinderat von Marow. Der Strandabschnitt, an dem er in seiner Kindheit Fußball spielte, liegt schon unter Wasser. Seit seiner Grundschulzeit habe die Landzunge 15 Meter verloren, sagt er. Als Schutz vor dem steigenden Wasser haben die Bewohner einen Wall gebaut.
Für Jeffrey Daniels ist klar, in 20 bis 30 Jahren wird Marow unbewohnbar sein. Die Dorfältesten haben ihren Umzug ins Landesinnere schon angekündigt. Marow ist nur einer der vielen Orte, die bedroht sind. Die Weltbank schätzt, dass bis 2050 bis zu 143 Millionen Menschen weltweit gezwungen sein werden, umzusiedeln. Dürren, Starkregen, Korallenbleiche, Anstieg des Meeresspiegels, Erosion, Zyklone. An Vanuatu lässt sich ablesen, was passiert, wenn extreme Wetterphänomene zusammenkommen. Seit Jahren führt der Inselstaat den Welt-Risiko-Index an. 2015 zerstörte oder beschädigte der Tropensturm Pam fast 90 Prozent aller Gebäude in der Hauptstadt.
Durch den Tropensturm 2015 verlor Vanuatu 60 Prozent seines Bruttoinlandproduktes. Im Institut für Meteorologie untersucht Allan Rarai die Extremwetterphänomene. Er zitiert aus einer australischen Studie von 2015.
Um genauere Aussagen treffen zu können, will das Ministerium bis 2022 mehr Studien durchführen. Über den Green Climate Fund stehen Vanuatu dafür knapp 21 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Green Climate Fund hat sich die UN darauf geeinigt, weniger entwickelte Länder wie Vanuatu dabei zu helfen, sich an den Klimawandel anzupassen.
Oxfam ist eine der Nichtregierungsorganisation, die die Inselbewohner darin unterstützen, sich auf das Extremwetter einzustellen. Eddie Carlo und sein Team sind auf dem Weg nach Emao, um Material in das Dorf Marow zu bringen. Wellblech, Zement, Kanthölzer und Nägel. Es ist eine Sisyphos-Arbeit. Nach jedem Tropensturm bauen die Bewohner ihre Häuser neu auf. Es gibt nur zehn betonierte Gebäude in Marow, die den Stürmen standhalten.
Die Bewohner, vor allem Fischer und Landwirte, fragen sich, wie sie ein sicheres Haus oder eine Umsiedlung bezahlen sollen. Und was passiert, wenn all die Anpassungen nicht reichen, um die Schäden abzufedern? Seit 2013 gibt es ein Instrument der UN-Klimakonferenz, das Hilfen für Länder wie Vanuatu bereitstellen soll. 2019 wurde der Fond bei der UN-Klimakonferenz in Madrid noch einmal neu bewertet. Mit einem nüchternen Ergebnis: In den letzten fünf Jahren standen zwar die Bedürfnisse der betroffenen Länder an vorderster Stelle.
Doch bisher ist an die Entwicklungsländer kein Geld geflossen. Sie müssen noch immer selbst für die Schäden aufkommen. Eine Partnerorganisation der Weltbank hat berechnet, dass für Vanuatu durch Extremwetter jährlich umgerechnet rund 44 Millionen Euro Kosten entstehen. Das Geld fehlt dem Pazifikstaat, um sich zu entwickeln. Auf der Nachbarinsel Pele lebt Salome Kalo. Sie ist in ihrem Dorf zuständig für Nahrungsmittelsicherheit.
Früher pflanzten Salome KalosVorfahren Maniok und Yam, ein Wurzelgemüse, auf den Bergen. Doch die Tropenstürme zerstörten die Ernte.
Heute bauen die Bewohner ihr Gemüse direkt im Hinterhof an anstatt auf den Bergen. Hier experimentiert Salome Kalo mit neuen Arten und Permakulturansätzen. Wie es sich anfühlte, nicht mehr genug Essen zu haben, weiß Salome Kalo noch genau. 2015 zerstörte der Tropensturm Pam ihre gesamte Ernte und den Baumbestand. Aber auch Starkregen und Dürreperioden seien verändert.
2021 findet die UN-Klimakonferenz in Glasgow statt. Ob sich die Vertragsstaaten rund 15 000 Kilometer entfernt darauf einigen werden, die Hilfszahlungen für Klimawandelschäden auszuweiten oder strengere Klimaziele zu setzen, ist fraglich. Länder wie China und Indien zögern, die ambitionierten Ziele zu unterstützen. Auf der Insel Emao hofft Jeffrey Daniels trotzdem, dass die internationale Gemeinschaft ihm und seiner Heimatinsel Emao helfen wird.
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