Mark Bryan öffnet uns mit seinen Ansichten zu geschlechtsloser Mode die Augen. Lernen Sie den Instagram-Star im VOGUE-Shooting und Interview kennen.
Irgendwie alles schon mal gesehen... - wer denkt das nicht manchmal beim schnellen Scrollen durch den Strom an Fotos und Videos auf Instagram oder anderen Plattformen. Nur wenig schafft es noch, unseren Blick wirklich zu fesseln. Aber dann bleibt man plötzlich doch hängen. Bei einem Foto von Mark Bryan. Ein 61-jähriger Mann mit Glatze und kantigen Gesichtszügen, der an einem Bahnsteig steht, scheinbar auf einen Zug oder eine S-Bahn wartend, in der Hand eine Aktentasche, oben unauffällig gekleidet in Hemd, Jacket oder Anorak, unten aber - und hier kommt der Bruch mit der Sehgewohnheit - einen engen Pencil Skirt und High Heels tragend.
Mit eben solchen Fotos, die eigentlich ganz normale Alltagsszenen zeigen und doch auch wieder nicht, begeistert Mark Bryan (@markbryan911) eine immer größer werdende Fangemeinde. Entstanden sind sie nicht etwa in Berlin oder einer anderen Großstadt, wohin man sie im ersten Reflex vielleicht verorten würde, sondern in der süddeutschen Provinz. Dort nämlich lebt der Ingenieur aus Texas, der 2010 der Liebe wegen in einen kleinen Ort nahe Stuttgart zog und seitdem von dort aus jeden Tag zur Arbeit pendelt, in Outfits, die auffallen, die er aber mit der derselben Selbstverständlichkeit trägt, die auch in seiner Instagram-Bio durchklingt: "I'm just a straight, married guy, that loves Porsches, beautiful women and incorporating high heels and skirts into my daily wardrobe", steht da. Klingt so easy. Aber ist es das wirklich?
Elegant und fierce: Mark Bryan zeigt seine Business-Looks auf Instagram
Hemd: Off-White; Weste: Ninamounah; Rock: Calvin Klein; Schuhe: Peter Do; Krawatte: Tom Ford; Koffer: Maxwell Scott
VOGUE hat mit Mark Bryan gesprochen, um mehr zu erfahren über seinen Stil, seine Motivation und darüber, wie es gelingen kann, kompromisslos zu leben und selbst gewöhnlichsten Situationen einen eigenen (modischen) Stempel aufzudrücken. Und wir haben Ihn von Fotograf Boris Kralj in Szene setzen lassen, so, wie er sich selbst am liebsten sieht – in Office Outfits, die elegant und fierce zugleich sind.
Mark Bryan im VOGUE-Fotoshooting und Interview
Nehmen Sie uns bitte mit durch einen typischen Tag in Ihrem Leben. Zunächst mal die morgendliche Outfit-Wahl: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie vor dem Schrank stehen und sich anziehen?
Mark Bryan: Wie viele andere Menschen auch gehe ich morgens in meinem Kopf meinen Tag durch und was mich erwarten wird. Jetzt gerade im Home Office ist natürlich alles anders, aber sonst überlege ich: Muss ich heute viel laufen, oder werde ich viel am Schreibtisch sitzen? Je nachdem entscheide ich, welche Schuhe ich tragen werde. Wenn es bequemer sein soll, wähle ich beispielsweise Plateaus oder Keilabsätze, die nur 7 cm hoch sind statt gefühlt 100. Auch wenn man es nicht vermuten würde, eine gewisse Praktikabilität ist auch mir wichtig (lacht).
Das übrige Outfit richtet sich dann daran aus. Was passt zu den Schuhen? Mit welcher Rockfarbe harmonieren sie? Brauche ich eine Strumpfhose? Bevor ich anfing, High Heels und Röcke zu tragen, ging es immer nur darum, den nächsten braunen oder schwarzen Anzug aus dem Schrank zu holen, dazu ein weißes Hemd, Krawatte und immer dieselben braunen oder schwarzen Schuhe. Das war's. Wie langweilig. Ich bin ja schon etwas älter, aber die Art, wie ich mich heute kleide, hat mir neue Lebensenergie gegeben. Heute fühle ich jeden Tag ein bisschen Aufregung, wenn ich mich für die Arbeit anziehe, das ist wunderbar.
Wie geht Ihr Tag danach weiter? Sie nehmen häufig die öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, mit Verlaub die Frage: Wie reagieren die Menschen auf Sie?
Mark Bryan: Die meisten Menschen bemerken mich zwar, aber sie sind entweder zu höflich, um etwas zu sagen, oder es kümmert sie tatsächlich nicht, weil sie zu beschäftigt mit ihrem Handy sind. Männer vermeiden häufig den Augenkontakt, Frauen hingegen schenken mir öfter ein Lächeln, manche kommen sogar auf mich zu und beginnen ein Gespräch. In dem Ort, in dem ich lebe, kennen mich aber sowieso alle und im Zug meist auch, weil ich jeden Tag denselben zur gleichen Uhrzeit nehme. Die Leute sind eher überrascht, wenn ich mal keinen Rock trage, was in Ausnahmefällen passieren kann. Einmal kam sogar eine Frau auf mich zu und fragte: "Stimmt etwas nicht, warum sehen Sie heute nicht so aus wie sonst?"
Hemd, Jacke und Kravatte: Ninamounah; Rock: Marni; Schuhe: Premiata
Aber auch, wenn die Reaktionen positiv ausfallen, würde es die meisten Menschen etliche Überwindung kosten, sich derart der Aufmerksamkeit auszusetzen. Fühlen Sie sich manchmal stolz, mutig genug zu sein, das zu tun?
Mark Bryan: Ich fühle mich auf jeden Fall sehr selbstbewusst damit. Und ich glaube, das strahle ich auch auf andere Menschen aus, die mich sehen. Ich verstecke mich nicht, ich tue nicht so, als müsste man sich für das, was ich trage, schämen. Im Gegenteil. Ich glaube, wenn man Unsicherheit zeigt oder Angst hat, dass jemand etwas gegen einen sagen könnte, dann zieht man Attacken förmlich an. Wenn man hingegen aufrecht geht, passieren sie selten, so zumindest meine Erfahrung. Übrigens glaube ich, dass ich in High Heels verdammt gut laufen kann, das fällt mir also nicht schwer (lacht).
Genießen Sie die Blicke, die Ihnen zugeworfen werden, oder wäre es Ihnen lieber, es gäbe sie nicht und ihr Look wäre eine ebensolche Normalität wie Sneaker zu Jeans?
Mark Bryan: Manchmal finde ich sie witzig. Aber ich genieße sie nicht, denn das, was ich tue, tue ich nicht, um Aufmerksamkeit zu bekommen, oder um Leuten eine Reaktion zu entlocken. Es ist einfach etwas, was ich für mich selbst tue und was mir wichtig ist. Insofern stört es mich auch nicht, wenn ab und an schräge Blicke kommen oder jemand mit dem Finger auf mich zeigt. Ich bin längst in einem Alter, in dem es mir egal ist, was andere Menschen von mir denken.
Welches Leben führten Sie, bevor Sie von den USA aus nach Deutschland kamen?
Mark Bryan: Ich wuchs in Texas auf und trug quasi von Kindesbeinen an Ranger-Jeans, Boots und Cowboy-Hut. Das änderte sich erst, als ich aus dem College kam und meinen ersten Job hatte, durch den ich in die "suits and tie sphere", also die Anzug-und-Krawatten-Welt, hineingeriet und darin mehr als 30 Jahre festhing. Aber ich bereue nichts davon. Ich besitze sogar heute noch einige Cowboystiefel, obwohl ich die meisten verschenkte, bevor ich nach Deutschland ging.
Rollkragen: Balenciaga; Jacke: Off-White; Rock: Givenchy; Schuhe: Givenchy; Kette: Balenciaga
Wann haben Sie angefangen, Interesse an Frauenkleidung zu finden? Gab es ein Erlebnis, das Sie in dieser Hinsicht prägte?
Mark Bryan: Ich fing auf dem College an, High Heels zu tragen. Damals datete ich ein Mädchen, das genauso groß war wie ich, es aber liebte, hohe Absätze zu tragen. Ich war also immer ein wenig kleiner als sie. Eines Tages nach der Uni gingen wir zusammen nach Hause, schauten Fernsehen, aßen etwas und irgendwann tanzten wir miteinander. Da passierte es einfach aus Spaß heraus, dass sie zu mir sagte: "Warum trägst du nicht auch hohe Absätze, wenn du unbedingt größer sein willst?"
Gesagt, getan. Lustigerweise hatten wir dieselbe Schuhgröße. Schon als ich zum ersten Mal High Heels anprobierte, liebte ich das Gefühl, das sie mir gaben. Aber aus vielerlei Gründen, unter anderem wegen meines Berufs, folgten viele Jahre, in denen ich nicht mehr an diesen Moment dachte, bis die Erinnerung vor ungefähr fünf Jahren wieder aufkam und ich beschloss, sie zuzulassen. Wie meine heutige Frau immer sagt: Man lebt nur einmal. Und das sollte man so gut es geht auskosten.
Und was genau faszinierte Sie am meisten an der Erinnerung? Die Ästhetik eines solchen Schuhs? Das Gefühl, ihn zu tragen? Oder die Konnotationen, die mit ihm verbunden sind?
Mark Bryan: Um ehrlich zu sein inspirierte mich die TV-Serie "Suits" sehr, vor allem Meghan Markle, die ja darin mitspielt. Die anderen Charaktere tragen durchaus schöne Kleider, aber sie erscheint immer in engem Rock, Bluse und atemberaubenden High Heels. Das brachte mich auf die Idee, Pencil-Skirts auszuprobieren und sie zu Männerhemden zu kombinieren, um etwas eigenes daraus zu machen.
Ich experimentierte auch mit Kleidern, aber ich mochte sie nicht, denn sie saßen schlecht am Oberkörper und an den Schultern... man merkte einfach, dass sie nicht für mich geschnitten waren. Röcke hingegen stehen mir - je enger, desto besser. Sie akzentuieren den Körper. Ich arbeite auch hart im Fitnessstudio, damit sie gut an mir aussehen. Vor allem am Hintern. Ich glaube trotzdem nicht, dass meine Muskulatur feminin wirkt, das war auch nie mein Ziel und ist es bis heute nicht.
Sakko: Alexander McQueen; Hemd: Alexander McQueen; Rock: Saint Laurent; Krawatte: Tom Ford; Strumpfhose: Falke; Schuhe: The Attico
Also war es nicht Ihre Absicht, mit dem Gegensatz zwischen im traditionellen Sinne feminin konnotierten Kleidungsstücken und einem maskulinen Körperbau zu spielen?
Mark Bryan: Nein, denn ich habe mich selbst nie als Crossdresser gesehen. Das Wort impliziert ja schon per se eine Grenzüberschreitung. Wenn ich aber keine Grenze zwischen den Geschlechtern sehe, welche sollte ich dann überschreiten? Ich war immer der Meinung, dass Röcke und High Heels für alle da sein sollten, die sie tragen wollen.
Ohnehin wollte ich mich nie in eine Kategorie einreihen und ich glaube auch, dass die Art, wie ich mich kleide, ziemlich selten ist. Zwar bin ich nicht im Entferntesten der einzige Mann, der Röcke und High Heels trägt, aber ich bin vielleicht einer der wenigen, die einen Hybrid-Look - so nenne ich es jedenfalls - wählen. Also obenrum traditionell maskuline Kleidungsstücke und unten feminine.
Geht es Ihnen eigentlich manchmal auf die Nerven, wenn Ihr Look auf etwas rein Sexuelles reduziert wird?
Mark Bryan: Ja, das ist der ermüdende Aspekt an dem Ganzen. Immer wieder bekomme ich die Frage gestellt, ob es mich erregt, mich so zu kleiden. Und meine Antwort darauf lautet immer wieder: Nein, ich fühle mich in meinen Outfits nicht anders als sonst, nur schöner. Wenn ich über meine High Heels spreche, dann bezeichne ich sie auch nie als "sexy". Und wenn Leute fragen, warum ich mich so sexy gemacht hätte, sage ich: "Das war nie meine Absicht, aber es ist wohl einfach passiert" (lacht).
Ernsthaft, die allermeisten Menschen, die mir begegnen, gehen fest davon aus, ich wäre schwul, und sind völlig irritiert, wenn ich mich als heterosexuellen Cis-Mann bezeichne, also als Mann, der sich sowohl mit seiner Geschlechts-Identität identifiziert als auch Frauen liebt. Das passt nicht in das Schema, in das sie mich aufgrund meines Äußeren einordnen wollen. Aber nur weil ein Mann gerne Frauenkleider trägt, muss er nicht homo- oder transsexuell sein, was ja ohnehin etwas völlig verschiedenes ist.
War es Ihnen deshalb wichtig, Ihre sexuelle Orientierung auch in Ihrem Profil klarzustellen?
Mark Bryan: Eigentlich ist es mir egal, was Leute denken, aber ich nahm es in mein Profil auf, weil ich so viele eindeutige Anfragen bekam und Fotos, die man lieber nicht geschickt bekommt, zumindest nicht von Fremden. Es ist verblüffend, wie schnell Menschen noch immer vom Äußeren auf das Innere schließen. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass Menschen durch mich lernen, dass Kleidung nichts mit sexueller Orientierung zu tun hat. Früher lautete mein Credo "clothes have no gender", also "Kleidung hat kein Geschlecht", aber das habe ich mittlerweile erweitert zu "clothes have no gender and no sexuell orientation".
Hemd: Richert Beil; Rock: Romeo Gigli; Strumpfhose: Falke; Schuhe: Jimmy Choo; Krawatte: YSL; Koffer: Maxwell Scott
Was halten Sie vor diesem Hintergrund vom Begriff der Unisex-Mode, der ja lange sehr populär war, vor allem in den 90er-Jahren, bevor man zum Ausdruck geschlechtsloser Mode kam?
Mark Bryan: Das Wort "Unisex" beinhaltet ja immer noch das Wort "Sex". Außerdem stieß mir bei Marken, die sich damit gerühmt haben, auf, dass viele Männermodels, die Unisex-Mode zeigen sollten, danach ausgewählt wurden, dass sie möglichst feminin aussahen. Widersprach das nicht eigentlich der Message? Ich glaube, einer der Gründe, warum Menschen meine Fotos inspirierend finden, ist auch, dass ich mich so style, wie ich es tue, obwohl ich mit meinem Körperbau und Gesicht nicht dem entspreche, was man gemeinhin als feminin bezeichnen würde.
Typisch für diese Zeit war es ja auch, es als "empowering" anzusehen, wenn Frauen zu Anzügen oder sonstigen maskulin konnotierten Kleidungsstücken griffen, für Männer fiel die derartige "modische Empanzipation" hingegen zurückhaltender aus.
Mark Bryan: Das stimmt bis heute, wenn Frauen traditionell maskuline Elemente in ihre Garderobe einbauen, wird ihnen eine "starke" Ausstrahlung zugeschrieben, umgedreht gilt das aber nicht, wenn Männer etwas traditionell feminines tragen. Da spielen in vielen Köpfen alte Muster noch eine große Rolle. Letztlich ist es doch aber so: Wir alle können stark sein, egal was wir tragen. Indem wir uns von Stereotypen befreien, befreien wir uns von einer großen Last. Dafür ist es nie zu spät.
Als ich ein Kind war, war für Frauen die Rolle der Hausfrau und Mutter, die abends ein warmes Essen auf den Tisch stellt, wenn der Vater nach Hause kommt, noch sehr stark verankert. Auch in meiner eigenen Familie wurde das so gelebt. Erst nachdem sich meine Eltern scheiden hatten lassen, wurde dieses Muster über den Haufen geworfen und meine Mutter bewies viel Stärke, als sie alles allein in die Hand nahm, wofür ich sie bis heute bewundere. Zum Glück sind wir im Vergleich zu diesen Umständen schon sehr weit gekommen.
Apropos Familie... wie reagierte die Ihre auf Ihr Auftreten?
Mark Bryan: Meine Familie lebt größtenteils in den USA und meine Kinder sind ok mit dem, was ich tue. Von meinem Sohn habe ich schon mal gehört: "Dad, das sieht echt gut aus". Aber meine Tochter beschäftigt sich mehr mit der Thematik, sie kommentiert alle meine Fotos und sagt mir immer, wer mir inzwischen folgt. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass Rihanna unter meinen FollowerInnen ist, bevor sie es mir erzählt hat.
Wünschen Sie sich, durch die Art, wie kompromisslos Sie sich selbst verwirklichen, Ihnen etwas mitgeben zu können?
Mark Bryan: Meine Kinder sind erwachsen, wenn dann also eher meinen Enkelkindern. Sie sollen aufwachsen mit dem Wissen, dass sie absolut frei sind, in dem was sie tun und was sie tragen.
Shirt: Bottega Veneta; Weste: Balmain; Mantel: Balmain; Rock: Dolce & Gabbana; Socken: Falke; Schuhe: Balenciaga
Wie empfinden Sie eigentlich Ihre neu gewonnene Popularität? Allein auf Instagram folgen Ihnen immerhin bald eine halbe Million Menschen.
Mark Bryan: Mein Instagram-Account war eigentlich als Dokumentation für mich selbst gedacht. Ich wollte meine Outfits auf Foto festhalten, wenn ich das Haus verließ, weil sie dann nochmal anders wirkten als im Spiegel. Aber einige Leute entdeckten meine Bilder und teilten sie. Nicht ohne eine gewisse Sensationslust. Einmal schrieb jemand dazu: "Männer in Deutschland tragen Röcke". So als würden das alle tun (lacht). Dieser Post war wohl der, der mich bekannt machte.
Hatten Sie jemals das Gefühl, sich in einer Art Persona, die Sie selbst kreiert haben, verlieren zu können?
Mark Bryan: Ich versuche, es nicht zu tun. Ich will einfach der sein, der ich wirklich bin: ein Mann, der gerne Röcke und High Heels trägt. Nicht mehr als das. Aber meine Popularität steigt und dadurch ergeben sich natürlich auch neue Möglichkeiten. Ich habe den Spaß am Modeln entdeckt, einfach weil es eine neue Welt für mich ist. Ich habe mich ja ein Leben lang mit dem Ingenieurwesen beschäftigt, etwas komplett anderem.
Hat Sie die Modewelt denn je in dem beeinflusst, wie Sie auftreten wollten?
Mark Bryan: Ich habe mich nie groß an DesignerInnen oder Trends orientiert, sondern meinen eigenen Stil entwickelt. Aber natürlich geht es auch um Mode und ich genieße es, bei Shootings ausgefallene Designerstücke tragen zu dürfen, weil mich das offener macht und mich auf neue Ideen bringt, wie ich meinen Stil modischer machen und mir gleichzeitig treu bleiben kann. Das VOGUE-Shooting fand ich toll, weil es mich gut repräsentiert. Den All-White-Look würde ich so auch ins Büro tragen. Wir haben vorher im Team darüber gesprochen, was mir wichtig wäre und ich sagte, dass ich es interessant fände, die Outfits nicht in einem total ausgefallenen Setting zu zeigen, sondern so, wie ich mich darin im realen Leben zeigen würde.
Shirt: GmbH; Weste: Boramy Viguier; Mantel und Schuhe: Ninamounah
Wie verlief der Prozess, den Menschen an Ihrem Arbeitsplatz Ihren neuen Kleidungsstil nahe zu bringen?
Mark Bryan: Ich bin nicht eines Tages einfach aufgewacht und in voller Montur ins Büro gestöckelt, sondern habe mich langsam vorgetastet. Erst einmal ging ich zur Personalabteilung meiner Company und verkündete ihnen, ich wolle High Heels zu meinen Anzughosen tragen, aber wenn ein Kunden-Meeting anstünde, würde ich wieder in meine Männerschuhe wechseln. Und sie sagten: "Ok Mark, da stehen wir dir nicht im Weg." Zuerst trug ich schlichte Schuhe mit einem niedrigen Blockabsatz, ich glaube, von vorne oder aus der Entfernung fielen sie gar nicht groß auf. Mit der Zeit wurden die Absätze dann immer höher.
Anfangs schauten mir KollegInnen noch nach und sagten: "Guck, was Mark heute wieder trägt". Aber dann gewöhnten sie sich daran und fingen an zu scherzen, warum ich nicht mal ein Kleid oder einen Rock zur Arbeit tragen würde. Das nahm ich als Ansporn. Sechs Monate später tat ich es. Ich hatte es mir schon lange gewünscht, aber es gab keinen Grund, es zu überstürzen. Ich wollte, dass meine KollegInnen mitverfolgen können, dass ich immer dieselbe Person bleibe, egal wie ich mich äußerlich verändere und im Gegenzug spürte ich, dass sie sich in meiner Gegenwart wohl fühlten.
Woher kommt dieses Selbstvertrauen, das Sie auf Ihrem Weg anscheinend nie im Stich ließ?
Mark Bryan: Aus dem Gefühl, dass ich mag, was ich tue, und denke, dass ich dabei nicht schlecht aussehe, oder? Wenn ich in meinen Absätzen nur durch die Gegend stolpern würde oder meine Röcke so kurz wären, dass darunter die Hälfte hervorblitzt, könnte ich ja noch verstehen, wenn Leute irritiert wären. Aber ich halte meine Outfits für sehr klassisch und bürotauglich, eher so wie das, was Menschen ansonsten als konservativ empfinden würden, wenn es eine Frau trüge. Was wir als "kontrovers" wahrnehmen, hängt also auch immer damit zusammen, wer es trägt. Und diese Wahrnehmung lässt sich zum Glück verändern.
Crew Credits:
Photo: Boris Kralj
Styling: Elli Drake
Model: Mark Bryan
Make-up: Nina Park @ballsaal_artist_mgmt
Production: Nina Lotte Schuchardt und Call List
Set Design: Fine Hermer
Retouch: Fabian Bollig